Der gute alte Dual-Plattenspieler: Vor dem Gemälde von Jutta Haeckel können Fans der Vinyl-Scheibe nostalgisch werden. Doch der Fotorealismus führt in die Irre: Bei genauem Hinsehen stimmt mit dem 105 mal 160 Meter großen Bild von 2001 so einiges nicht.
Was zeigt das Bild?
So greifbar der Plattenspieler mit seinen Silberknöpfen dasteht, so unscharf wirkt die Umgebung, so ungenau die Perspektive. Der runde Tisch mit weißer oder gläserner Tischplatte, auf dem das Gerät steht, formt sich nicht wirklich zum Kreis. Direkt dahinter befindet sich eine Glasscheibe, durch die sich schemenhaft links und rechts zwei Stühle mit gestreiften Kissen in blassem Rot und Gelb und ein weiterer runder Tisch erkennen lassen. In dem Fenster spiegeln sich sehr stark die Stämme dreier kahler Bäume, die sich ohne jede Brechung in der Plexiglashaube des Plattenspielers fortsetzen und auf diese Weise einen Großteil des Drehtellers verdecken. Das technische Gerät scheint in die Natur verpflanzt zu sein, wird von der Welt draußen geradezu aufgesogen.
Wer hat das Bild gemalt?
Jutta Haeckel wurde 1972 in Hannover geboren und lebt seit 2004 in Düsseldorf-Flingern. 1995 bis 2002 studierte sie in Bremen unter anderem bei Karin Kneffel, an deren hyperrealistischen Großformaten sie sich anfangs orientierte, 2000 bis 2001 am Goldsmith College in London. Haeckel machte sich international einen Namen, stellte viel in New York und San Francisco aus. Seit 2018 lehrt sie an der Alfred-Universität, einer US-Schule für Kunst und Design, die in Düsseldorf einen Masterstudiengang für Malerei anbietet. Haeckels Interesse gilt der Struktur von Oberflächen. Ihr Stil hat sich stark gewandelt – inzwischen malt sie häufig Mikrostrukturen von Flechten oder Stoffen mit Acrylfarbe auf Jute.
Wie ist das Bild gestaltet?
"'Plattenspieler' zeigt Jutta Haeckels Interesse an Oberflächen mit ihren Spiegelungen und an Kreisformen", erläutert Angela Tietze von der Städtischen Galerie. "Man möchte den Plattenspieler am liebsten anfassen und Musik auflegen." Perspektivisch aber passe das alles nicht, fügt Galerieleiter Ingmar Lähnemann hinzu: "Der Hyperrealismus wird gebrochen." Er verweist etwa auf den Neigungswinkel des Plattenspielers, der nicht mit der Umgebung übereinstimme. "Man merkt es irgendwann, nimmt diesen Eindruck aber für sich wieder zurück, weil man solche Reflexionen in Gemälden nur von Wasserflächen oder Spiegeln kennt." Im Grunde sei der Plattenspieler ein Bild im Bild.
Was ist das Besondere an dem Bild?
"Das Bild ist nicht auf Leinwand, sondern auf eine MDF-Platte, eine mitteldichte, schwere Holzfaserplatte, gemalt, was den sachlich kühlen Eindruck erhöht", betont Lähnemann. Tietze ergänzt: "Ein Plattenspieler im Jahr 2001, als längst der CD-Player auf Siegeszug war, dazu der Hintergrund, der an die Romantik erinnert: Nostalgie spielt hier eine große Rolle." Nicht zuletzt auch für die Städtische Galerie, denn das Werk wurde 2003 als eines der letzten über die soziale Künstlerförderung angekauft. Lähnemann stellt fest: "Es markiert den Schnitt, mit dem die städtische Sammlung abbricht."