Bremen. Es zeugt von Courage oder/und Souveränität, jemanden wie Ann Vriend für die Gestaltung eines Vorprogramms zu laden. Denn die kanadische Liedermacherin ist mit einer faszinierenden Stimme, einer eindringlichen Bühnenpräsenz und einem mitreißenden Repertoire gesegnet, das Soul und Blues, R&B und Funk auf originelle Weise vereint.
Minimale Instrumentierung, maximale Wirkung: Vriend, begleitet von dem virtuosen Bassisten Kaley Kinjo, entlockt den Keyboards oftmals bloß vereinzelte Töne, auf denen sie ihren treibenden, wohltemperierten und extrem variablen Gesang ansiedelt.
Zu den Höhepunkten ihres umjubelten Auftritts im bestens besuchten Bremer Metropol-Theater zählen die lyrisch und weltanschaulich bestrickende Pop-Elegie „Hurt People Hurt People“ (2015), die selbst hierzulande zu einem bescheidenen Hitparadenerfolg geriet, sowie das eminent expressiv vorgetragene Aretha-Franklin-Cover „(You Make Me Feel Like) A Natural Woman“.
Die Show ist der britischen Musikerin Lisa Stansfield im Theatersaal am Richtweg dennoch nicht gestohlen worden. Ihr ebenso kompakter wie überzeugender Auftritt, der sich nach einer überschaubaren Umbau- beziehungsweise Erfrischungspause an Vriends gelungenes Gastspiel anschließt, wird getragen von einer ohrenscheinlich hervorragend eingespielten achtköpfigen Band und zwei auch in gestischer Hinsicht ausdrucksstarken Sängerinnen.
Der agile Keyboarder vorne links erinnert in Haarpracht und Habitus dezent an den Simply-Red-Frontmann Mick „Soulmops“ Hucknall. Das ist insofern sinnig, als die Weltkarrieren beider Künstler in den 80er-Jahren begannen, als Pop und Soul mancherorts eine massentaugliche Allianz eingingen.
Entsprechend beginnt die 53-jährige Stansfield ihre Lebensleistungsschau mit einem bedeutsamen Karriere-Baustein, ja ihrem Fundament: dem Titelsong ihres Debütalbums „Affection“, das am 20. November 1989 erschien und es in Deutschland – wie auch in Großbritannien – auf den zweiten Rang der Charts schaffte. Das Lied, ein nachgerade perfekter Opener, kommt ebenso funky daher wie viele weitere aus ihrem Portfolio.
Mit zunehmender Dauer des Konzerts klingt zwar manches aus ihrer seit 30 Jahren produzierenden Melodie-Manufaktur etwas gleichförmig. Aber zum einen sind musikalische Blaupausen im Pop-Beritt nun mal die Regel, nicht die Ausnahme. Zum anderen kompensiert die knabenhaft konturierte Mrs. Stansfield sporadische Eintönigkeitseindrücke durch beachtliche Bühnenbeweglichkeit. Ein auffällig schlanker Quirl, dessen Vokalvolumen umso mehr frappiert.
Zu ihrer zwischen rauchig, samten und crispy angesiedelten Gesangskunst fügen sich ihre teil spektakulär agierenden Begleiter trefflich: Der Perkussionist macht einen großartigen Job, die Bläser-Fraktion hinten rechts sorgt für sonore Soli, unter anderem der begnadete Querflötist, dem das Publikum gern opulente Ovationen spendiert.
Schlag auf Schlag geht es voran, lies: Hit auf Hit. Auf „Sincerity“ folgt die dynamische Nummer „The Way You Want It“, bei der sich, erstmals an diesem Abend, die Konzertbesucher allmählich von ihren Sitzplätzen erheben, um zu tanzen oder zumindest mitzuwippen, soweit das der Platz zwischen den Reihen eben hergibt. „This is the Right Time“ wird im Metropol-Theater ebenso innig beklatscht wie „The Real Thing“, und beim Refrain von Lisa Stansfields Über-Hit „All Around the World“ haben die geneigten Zuhörer die Gelegenheit, ihre Textsicherheit zu demonstrieren.
Engagierte Mitstreiter
Dabei stellt der anheimelnde Soul, den Lisa Stansfield und ihre engagierten Mitstreiter mehrheitlich darbieten, grundsätzlich ein wohliges Kontrastprogramm zur trüben und kühlen Herbstwitterung dar. Für fröstelnde Kuschel-Fetischisten hätten es deshalb wohl noch einige Up-Tempo-Nummern weniger sein dürfen. Doch durch den Schwerpunkt, der sich naturgemäß aus einer Debüt-Jubiläumstournee ergibt, sind einige reife und besonders warme Werke der Künstlerin offenbar etwas aus dem Blick geraten, darunter das grandiose, von Trevor Horn produzierte Album „The Moment“ aus dem Jahr 2004. Ungeachtet dessen erlebten die Metropol-Gäste ein sehr schönes Konzert mit viel Gelegenheit zum nostalgischen Schwelgen.