Gästeführerin Monika Kunze fürchtet um den Ruf Bremens guter Stube: Rund um den Marktplatz stapele sich Müll, Ecken würden als öffentliche Toilette genutzt. Das schrecke Touristen ab.
Die Momente, in denen sich Monika Kunze für Bremen schämt, kommen immer öfter vor. Dabei ist es der Job der Gästeführerin, Touristen die schönsten und geschichtsträchtigsten Seiten der Stadt zu zeigen. Das sind vor allem der Marktplatz mit dem Dom in unmittelbarer Nähe und natürlich das Rathaus mit dem Roland davor. Bremens gute Stube, wie Monika Kunze den Besuchern erklärt. „Allerdings habe ich den Eindruck, dass wir damit immer weniger Werbung machen können“, sagt sie. „In Bremens guter Stube nehmen Müll und Verschmutzungen nach und nach Überhand. Was ist bloß daraus geworden?“, fragt sie.
Vor allem an Wochenenden bekämen Touristen diese Seite Bremens zu sehen, kritisiert die Sprecherin der Gästeführer. Nach Veranstaltungen auf dem Marktplatz oder verkaufsoffenen Sonntagen versinke die City regelrecht im Müll. Weggeworfene Zigarettenkippen, überquellende Abfalleimer, zurückgelassene Plakate von Demonstrationen gehörten inzwischen genauso wie Roland und Rathaus zu Bremens guter Stube.
Ihre Hauptkritik: „Die Stadt unternimmt nichts dagegen, außer den Müll später auf Kosten der Steuerzahler wegzuräumen.“ Aus ihrer Sicht müsse sie viel früher aktiv werden. Es sei nicht damit getan, größere und mehr Mülleimer aufzustellen: „Wer Müll auf den Boden wirft, statt ihn in einem Abfalleimer zu entsorgen, muss zur Kasse gebeten werden. Das gilt auch für Veranstalter von Demos, die ihre Plakate nicht mitnehmen. Und erst recht für diejenigen, die die Innenstadt mit einer öffentlichen Toilette verwechseln. Aber von Kontrolleuren, die Bußgelder verteilen, ist weit und breit nichts zu sehen.“

Als öffentliche Toilette genutzt: die Baustellen-Tür am Rathaus.
Kippen im Bremer Loch
Monika Kunze hat viele Beispiele parat: Etwa die fünf jungen Männer, die am Freitagabend des ersten Juni-Wochenendes auf dem Marktplatz saßen und ihre Zigarettenkippen in das Bremer Loch warfen. Auf ihren Hinweis, das sei kein Aschenbecher, habe sie nur abfällige Bemerkungen geerntet.
„Die Krönung habe ich aber am Samstagmittag nach einer Rathausführung erlebt“, erzählt sie. Als sie mit ihrer Touristengruppe aus einem Nebenausgang des Unesco-Weltkulturerbes trat, stand ihnen ein Mann im Weg, der gegen eine Wand urinierte. Die Besucher mussten nacheinander über die Pfütze steigen. „So etwas kommt oft vor“, sagt sie. „Und es sind nicht selten auch diejenigen mit Anzug und Krawatte, von denen man es nicht erwarten würde.“
Beliebte Orte in der Innenstadt für solche öffentlichen Urinale mit der dazugehörigen Duftnote seien die Arkaden am Rathaus, der Durchgang zwischen Bürgerschaft und Börsenhof sowie der Verkehrsturm an der Domsheide. Und fast alle Unterführungen. Diese erspart Monika Kunze ihren Touristengruppen vor allem sonntagmorgens. „Nach den Wochenenden riecht es da nicht nur penetrant, die Unterführungen sind auch regelrecht zugemüllt“, sagt sie. Die Gästeführerin ist über die aus ihrer Sicht immer schlimmer werdenden Zustände entsetzt und sie schämt sich: „Solche Bilder und Erlebnisse nehmen die Touristen mit nach Hause von ihrem Bremen-Trip.“

Auch der Verkehrsturm an der Domsheide ist als öffentliches Urinal beliebt.
Aufgabe der Polizei
Nach ihren jüngsten Erfahrungen hat Monika Kunze an die Leitstelle Saubere Stadt beim Umweltsenator geschrieben, die für die Sauberkeit auf Bremens Straßen und Plätzen zuständig ist. Sie will wissen, warum es keine Kontrolleure gibt, die Bußgelder verteilen können. Von dort erhält sie die Antwort „zu den Punkten Rauchen und Urinieren in der Öffentlichkeit“, dass der zuständige Umwelt- und Ordnungsdienst zum 1. Juni 2016 eingestellt worden sei.
Gemäß des Koalitionsvertrages solle er durch einen noch zu gründenden Ordnungsdienst vom Senator für Inneres ersetzt werden. Solange sei die Polizei zuständig, weil nur sie gegen diese Personen vorgehen könne. Die Umweltüberwacher des vor gut drei Wochen eingestellten Dienstes hätten ohnehin auch nur ein geschränktes Vollzugsrecht beim Ausstellen von Bußgeldbescheiden gehabt, wie der Sprecher des Umweltsenators, Jens Tittmann, erklärt.
Monika Kunze ist empört: „Was soll die Polizei noch alles machen? Da machen sich Politiker Gedanken über Cannabis, aber wirklich wichtige Dinge werden nicht in Angriff genommen. In den nächsten Tagen beginnen die Ferien, und viele Besucher werden in die Stadt kommen – in was für eine Stadt?“, fragt die Gästeführerin.
Bremen braucht Touristen
Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin der Innenbehörde, bestätigt auf Nachfrage des WESER-KURIER, dass noch in dieser Legislaturperiode ein Ordnungsdienst aufgebaut werden soll. Wie der konkret aussehen wird, ob und wie viele Mitarbeiter in der Innenstadt unterwegs sein sollen, sei noch nicht klar. „Derzeit gibt es noch kein Konzept, da andere Dinge Priorität haben“, sagt sie.
Solange sei die Polizei Adressat für Beschwerden. Nur sie könne Bußgelder verhängen: Wer dabei erwischt wird, dass er eine Zigarettenkippe wegwirft, müsse mit einem Bußgeld von 20 Euro rechnen. Urinieren in der Öffentlichkeit koste 50 Euro. Obendrauf komme jeweils eine Verwaltungsgebühr von 25 Euro, so Gerdts-Schiffler.
Monika Kunze dauert das alles viel zu lange. Sie regt einen Runden Tisch für eine schnelle Lösung an. Auf die Agenda gehöre auch die Ausstattung mit öffentlichen Toiletten in der City: „Es gibt zu wenige. Vor allem dort, wo die Touristenbusse halten, etwa an der Wachtstraße.“ Die „Nette Toilette" sei keine Lösung. Im Rahmen dieses Konzepts stellen Gastronomen, Kaufhäuser und andere Betriebe ihre Toiletten öffentlich zur Verfügung. Monika Kunze: „Aber fragen Sie mal einen Gastronomen, was er davon hält, wenn man mit einer Busladung von 40 Touristen in sein Lokal kommt. Bremen betont immer, wie wichtig der Tourismus für die Stadt ist, dazu gehört aber auch dieses Thema.“