Gäbe es keine Mäzene, das Bremer Kulturleben wäre erheblich ärmer. Die Kunsthalle, die Museen Böttcherstraße, das Focke-Museum oder das Übersee-Museum könnten sich manche Neuerwerbung, manche Ausstellung nicht leisten. Das Musikfest, dessen Etat sich zu 25 Prozent aus Privatspenden speist, oder die Kammerphilharmonie müssten ihr Konzertangebot abspecken. Auch die Loriot-Bank würde fehlen. "Ohne Mäzene geht es nicht", stellt Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz fest. "Sie machen viele Projekte möglich, die sich die öffentliche Hand nicht leisten kann."
Die Stadt unterstützt das Kulturleben zwar mit fast 100 Millionen Euro jährlich, aber damit werden vor allem der Bestand der Kultureinrichtungen, deren Personalkosten und die Künstlerförderung gesichert. Dass die Kultur große Sprünge machen kann, dafür sorgen oft erst die privaten Geldspritzen. Emigholz hat die Zahlen parat. Mit mehr als 3,9 Millionen Euro förderten Mäzene 2021 öffentliche Aufgaben in Bremen, davon erhielt die Kultur mit fast 1,9 Millionen Euro den größten Betrag. Der liegt sonst sogar bei mehr als vier Millionen jährlich, aber durch die Corona-Krise fielen viele förderwürdige Veranstaltungen aus. "Insgesamt verzeichnen wir weiterhin ein sehr hohes Engagement", betont Emigholz.
Alte Kaufmannstradition
Das hat in einer Handelsstadt wie Bremen Tradition, früh übernahmen hier betuchte Kaufleute die Gönnerrolle von Fürsten und Bischöfen. Zwei Institutionen, die ihre Existenz dem ausgeprägten Bürgersinn verdanken, feiern bald ihr 200-jähriges Bestehen. 1823 wurde der drittälteste deutsche Kunstverein ins Leben gerufen – Mitbegründer wie der Jurist Hieronymus Klugkist und der mit dem Farbstoff Indigo handelnde Kaufmann Johann Heinrich Albers stifteten ihm ihre riesigen Kunstsammlungen. 1825 wiederum hoben Musikfreunde um Domkapellmeister Wilhelm Friedrich Riem die Philharmonische Gesellschaft aus der Taufe. Legendär wurde auch Kaffee-Hag-Gründer Ludwig Roselius, der 1931 den Umbau der Böttcherstraße im expressionistischen Stil finanzierte.
Heute findet Mäzenatentum meist über Stiftungen statt - weit über 300 sind es. Damit steht Bremen im Ländervergleich nach Hamburg an zweiter Stelle. In jüngerer Zeit erinnern etwa, wenngleich auch anderen Zwecken offen, Stiftungen der Unternehmer Waldemar Koch, Conrad Naber und Bernd Hockemeyer an deren Kulturbegeisterung. Ausschließlich kulturellen Anliegen widmet sich die 1996 gegründete Karin und Uwe Hollweg Stiftung, die mit einer Million Euro im Jahr eine Vielzahl von Projekten fördert.
Besonders aktiv: die Hollweg-Stiftung
Fragt man dort an, ist Karin Hollweg gleich selbst am Telefon. Die leidenschaftliche Kunstsammlerin verhehlt nicht, dass die Kunsthalle Bremen zu den "Lieblingskindern" des Ehepaars zählt. Der Ankauf von Maurizio Cattelans "Bremer Stadtmusikanten", die Hans-Christian-Andersen-Ausstellung 2018 und vieles mehr ist den Hollwegs zu verdanken. Doch auch andere Museen und Bereiche von Musik bis Denkmalpflege profitieren vom Engagement der Stiftung – und zwar weit über Bremens Grenzen hinaus. Ob alte Kirchen in Ostdeutschland, ein Katalog in Weimar oder ein Projekt auf der Biennale Venedig: Was unter den etwa 500 Anträgen pro Jahr im Familienrat Anklang findet, wird gefördert. "Wichtig ist uns, dass wir keine Einzelkünstler, sondern institutionell abgesicherte Projekte fördern", unterstreicht die 75-jährige Mäzenin. "Und dass wir nicht die alleinigen Geldgeber sind."
Auch mal "unsexy": Waldemar-Koch-Stiftung
So hält es grundsätzlich auch die 1962 gegründete Waldemar-Koch-Stiftung. "Dass wir den Umbau des Gerhard-Marcks-Hauses 2016 fast allein getragen haben, war die Ausnahme", sagt Elke Dubbers-Albrecht vom dreiköpfigen Kuratorium. Typischer sei aber etwa die über zehn Jahre verteilte Anschubfinanzierung zur Digitalisierung der Papierarbeiten in der Kunsthalle. Dubbers-Albrecht sieht einen großen Vorteil darin, dass Stiftungen – anders als Sponsoren, die für ihre Unternehmen werben – nicht auf Publikumswirksamkeit achten müssen. "Wir haben auch die Entschlammung der Gräben im Bürgerpark unterstützt, der ja Kulturdenkmal ist. So unsexy war kaum ein anderes Projekt", erzählt sie lachend. Um ernster hinzuzufügen, dass die Zeiten härter würden: "Wir merken es an den Anfragen. Die großen Banken und Firmen ziehen sich zurück oder engagieren sich eher im sozialen Bereich."
Deshalb werden private Kulturmäzene und der kurze Draht zu ihnen eher noch wichtiger, wie die Politikerin Emigholz weiß. "Wenn die Stadt ein großes Projekt wie das Tabakquartier nicht allein stemmen kann, bitten wir höflich um Unterstützung." Wichtig sei, dass der Staat sich nicht aus der Verantwortung stehle, sondern die Grundkosten trage. Und finanzielle Transparenz: "Wir haben es mit Kaufleuten zu tun. Nur wenn man sauber rechnet, gewinnt man Vertrauen."
Schulterschluss fürs Großprojekt
Mitunter ziehen alle an einem Strang, Bund, Land, Mäzene. Wie beim Erweiterungsbau der Kunsthalle 2011, als der Eigenanteil des Kunstvereins, zehn Millionen Euro, je zur Hälfte von der Familie Hollweg und den Werftbesitzern Peter und Friedrich Lürßen gestemmt wurde. In diesem Fall sind die Zahlen bekannt. Ansonsten gehört es zum guten Ton, die Summe der Wohltaten nicht an die große Glocke zu hängen. "Wir erleben in diesem Bereich eine sympathische Zurückhaltung", stellt Emigholz fest. "Nicht jeder möchte im Rampenlicht stehen."
Bei Karin Hollweg spürt man das, wenn sie fast nebenbei bemerkt: "Am schönsten sind oft die kleinen Projekte, bei denen man mit wenig Geld viel bewirken kann."