Bremen. Es gibt sie noch und immer wieder – junge Bands, die anscheinend irgendwo aus dem Nichts kommen, sich wenig um die Stromlinienformate des Mainstreams kümmern und sich mit jugendlichem Selbstverständnis in die Herzen der meist noch ein wenig jüngeren Fans spielen. Annenmaykantereit oder auch Faber sind diesen Weg gegangen, und auch Provinz haben sich einen ähnlichen Spielplatz zwischen folkiger Widerspenstigkeit und poppiger Eingängigkeit geschaffen. Die Vergleiche kommen nicht von ungefähr, denn alle drei Band eint, dass Produzent Tim Tautorat ihnen diesen Weg offensichtlich mit der richtigen Mischung aus Freiheit und Beratung geebnet hat.

Vincent Waizenegger, Sänger und Gitarrist von Provinz.
Für Provinz, die zwar schon seit zehn Jahren bestehen, aber erst um 2019/20 mit ihren ersten Veröffentlichungen ins Rampenlicht traten, zahlt sich diese Strategie nun aus. Der Pier 2 ist seit Langem ausverkauft, das Publikum bis ins Detail textsicher und sangesfroh. Auch mit der Vorband Cinemagraph fremdelt es nicht, auch wenn deren britisch geprägter Indierock deutlich introvertierter und verschachtelter ist. Sänger Advan Alomerovic tritt dann später auch noch mal als Duett-Partner bei der Hauptband auf – alles wirkt extrem freundschaftlich.
So ist wohl auch die Idee von Provinz zu verstehen: Vier Freunde, die zusammen ihren Traum leben, drei davon sind zudem Cousins. Nur Schlagzeuger Leon Sennewald ist mit Sänger und Gitarrist Vincent Waizenegger, Moritz Bösing am Bass und Robin Schmid (Keyboards) nicht bluts-, aber eben seelenverwandt. Mit ihrem Debütalbum "Wir bauten uns Amerika" (2020) platzen sie mitten in die aufkommende Pandemie, an Touren war nicht zu denken. Dass sie das nun alles nachholen wollen, versichert Waizenegger durchaus glaubhaft. Allerdings ist die Band längst schon wieder zwei, drei Schritte weiter und hat im Lockdown an neuem Material gefeilt. Im September erschien das zweite Album "Zorn und Liebe", dazwischen zahlreiche Singles mit Gastmusikern und auch ohne.

Vincent Waizenegger, Sänger und Gitarrist von Provinz.
Und so steht der erste Longplayer gar nicht mehr so im Fokus des Liveprogramms, wie er es verdient hätte, fast wirkt er schon wieder überholt von den neueren Liedern, die weniger rau und eine Nuance näher am Pop sind. Das Quartett aus Ravensburg hat sich dafür nicht groß verbiegen müssen, sie machen halt ihr Ding, so zumindest scheint es. Waizenegger intoniert hart an der Grenze, aber die Stimme kippt nicht, sondern transportiert sicher seine Gefühlswelt. Um viel mehr geht es meistens nicht. Es gibt keinen großen Show-Firlefanz, keine spektakulären Effekte, sondern einfach nur das, was es braucht, um die Lieder wirksam in Szene zu setzen.

Vincent Waizenegger, Sänger und Gitarrist von Provinz.
Kurz vor Schluss des Sets wechseln Provinz auf eine kleine zweite Bühne inmitten des Publikums für drei akustische Stücke, dann geht es zum Finale zurück aufs große Podium. Großes Abgehen und Rückkehren sparen sie sich, die Zugabe mit "Spring" und "Tanz für mich" ist im Programm quasi mit eingepreist.