Gibt es ein Patentrezept, um berühmt zu werden? Wohl eher nicht. Sollte es aber doch, wären eine Zutat vermutlich gesetzt: Talent. Das hat man oder nicht. Und Raum 27, das ist unzweifelhaft, haben es. Gerade ist ihre neue Single erschienen, "Das Klima wieder hin", und weil die nicht nur ein kleiner Aufwecker ist, sondern auch Ohrwurmpotenzial hat, läuft sie nun bei N-Joy Radio oder bei Bremen Vier direkt nach Billie Eilish, Sean Paul und George Michael.
Wer hätte das gedacht? Damals, als Tristan Stadtler und Mathis Schröder mehr Zeit im Proberaum ihrer Bremerhavener Schule (dem Raum 27) verbrachten, als im Unterricht, vermutlich nur ihr Musiklehrer. Der ist es auch, der den beiden schließlich ermöglicht ihre erste gemeinsame EP mit sechs eigenen Liedern in seinem privaten Tonstudio aufzunehmen. "Traurig aber ist so" heißt die, und sie ist mittlerweile drei Jahre alt.
Doch zu ihrem Talent kommt auch noch Glück dazu. Und auch das ist wohl unerlässlich, um groß rauszukommen. Als sie auf dem Zeltplatz vom Deichbrand-Festival in Cuxhaven spontan selbst auftreten, bekommen das die richtigen Ohren mit. "Irgendwelche Leute von uns hatten eine riesengroße Anlage dabei, und wir konnten auch Gitarre und Mikro anschließen", sagt Mathis. Aus dem Auftritt vor Freunden wird schnell ein Auftritt vor Vielen – inklusive Veranstalter offenbar, denn kurz danach nehmen genau die Kontakt zu ihnen auf und laden Raum 27 offiziell für das Folgejahr auf die (coronabedingt virtuelle) Festival-Bühne ein. "Vielleicht hatten wir dabei aber auch einen kleinen Local-Bonus", sagt Tristan.
Und wenn schon, heute, zwei Jahre und Millionen von Streams später, haben sie alle Hände voll zu tun mit ihrem früheren Hobby, das längst keines mehr ist. Neues Label, neues Management, neue Booking-Agentur und neue Lieder natürlich. Die haben nämlich auf sich warten lassen, unter anderem weil der eine, Tristan, in Frankreich studierte und der andere, Mathis, eine Ausbildung macht.
Und natürlich war da noch die Sache mit der Pandemie. Die entpuppte sich zuletzt allerdings eher als Chance für die beiden. "Wir waren ohnehin soundtechnsich nicht zufrieden und hatten darüber hinaus auch einfach kein Geld, um neue Sachen aufzunehmen", erklärt Tristan. "Wir haben aber erkannt, dass das die richtige Zeit ist, sich einmal in Ruhe Gedanken zu machen, wie wir klingen wollen, und Strukturen aufzubauen." Also nutzten sie den musikalischen Leerlauf für einen Neustart.
Doch was fehlte ihrer Musik bis dato? "Mehr Ecken und Kanten", sagt Tristan. "Wir haben viele Sachen aufgenommen, die sehr klinisch klangen. Jeder Ton war perfekt eingespielt. Das waren nicht wir." Und Mathis bringt es auf den Punkt: "Es fehlte der Dreck darin, der uns ausmacht."
Der Raum 27-Sound klingt mal nach Rock, mal nach Pop, manchmal wird sogar ein bisschen gerappt, melodisch natürlich. Auf ihrer Homepage nennen sie das "energiegeladener Hybrid-Pop", aber Nachhören ist gerade in ihrem Fall besser als Beschreibungen. Und sowieso: "Wir waren immer der Meinung, dass dieses harte Genre-Denken Kunst kaputt macht", sagt Mathis. "Es gibt ja Bands, da klingt ein ganzes Album komplett gleich."
Dieses Glatt-Gebügelt ist nicht ihr Ding. Musik ist Ausdruck, und Herzschmerz klingt anders als ein Wutanfall. Wie aber gehen sie um mit dem immer größer werdenden Trubel um ihre Personen? "Es ist ja nicht so, dass wir einen Song auf Soundcloud rausgebracht hätten und am nächsten morgen waren wir plötzlich Weltstars" sagt Tristan. "Das Ganze ist eher ein schleichender Prozess, und ich glaube, das ist auch ganz gesund."
Noch läuft allerdings zwangsläufig vieles parallel bei Raum 27, Studium und Ausbildung einerseits, Musikmachen andererseits, auf Tour gehen sie Ende Februar auch. Sie sind "Special Guest" bei der Düsseldorfer Punkband Rogers. Und noch lässt sich das gerade so verbinden. "Wir schlafen einfach nicht viel", sagt Tristan. Das glaubt man ihm sofort.
Trotzdem ist es aktuell so, dass sie seit Langem erstmals wieder gemeinsam für längere Zeit an einem Ort verbringen und Zeit haben, kreativ zu arbeiten. "Wir sind jetzt erstmal in Bremen und nicht morgen in München zum Konzert oder übermorgen in einem Tonstudio in Berlin", sagt Tristan. "Ich glaube, das tut uns und unserer Musik gerade richtig gut." Und von der wird man in naher Zukunft mit Sicherheit öfter etwas hören.