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Instrument des Jahres 2022 Scheitern am Schlagzeug

In jeder Hand ein Stock, dazu die passenden Trommeln. Zumindest ein paar Rhythmen sollten drin sein, dachte sich WESER-KURIER-Redakteur Simon Wilke vor seinem Drumset-Workshop. Doch einfach wurde es nicht.
14.12.2021, 13:20 Uhr
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Scheitern am Schlagzeug
Von Simon Wilke

David Gutfleischs Schlagzeug schwimmt. Und mit ihm sein Marimba- und sein Vibraphon, ja, sein ganzer Proberaum. Aber keine Angst, Versicherungsschäden sind nicht zu befürchten. Und auch den Nachbarn geht es gut. Nicht trotz, sondern wegen der Schwimmerei. David Gutfleisch ist Musiker, gelernt hat er klassisches Schlagzeug. Deshalb ist der Anbau, in dem er probt und unterrichtet, ein sogenannter schwimmender Raum. Ein Raum im Raum, bei dem die Wände sich nicht berühren, die Fenster extradick und die Türen mit Schaumstoff schalldicht ausgekleidet sind. Würde hier drinnen ein Revolver abgeschossen, draußen könnte es niemand hören. Hier kann er sich also austoben, mit Musik auf den Ohren und Trommelstöcken in der Hand.

David Gutfleisch koordiniert die Angebote der Musikwerkstatt der Bremer Philharmoniker. Mit dem Phil-Mobil fahren die Musikerinnen und Musiker in verschiedene Schulen, geben Workshops und bringen möglichst vielen Kindern und Jugendlichen die Faszination für Musik ein Stückchen näher. Auch an diesem Vormittag gibt es eine Probestunde am sogenannten Drumset. Ohne Schüler allerdings, dafür sitze ich auf dem Hocker neben ihm, ein Zeitungsredakteur, der zwar hin und wieder über Rhythmen und Töne zu schreiben hat, sie aber nur selten produziert. Eigentlich gar nicht – jedenfalls nicht, wenn jemand zuhört.

Arme über Kreuz

Doch gerade wurde das Drumset vom Landesmusikrat Bremen zum Instrument des Jahres 2022 ausgewählt. Grund genug also, einmal selbst die Trommelstöcke zu schwingen, um auszutesten, was geht und was nicht geht mit so einem Instrument. Allerdings, das wird schnell klar, das Schlagzeug wird hier und heute nicht an seine Grenzen getrieben. Ich dafür umso mehr.

Das Drumset selbst ist schnell erklärt. Der rechte Fuß schlägt die große Trommel, die Bass Drum, an. Dazu gibt es, von links nach rechts, die Hi-Hat, die Snare, drei Toms (Trommeln) und ein Becken. Noch leichter zu erfassen ist der erste Rhythmus: Bumm-Tschak, Bass-Drum und Hi-Hat, rechter Fuß, linke Hand. Oder doch nicht. Denn auch wenn die Hi-Hat links ist, schlägt man mit rechts, der Führhand. Also Arme über Kreuz, nochmal das Ganze.

Schon Sechsjährige lernen bei Gutfleisch Schlagzeug, und Rentner hat er auch schon erfolgreich unterrichtet. Kann also nicht so schwer sein, sollte man meinen. Doch weit gefehlt. Denn nach Bumm-Tschak braucht es das, was man wohl am besten als Koordination beschreibt. Die rechte Hand bleibt bei der Hi-Hat, eins – zwei – drei – vier. Auf eins schlägt der rechte Fuß die Bass Drum an, auf drei die linke Hand die Snare. Gutfleisch hat dazu einen passenden Taktgeber-Spruch: Fuß-Tschak, Ball-Tschak. Hilft nur nicht. Der Takt stimmt zwar, aber die Trommeln klingen bei mir scheinbar wahllos. Es ist, als würden meine Hände und Füße raten, wann sie wo hinschlagen, mit einem Glückstreffer hier und da. Wahnsinn, wie schwer das ist, denke ich. Mit einem "Die Noten packen wir heute wohl noch nicht aus", bestätigt Gutfleisch meine Selbstwahrnehmung. Soll heißen: Das war wohl nichts.

Gutfleisch bevorzugt Funk

Apropos: Noten. Ja, auch für das Schlagzeug gibt es Noten. Keine Tonleiter natürlich, aber dafür steht zum Beispiel die tiefste Note für die Bass Drum und ein X für die Hi-Hat. So können talentiertere Schlagzeuger dann auch die Lieder der Foo Fighters oder von Guns n' Roses nachspielen.

Rock, die klassische Schlagzeugmusik, ist eigentlich nicht unbedingt das, was David Gutfleisch gerne hört und spielt. Er kann das zwar und dazu noch Hip-Hop mit typischem Klatsch-Sound, Samba-Rhythmen, Jazz-Groove oder Wiener Walzer. Bevorzugt spielt er jedoch Funkiges, "das, wo ein bisschen mehr passiert", sagt er, und schon fliegen seine Arme über das Instrument.

Auch bei mir ist inzwischen etwas passiert. Steter Tropfen höhlt den Stein, könnte man sagen, und nach etlichen Versuchen klappt es mit der Rechte-Hand-rechter-Fuß-linke-Hand-Koodination. Es fühlt sich an, als hätten sich die Synapsen in meinem Gehirn neu verschaltet. "Da haben wir es doch", sagt Gutfleisch. Und: "Es gibt auch Leute, die haben gar kein Taktgefühl – da wird’s dann schwer." In solchen Fällen fängt er erst einmal mit Körperübungen an, um ein Rhythmusgefühl aufzubauen. Das bleibt mir heute erspart. Ein Teilerfolg, immerhin.

Wie variantenreich das Drumset ist, zeigt David Gutfleisch im Laufe dieses Vormittags. Das Spektrum reicht von Marschmusik über Pop-Rock hin zu Bossa Nova. Dazu führt er auch das Marimbaphon vor, das man mit gleich zwei oder drei Schlägeln pro Hand spielt. Und zwar auf eine Weise, die bei mir nur Staunen hinterlässt. Ich muss mich schließlich schon bei dem einfachen Rhythmus auf der Ein-Stock-pro-Hand-Variante so sehr konzentrieren, dass es mir die Schweißperlen auf die Stirn treibt. Aber Spaß macht es, keine Frage, und so hat mich die Begeisterung für das Schlagzeugspiel auch recht schnell erfasst. Fehlt also eigentlich nur noch ein schwimmender Proberaum.

Zur Sache

Drumset und Beatbox

Im Januar geht es los. Dann startet die Musikwerkstatt der Bremer Philharmoniker mit ihren Drumset-Workshops ins neue Jahr. An verschiedenen Partnerschulen im Stadtgebiet bekommen die Kinder dann Gelegenheit, sich am Schlagzeug auszuprobieren. Dazu bietet der Koordinator der Werkstatt, David Gutfleisch, für diejenigen Schülerinnen und Schüler, die gerade nicht spielen können, einen Beatbox-Kurs an.

Neben den Projekten an Schulen hält die Musikwerkstatt auch Angebote für Familien und Kinder bereit, die Freude an der Musik vermitteln sollen. Nähere Informationen gibt es im Internet unter www.bremer-philharmoniker.de/musikwerkstatt.

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