Die 20-Uhr-"Tagesschau" verpasste man an diesem Freitagabend, aber das juckte die Besucher beim dritten WESER-Strand-Talk des Jahres wenig. Saß der Nachrichtensprecher, den sich alle Mütter als Schwiegersohn wünschen, doch im Campus Space der Sparkasse im Sessel. Constantin Schreiber verbreitete, während im Fernsehen sein Kollege Thorsten Schröder Dienst schob, erheblich bessere Laune als die Schreckensmeldungen aus aller Welt.
Dafür sorgte schon Moderatorin Bärbel Schäfer, die ihren Gast erst einmal an die Theke führte – zu zwei Gläser 66-prozentigem Arrak, wie man ihn in Ägypten und Syrien kennt, Ländern, die Constantin Schreiber früh bereist hat. Nach einem kurzen Schluck musste er vorführen, wie ein Sprecher die traditionelle TV-Begrüßung richtig akzentuiert. "Guten Abend, meine Damen und Herren" – das auch diesmal dicht gedrängte Publikum erfuhr: "Ich muss mich jedes Mal wieder konzentrieren, um dazwischen diese Pause zu machen."
Auf dem Podium plauderte Schreiber weiter aus dem Studio-Nähkästchen. Wie er die von der Redaktion vorgegebenen Texte vorher probiert und sich fragt: Welche Stimmung transportiere ich mit Tempo und Betonung? Wie er lernen musste, sich zurückzunehmen. "Ich bin ja kein ausgebildeter Sprecher gewesen wie Dagmar Berghoff oder Susanne Daubner, ich war es gewohnt zu gestikulieren und herumzugehen. Jetzt spreche ich mit angezogener Handbremse." Die "Tagesschau" sei im Grunde Radio mit Bildern.

"Das war ein sympathisches Interview. Es macht Spaß, Constantin zuzuhören", meinte Zuschauerin Elisa Lemke.
Frank Thomas Koch
"Ich finde es beeindruckend, dass er in jungen Jahren im Nahen Osten so aktiv gewesen ist, und habe das Gefühl, dass er als "Tagesschau"-Sprecher etwas unterfordert ist", sagte Zuschauer Johannes Steinkamp.
Frank Thomas Koch
"Ich würde ihn gern mal in unser Schulzentrum Utbremen einladen, wo wir viele Schülerinnen und Schüler mit unterschiedlichen religiösen und kulturellen Hintergründen haben. Da könnte er viel bewirken", meinte Zuschauerin Claudia Langer.
Frank Thomas Koch
"Ich war fasziniert von seinem vielfältigen Wissen, als ich sein neuestes Buch ,Glück im Unglück' durchgelesen habe", sagte Zuschauer Günter Hoffmeister.
Frank Thomas Koch
Sabine Meyer sagte: "Es war ein unheimlich interessanter und sehr kurzweiliger Abend. Ich habe sehr viel Spaß gehabt und freue mich aufs nächste Mal."
Frank Thomas Koch
"Eine unterhaltsame Stunde: Wir haben viel über Constantin Schreiber erfahren, allerdings nichts über seine Jugend in Cuxhaven und Wilhelmshaven, die in völlige Vergessenheit geraten ist", sagte Zuschauer Rainer Schütte.
Frank Thomas Koch
"Constantin Schreiber ist ein authentischer, charmanter junger Mann, wirklich talentiert. Ich bin sehr beeindruckt", gestand Zuschauerin Nicole Schwieger ein.
Frank Thomas Koch
"Constantin Schreiber ist ein vielseitiger und interessanter Charakter", befand Zuschauer Timo Lemke
Frank Thomas KochOb er an all den schrecklichen Nachrichten nicht verzweifle, fragte die Moderatorin und erhielt eine klare Antwort: "Berufliches und Privates werden bei mir zunehmend strikt getrennt. Ich spiele Klavier oder gehe in die Natur, um positive Energie zu tanken." Er wies darauf hin, dass die "Tagesschau" inzwischen versuche, möglichst mit einem positiven Rausschmeißer zu enden, etwa mit einer einem Ausstellungsbericht, "damit wir die Zuschauer nicht mit totaler Düsternis in den Abend entlassen". Aber seine Sorge vor der zunehmenden Zahl an Fake-News und der Aggression in der politischen Diskussion verhehlte er nicht.
Lacher bei den lustigen Rammlern
Und dann verriet Schreiber, dass auch er wie Susanne Daubner mal einen Lachanfall vor laufender Kamera hatte: "Es war wirklich blöd, an einem nachrichtenarmen Tag tauchte jede Stunde wieder dieselbe Meldung über die Zahl der Feldhasen auf. Zehnmal hatte ich die Meldung fehlerfrei verlesen, da machte in der Regie jemand eine Bemerkung über lustige Rammler. In der ,100-Sekunden-Tagesschau' danach konnte ich mich nicht mehr halten. Es gab da auch Todesmeldungen, das darf eigentlich nicht passieren."

