Worpswede. Selbst wer in Deutschland den Namen Klaus Doldinger noch nie gehört haben sollte, der kennt gewiss seine Musik: Wenn an vielen Sonntagen nach der Tagesschau die Melodie erklingt, die den „Tatort“ einleitet, so stammt diese ebenso von Doldinger wie die Musik zu diversen Fernsehserien. Eigentlich aber ist der gebürtige Berliner im Hauptberuf nicht Filmkomponist sondern Jazzmusiker, und zwar ein höchst erfolgreicher, dessen Renommee sich keineswegs auf Deutschland beschränkt, denn Klaus Doldinger genießt seit vielen Jahrzehnten auch in den USA einen hervorragenden Ruf und hat mit diversen Größen gearbeitet. Jetzt machte der Tenor- und Sopransaxofonist mit seiner Band Passport auf seiner Jubiläumstour Station in der Worpsweder Music Hall, die seit einiger Zeit restlos ausverkauft war.
Wenn man so will, ist es sogar ein doppeltes Jubiläum, denn einerseits existiert die Band Passport seit unglaublichen 45(!) Jahren, andererseits hat, was noch unglaublicher ist, Klaus Doldinger vor etwas mehr als zwei Wochen seinen 80. Geburtstag gefeiert. Dem Mann, der da flotten Schrittes, auf die Bühne kommt, glaubt man dieses Alter nicht. Nun ja, die langen, blonden Haare aus den siebziger Jahren sind kürzer und silbern geworden. Aber ansonsten? Der Tenorsaxofon-Ton, mit dem er das eröffnende „Reng Deng“ auf dem Groove-Teppich seiner Band einleitet, ist brillant und kraftvoll wie immer, und wird – wie seit langem – durch Effektgeräte gejagt, die ihn bei Bedarf verdoppeln oder, mit gewissem Hall versehen, strahlen und funkeln lassen. Diesen Opener hat Doldinger vielleicht nicht ohne Grund gewählt, denn er stammt von dem Album „Inner Blue“, das er vor fünf Jahren, passend zum damaligen Doppeljubiläum publiziert hat. Überhaupt ist dies ein Abend voller Rückblicke, passend zum aktuellen Album, das schlicht „Doldinger“ heißt. Während aber darauf auch einige prominente Weggefährten zu hören sind, angefangen bei Udo Lindenberg, der in der ersten Passport-Ausgabe noch am Schlagzeug saß und hier auf seine typische Art den Song „Der Greis ist heiß“ beigesteuert hat, über Sänger wie Sasha und Max Mutzke bis zu Helge Schneider, steht nun aber auf der Bühne der Music Hall neben ihm zunächst nur seine sechsköpfige Band. Die besteht aus dem exzellenten Keyboarder Michael Hornek, dem feinen Gitarristen Martin Scales und seinem Bruder Patrick Scales, der lange Zeit solide die E-Bass-Linien zupft, bis er beim Titel „Will-O’The-Wisp“ in einem fulminanten Solo seine Funk-Fähigkeiten auspacken darf, sowie der satten Rhythmus-Troika aus Ernst Stöer, Biboul Darouiche (beide Perkussion) und Schlagzeuger Christian Lettner. Bei der Band dürfte es sich – wenn der Rezensent richtig gerechnet hat – um die vierte Ausgabe von Passport handeln, deren Mitglieder mühelos allesamt seine Söhne sein könnten (Doldinger betreibt, wie er erläutert, auch noch eine „Passport Classic“-AuYsgabe mit früheren Passinhabern, die zu ihm zurückgekehrt sind). Auf den Eröffnungstitel folgt mit „Seven to Five“ ein Doldinger-Stück, das sich nicht mit „Take Five“ begnügt sondern gleich sieben Viertel rhythmisch untersucht. Am Rande bemerkt, hat Klaus Doldinger einige Zeit mit Don Ellis gespielt, der derartig krumme Taktarten liebte. So gekonnt, wie Passport das Stück inszeniert, wirkt der ungewöhnliche Rhythmus plötzlich überhaupt nicht mehr kompliziert. Mit dem beinahe vierzig Jahre alten Stück „Ataraxia“ ging es weiter. Im zweiten Teil beeindruckt vor allen Dingen, neben dem erwähnten Bass-Solo, der mit wildem Jazzrock-Druck gespielte „Infusion Rag“. Ein umjubeltes Konzert, das nicht ohne Zugaben enden konnte.