Zwangsehe lautet das Wort, mit dem der Kulturjournalist Volker Weidermann die an Spannungen reiche Beziehung zwischen dem Erzähler Günter Grass (1927-2015) und dem Kritiker Marcel Reich-Ranicki (1920-2013) charakterisiert. Nicht mehr zu flicken war ihr Verhältnis, nachdem der sogenannte Literaturpapst im August 1995 auf einem Spiegel-Cover einen Verriss im Wortsinne vorgeführt hatte, anhand des Grass-Romans „Ein weites Feld“. „Ganz und gar missraten“ sei dieses Buch, ein „totaler Fehlschlag“.
Es war keineswegs die erste Schmähung, die der für seine strengen Urteile berüchtigte Feuilletonist dem politisch engagierten Großschriftsteller angedeihen ließ. Schon mit „Die Blechtrommel“ (1959) war er hart ins Gericht gegangen, als er ausgerechnet den wirkungsmächtigen Auftaktband zu Grass' „Danziger Trilogie“ als „Schaumschlägerei“ und „überladenes Prosagebilde“ bezeichnete. Mit dieser bornierten Haltung anverwandelte sich MRR ironischerweise der Spießigkeit des hiesigen Senats, der im Jahr 1960 der Zuerkennung des Bremer Literaturpreises für das Jahrhundertwerk „Die Blechtrommel“ nicht zugestimmt hatte.
Weidermann legt ein spannend aufgebautes Buch vor, das in schnellen Schnitten die denkbar diversen Sozialisationen und Stationen der Kontrahenten (hie das Waffen-SS-Mitglied Grass, da der Warschauer Ghetto-Insasse Reich-Ranicki) ineinander blendet. Der Mehrwert dieser delikaten Doppelbiografie besteht in funkelndem literaturgeschichtlichem Kolorit.
Weitere Informationen
Volker Weidermann: Das Duell. Die Geschichte von Günter Grass und Marcel Reich-Ranicki. Kiepenheuer & Witsch, Köln. 308 Seiten, 22 €.