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Oldenburger Augusteum zeigt 80 Arbeiten aus dem Besitz des Berliner Brücke-Museums Die Farbkleckse sind zurück

Oldenburg. Wie sich die Zeiten doch ändern: Als die jungen Maler Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff 1908 um eine Ausstellung im Oldenburger Augusteum baten, galten sie zumindest in der nordwestdeutschen Provinz als verrückte, aber harmlose Farbkleckser.
28.10.2016, 00:00 Uhr
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Von Peter Groth

Oldenburg. Wie sich die Zeiten doch ändern: Als die jungen Maler Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff 1908 um eine Ausstellung im Oldenburger Augusteum baten, galten sie zumindest in der nordwestdeutschen Provinz als verrückte, aber harmlose Farbkleckser. Die Präsentation kam zustande, verkauft wurde damals nichts. 2016 werden die Werke dieser Maler und ihrer Kollegen aus der Künstlergruppe „Brücke“ wieder im Augusteum gezeigt – als weltweit anerkannte Meisterwerke des deutschen Expressionismus, selbstredend unverkäuflich. Das Oldenburger Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte hat rund 80 Arbeiten aus dem Besitz des Berliner Brücke-Museums für die Wiedereröffnung des großen Galeriesaals ausgewählt.

Die kleine Ausstellung von 1908 wäre sicherlich dem Vergessen anheimgefallen, wenn nicht Gerhard Wietek 1957 im Augusteum in einer bundesweit beachteten Schau die zwischen 1907 und 1912 in Dangast entstandenen Werke der Brücke-Künstler als Meilensteine in der Entwicklung der in Dresden gegründeten Künstlergemeinschaft gewürdigt hätte. 2008 erinnerte der damalige Direktor Bernd Küster in einer weiteren großen Ausstellung an die Bedeutung des Oldenburger Landes für die Brücke-Künstler, und nun holt sein Nachfolger Rainer Stamm 80 Hauptwerke ins Augusteum, um so das bis Ende 2015 grundsanierte Gebäude ins schönste Licht zu rücken. Stamm und seine Co-Kuratorin Gloria Köpnick haben die museumseigene umfangreiche Expressionisten-Sammlung im benachbarten Prinzenpalais belassen und dort um eine Kabinettschau zu den Malern der Brücke in Dangast ergänzt.

Im großen Galeriesaal und in zwei Kabinetten des Augusteums versammeln sie Ölgemälde, Arbeiten auf Papier, Skulpturen und Grafik der Brücke-Kerngruppe Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Ernst Ludwig Kirchner, Max Pechstein und Otto Müller. In den beiden kleineren Sälen konzentriert sich das Kuratoren-Duo auf die im Oldenburger Land entstandenen Bildnisse und die von und nach Dangast gesandten einzigartigen Künstlerpostkarten. Nicht wenige unter den 18 ausgestellten Kleinoden legen gegenüber den Adressaten offen, an welchen Motiven die Absender gerade arbeiten, waren Studien für später entstandene Gemälde. Im Zentrum des zweiten Kabinetts, des Dangast-Raumes, steht Karl Schmidt-Rottluffs 1910 gemaltes großformatiges Ölbild „Deichdurchbruch“, das den Umbruch vom impressionistischen Duktus zur monumentalen Zweidimensionalität in kräftigen Farbflächen demonstriert. Von Schmidt-Rottluff sind hier mehrere der kraftvollen und robusten, das Motiv radikal vereinfachenden Holzschnitte, Aquarelle und Ölbilder aus den Dangaster Jahren zwischen 1907 und 1912 zu sehen. Daneben wirken die dort entstandenen Arbeiten von Erich Heckel und Max Pechstein weit sensibler und lyrischer sowie auch differenzierter in der Farbgebung.

Im großen Galeriesaal, der nun zum ersten Mal nach der Grundsanierung bespielt wird, erlebt der Besucher die ganze Vielfalt in Motiven und Techniken der Brücke-Künstler. Hier hängen die Meisterwerke zu den Kernthemen der „Brücke“, die zeitweise sogar die Geschäftsstelle ihrer Gemeinschaft von Dresden nach Dangast verlegte. Landschaft, Akt, der Mensch in der Natur, Stadtleben, Varieté und Zirkus – aus allen Bereichen hängen hier die schönsten Beispiele einer radikal neuen Malerei, die den herausragenden Ruf der Brücke-Maler begründeten. Ernst Ludwig Kirchners Bildnis der Artistin Marcella von 1910, sein „Liegender Akt vor Spiegel“ (1909/10) und das Ölbild seiner Kollegen Heckel und Mueller beim Schach (1913), Schmidt-Rottluffs 1911 in wunderbaren Farben gemaltes Porträt der Rosa Schapire, sein 1912 entstandenes Ölbild eines Mädchens bei der Toilette, Otto Muellers paradiesisch wirkende Mädchenakte in der Landschaft gehören zu den bekanntesten Zeugnissen des deutschen Expressionismus. Dazu zählen auch Erich Heckels Flensburger Ansicht des Oluf Samsongangs von 1913 und Max Pechsteins Doppelbildnis „Liegendes Paar“ und verso „Im Wald bei Moritzburg“ aus dem Jahr 1909. Gegliedert sind diese Werke thematisch und nicht chronologisch oder nach Gattungen – so hat der Besucher die Möglichkeit, Ähnliches und Trennendes in der Bildauffassung der Brücke-Gruppe zu vergleichen. Schon 1908 bei der ersten Expressionisten-Schau im Augusteum traf ein Besucher die blumig formulierte Feststellung, die auch fast 100 Jahre später noch gilt: „ Wer sieht denn von uns Laien so brausende Farbtöne, die wie ein Orchester daherschmettern?“. Und auch der jetzt gewählte Ausstellungstitel greift treffend auf ein schon 1908 getroffenes Urteil zurück: Die Welt in diesen rauschenden Farben. Stimmt.

Info

Augusteum im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Oldenburg, Elisabethstraße 1; bis 22. Januar. Geöffnet: dienstags bis sonntags 10-18 Uhr.
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