Der Philosoph und Literaturwissenschaftler Rüdiger Safranski ist auf das Verfassen deutscher Lebensläufe spezialisiert. Biografien widmete der 74-Jährige Goethe und Schiller, Schopenhauer und Nietzsche. Der Dichter Friedrich Hölderlin (1770-1843) ist kurz vor seinem 250. Geburtstag dran. Safranski weist Teile der Vita des Schwaben als Forschungsdesiderat aus; Hölderlin sei ein Unbekannter, ja ein Fremder. Entsprechend dezent nähert er sich dem Dichtertitan. Nicht an verstiegenen Thesen ist ihm gelegen, weder an einer Überspitzung seines Revolutionsbegriffes noch an Superlativen seines Wahnsinns, nur und immerhin an einer schlüssigen lebensgeschichtlichen Erzählung. Und doch benennt er ein Hauptmotiv seiner Recherche: „Was also ist das für ein Feuer, das in Leben und Poesie Hölderlins brennt? Das ist die Frage, der dieses Buch nachgeht.“ Übrigens mit sehr viel Sympathie für den Beschreibungsgegenstand, einen Landsmann – Safranski ist gebürtiger Rottweiler.
Und wie er seiner Leitfrage nachgeht! Safranski ist ein mitreißender Erzähler, der selbst kleinteilige philologische Aspekte in elegante Prosa gewandet. Er folgt Hölderlin, den er „Priester der Poesie“ nennt, nach Tübingen und Jena, erhellt seine idealistischen Einflüsse und seine selbstzweiflerischen Grauzonen, untersucht sein Werk auf erogene Zonen und auf Regionen des Erhabenen – und kommt wiederholt auf Vorboten seiner Krankheitsgeschichte zu sprechen. Über eine seltsame Episode in Stuttgart heißt es unter Bezugnahme auf Zeitzeugen, Hölderlin habe Freunde und Bekannte schockiert durch sein „abgerissenes, verwahrlostes Äußeres und die Anzeichen von Erschöpfung und dumpfer Niedergeschlagenheit.“
Weitere Informationen
Rüdiger Safranski: Komm! ins Offene, Freund!
Hanser, München.
336 Seiten, 28 €.