Mag es draußen regnen, drinnen lauscht das Publikum gespannt.
Wer Schreiber erlebt, jungenhaft, charmant, zugewandt, der muss denken: Bei dem läuft alles gut. Einen Eindruck, den der Küstenjunge aus Cuxhaven durchaus verstärkt, wenn er von seiner Jugend in Wilhelmshaven erzählt, wo sein Vater, ein SPD-Politker, als Wahlbeamter Oberstadtdirektor war. Von seinen entspannten Eltern, von seiner Liebe zum Meer, von seinen Kindern, von seinem Anliegen, dem ewigen Genörgel konstruktiven Journalismus entgegenzusetzen. Er schwärmte von seiner "wahnsinnig spannenden" Zeit als Auslandskorrespondent im Libanon, in der er den Nahen Osten nicht nur als Krisenherd, sondern auch, etwa in der religiösen Vielfalt, als große Bereicherung erlebt habe. "Das war persönlich zutiefst erfüllend, es gab dieses Indiana-Jones-Feeling, das vermisse ich sehr."
Da juckte es Bärbel Schäfer spürbar, im Geplauder unter Kollegen doch ein paar Ecken und Kanten an ihrem Gast aufzuspüren. Zwar gab Schreiber zu, dass er sein Sunnyboy-Image als problematisch empfinde. Schon bei der Bewerbung um ein Studienstipendium habe man ihm gesagt: Sie brauchen das nicht, Sie schaffen das schon. "Dabei bin ich ins Jura-Studium gerutscht, weil ich keine Idee hatte, was ich machen sollte. Es war das Grauen." Nach anderthalb Semestern habe er hinschmeißen wollen und sich dann entschieden, bis zum Staatsexamen durchzuknüppeln. "In acht Semestern habe ich es durchgezogen, es war schrecklich", erinnerte er sich.

"Es war das Grauen": Constantin Schreiber erzählt von seinem Jura-Studium.
Da war er dann doch wieder, der pflichtbewusste Norddeutsche mit dem pietistischen Arbeitsethos. Schäfer stichelte weiter: Welche Clubs Schreiber in Bremen als Jugendlicher besucht, ob er mal gekifft habe? Antwort: "Ich kann mich nicht erinnern."
Die Frage des vorherigen Talkgastes Jörg Pilawa, was "Bürgergeld" auf Arabisch heißt, verpuffte ebenso wie sechs KI-generierte Fotos, auf denen Schreiber "in neuem Look" mal mit langen Haaren, mal mit Vollbart präsentiert wurde – Schreiber fragte sich nur, ob er damit bei der ARD überhaupt durchkäme. Und irgendwie konnte ihn sich auch niemand so stark verändert vorstellen.

Ein neuer Look gefällig? So sähe Constantin Schreiber mit Lockenmähne und Vollbart aus.
Nur beim Quiz mit fünf Wörtern aus der Jugendsprache lockte Schäfer ihren Talkpartner ein wenig aus der Reserve. Da sah man Schreiber ernstlich um Antworten verlegen – allerdings ging es dem Publikum nicht anders. Dass ein "Takti" ein taktischer Zwischenkotzer auf der Party ist, damit man anschließend umso mehr trinken kann, darüber amüsierte er sich köstlich, aber den Schuh anziehen mochte er sich trotz aller Stichelei nicht. Die Moderatorin schien es kaum fassen zu können, wie brav dieser Kerl in Jeans und Turnschuhen doch ist.
Aber sicher wäre es falsch, Constantin Schreiber nun für einen smarten Langweiler zu halten. Dass er sehr reflektiert auf die Nachrichtenlage, sehr differenziert auf andere Kulturen blickt, dass er als Autor, der erstmals auch einen Krimi ("Kleopatras Grab") verfasst hat, fundierte Kenntnisse besitzt und dass er der menschlichen Authentizität einen großen Stellenwert beimisst, all das klang im gut einstündigen Gespräch immer wieder an. Und hinterließ, bei großem Applaus, einen durchweg sympathischen Eindruck.