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Bremer Künstler Städtische Galerie zeigt Werkschau von Jimmi D. Paesler

Die Städtische Galerie am Buntentorsteinweg zeigt eine Retrospektive des Bremer Künstlers Jimmi D. Paesler. Er hat sich durch politisch gefärbte, malerisch ausgefeilte Wandbilder einen Namen gemacht.
15.11.2024, 15:21 Uhr
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Städtische Galerie zeigt Werkschau von Jimmi D. Paesler
Von Iris Hetscher

Es gibt eine Anekdote, die treffend beschreibt, welchen Stellenwert der Kunst von Jimmi D. Paesler schon vor fast 60 Jahren beigemessen wurde. 1967 war er kurz davor, beim Kunstpreis Junger Westen in Recklinghausen den ersten Platz zu erringen. Mit einer Jurystimme mehr zog ein ebenfalls aufstrebender Kollege namens Gerhard Richter an ihm vorbei. Dessen Werke zählen heute zu den teuersten und einflussreichsten auf dem internationalen Kunstmarkt. Jimmi D. Paesler allerdings schlug einen anderen Weg ein.

Wie der aussah und immer noch aussieht, kann man ab Sonnabend in der Städtischen Galerie nachvollziehen, die dem 82-Jährigen eine klug kuratierte Retrospektive mit 43 Werken widmet. Der Titel lautet "Permanente Anheimfallung", was schon auf das Absurde, immer leicht aus der Realität Gefallene von Paeslers Kunst hinweist: anheimfallen gibt es nur als Verb, in einer Substantiv-Variante existiert das Wort nicht. Das titelgebende Werk von 2004 zeigt Putten, die aus einem staubgrauen Betonkuben purzeln; das barocke Bildzitat wird verknüpft mit der kalten Atmosphäre funktionaler Architektur.

Paesler hat sich schon früh als kritischer Geist und politischer Künstler positioniert, ein Schlüsselerlebnis sei für ihn der Putsch von Augusto Pinochet gegen die sozialistische Regierung von Salvador Allende in Chile gewesen, sagt er beim Presserundgang zur Ausstellung. Er hat daher 1973 beschlossen, sich nach frühen Erfolgen aus dem System der Vermarktung von Kunst zurückzuziehen. Seither ist Paesler, der in den 1960er-Jahren in Bremen Malerei studiert hat und seitdem hier lebt, vor allem für seine Wandbilder bekannt. Sein malerisches Credo beschreibt er so: "Ich denke von der Fläche in den Raum zum Gegenstand."

Als erstes großes Projekt entstand 1976 der "Geldbunker" an der Woltmershauser Straße. Die Münzen scheinen dem Betrachter vor die Füße zu kullern, Geldscheine fliegen umher, und doch hat die Szenerie vor leuchtend rotem Himmel etwas Sterntaler-Märchenhaftes. Die auf den ersten Blick figurative Malerei ist durch Verfremdungseffekte auf eine zweite Ebene gehoben. Die Kritik an der Fixierung aufs Geld klingt an, springt aber nicht an.

Sowieso: Wer bei der Kombination Politik und Wandbild an Agitprop denkt, ist bei Paesler an der falschen Adresse. Dafür denkt er zu hintersinnig, dafür liebt und vor allem beherrscht er seine Kunst zu sehr. Da sind beispielsweise die 2018 entstandenen Landschaften, bei denen er zwei Bilder in Bezug zueinander setzt: Vor dem "Eismeer" von Caspar David Friedrich (1823/24) steht die Betrachtergruppe aus Richard Oelzes "Erwartung" (1935/36), ausgestattet mit VR-Brillen; auch einige Pinguine haben sich unter sie gemischt, über dem Eismeer sind Nordlichter zu sehen. Davon gibt es Varianten; Paesler macht sich so seine Gedanken zum Klima- und zum gesellschaftlichen Wandel. Als Gag, der sich durch mehrere Bilder zieht, hat er einige Stellen mit fluoreszierender Farbe versehen, weshalb Ausstellungsbesucher kleine Taschenlampen ausgehändigt bekommen.

Die Bilder erhalten dadurch ab und an eine beinahe unheimliche weitere Ebene. Da gibt es das Foto von Angela Merkel, die, damals als Umweltministerin, eine Fischerhütte besucht. Paesler übersetzt dies in ein Gemälde à la van Gogh, flutet den Boden der Hütte aber und lässt Quietscheenten schwimmen, deren Augen bedrohlich funkeln, wenn man den Taschenlampenstrahl auf sie richtet. Merkel dagegen hat plötzlich einen bläulichen Heiligenschein. Die Enten finden sich auf einigen Bildern und sind Paeslers Symbole für den Klimawandel. Er nimmt mit ihnen Bezug auf die Havarie eines Containerschiffs, bei dem Tausende gelber Plastikenten 1992 ins Meer gerieten und seither durch die Ozeane tingeln – Umweltverschmutzung, aber auch Datenquelle über Meeresströmungen für Wissenschaftler.

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Man kann viel entdecken in dieser großzügig gehängten Ausstellung. Paesler verarbeitet Motive von Keith Haring oder hat Wladimir Putin mit einem Koalabären auf dem Arm neben eine Reproduktion von Picassos "Guernica" gestellt, und das schon 2015. An der konkreten Kunst arbeitet sich Paesler immer wieder ironisch ab, etwa, wenn zunächst ein schlichtes rotes Quadrat zu sehen ist, dass auf einem zweiten und dritten Bild aufklappt und den Blick auf Sahra Wagenknecht freigibt.

Auch ein eigens für die Schau gestaltetes neues Wandgemälde zeigt diese Art malerischer Schlitzohrigkeit. Vier kakaofarbene Streifen auf grauem Untergrund hat Paesler gemalt, doch zwei davon "krabbeln die Wand hoch" wie der Künstler sagt. Der schlichte Titel: "Wandfarbe".

Info

Jimmi D. Paesler: Permanente Anheimfallung. Eine retrospektive Einzelausstellung 1967-2014. Städtische Galerie, Buntentorsteinweg 112, bis 19. Januar 2025. Eröffnung: Sonnabend, 16. November, 19 Uhr. Ein Katalog erscheint am 12. Dezember.
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