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Maritime Tage in Bremerhaven Stolze Segler und herzliche Halunken

Mit 400.000 Besuchern rechnen die Veranstalter der Maritimen Tage in Bremerhaven bis Sonntag. Das gibt es auf der Meile zwischen Seglern und Halunken zu entdecken.
17.08.2023, 19:44 Uhr
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Stolze Segler und herzliche Halunken
Von Marc Hagedorn

Alfonso ist begeistert vom Bremerhavener Publikum. „3500“, sagt er und wiederholt die Zahl, weil er sie fast gar nicht glauben kann, „3500 Besucher allein am ersten Tag.“ Alfonso arbeitet auf der „Galeon Andalucia“, einem Dreimaster mit Heimathafen Sevilla. Die „Galeon Andalucia“, laut Selbstbeschreibung ein „schwimmendes Museum“, hat in den vergangenen Wochen und Monaten im Hafen von Bordeaux gelegen, in Rouen in der Normandie, im nordspanischen Vigo und bis Montag in Amsterdam. 1500, an guten Tagen vielleicht 2000 Besucher hat Alfonso dort gezählt, aber nie 3500 auf einen Schlag wie hier in Bremerhaven. „Diese Stadt muss eine große Schifffahrtstradition haben“, mutmaßt der junge Spanier.

Tatsächlich ist Bremerhaven in diesen Tagen Anziehungspunkt für alle, die es mit Schiffen und Wasser haben. Wenn die Maritimen Tage am Sonntagabend ausklingen, werden vermutlich mehr als 400.000 Menschen den Alten und Neuen Hafen besucht haben. 80 imposante Segler und Windjammer, Motorschiffe und Dampfschiffe haben bis dahin ihren Liegeplatz dort.

Darunter echte Stars: die „Nao Victoria“, ein Nachbau aus der Armada von Ferdinand Magellan. Der Kutter „Landrath Küster“, Baujahr 1889 und damit der älteste noch existierende Hochseekutter aus Finkenwerder. Die „Pascual Flores“, ein Frachtensegler aus Torrevieja in der Region Alicante, der nach alten Vorbildern aus dem 19. Jahrhundert wiederhergestellt wurde. Und natürlich die „Alexander von Humboldt II“, das Flaggschiff der Maritimen Tage, wie die Veranstalter die „grüne Lady“ auch gern nennen.

Die „Galeon Andalucia“, auf der Alfonso Dienst tut, ist allein schon einen Besuch wert. Ein stolzes Schiff, das die große Vergangenheit der spanischen Seefahrt beschwört. Alfonso, der ebenso stolz seinen gesamten Namen nennt, Alfonso Perez-Herce Garcia de Oteyza, wenn er die Besucher über die drei Decks führt, erzählt vom spanischen Entdeckergeist, vom Talent zum Handel, denn die „Galeon Andalucia“ soll an die alten Handelsschiffe erinnern. Sie hat zwar auch Kanonen an Bord. „Aber wenn die zum Einsatz kamen, war es meist schon zu spät und das Schiff verloren“, sagt er.

Alfonso ist vor 18 Jahren in Madrid zur Welt gekommen, „in einer Stadt ohne Meer“, wie er schelmisch anmerkt. Seit dem Abitur fährt er zur See, nach dem Sommer will er Schifffahrt studieren in Cadiz. Gewachsen als Mann sei er im vergangenen Jahr, die Monate auf dem Meer hätten ihm beigebracht, wie wichtig es ist, im Leben mit anderen zusammenzuarbeiten, „Hand in Hand, allein kannst du es auf dem Wasser nicht schaffen“, sagt er und hat zum Abschluss des Gesprächs nun noch selbst eine Frage: „Was gibt es in Bremerhaven denn sonst noch zu sehen?“

Zum Beispiel das Street-Food-Festival. Im ehemaligen Lloyd-Dock machen während der Maritimen Tage 25 Stände Station. Darunter Jatta Food. Bubacarr Sissoho, der Gründer von Jatta Food, legt sich ins Zeug. Afro-jamaikanisch nennt er seine Küche. Jetzt bereitet er eine Portion gegrilltes Hühnchen (Grilled Chicken) mit Reis an Bohnen, Black Eyed Beans, zu, verteilt Paprika-Schnitze und Weißkohlstreifen darüber, verfeinert mit geriebener Kokosnuss, „Cocochano“, wie er sagt, denn „weil die Italiener Parmesano haben, habe ich für mich Cocochano erfunden“. Sissoho weiß, was er tut, er hat 2018 den European Streetfood Award gewonnen.

Aber auch die anderen Köche auf der Schlemmermeile verstehen ihr Handwerk. Es gibt argentinische Empanadas und nordafrikanische Rollos, peruanischen Spießbraten und kolumbianischen Kaffee, dazu Churros und Tacos, Burritos und Burger. Das ist kein Widerspruch zum klassischen Fischbrötchen, das es auf den Maritimen Tagen selbstverständlich auch gibt. Kulinarisch gilt hier die Erwartung: Seefahrer sind weit in der Welt herumgekommen, da werden doch auch ihre Nachfahren offen sein für Neues.

Gute Kondition sollten die Besucher der Maritimen Tage außerdem mitbringen. Vom Nordende des Neuen Hafens bis runter zum Alten Hafen ist es bestimmt mehr als ein Kilometer weit, aber es lohnt sich, den Weg bis ganz zum Ende zu gehen. „Papa, ich habe keine Lust mehr“, quengelt zwar ein Fünfjähriger, aber der Vater kann punkten: Bis zum Freibeuter-Dorf hinten am Deutschen Schifffahrtsmuseum hat er den Sohnemann am Ende geschleppt.

„Halunken und Schabernack“ verspricht das Banner über dem Eingang zum Dorf, und es lügt nicht. Die „Taverne zum räudigen Köter“ hat geöffnet, der Schmied schmiedet, der „Saxe von Bremen“ macht Silberschmuck, und eine holde Maid wirbt lautstark fürs Axtwerfen, „kommt heran, edle Recken, lasst die Äxte fliegen.“

Im Moment ist das nichts für den Knochenschnitzer. Andreas Voigt, Flechtkunst im Bart, Drillingspistole am Gurt, hält eine Selbstgedrehte in der Hand, erst mal eine rauchen. An seinem Stand „Way of bone“, Weg des Knochens, bietet er Spielzeug, Schmuck und Werkzeuge feil, alles gefertigt aus Knochen. Das klingt ein bisschen gruselig, ist es aber gar nicht. „Bis Kunststoffe in großem Stil produziert wurden, waren Knochen für viele Dinge das Material der Wahl“, sagt Voigt. Ein paar weitere Termine auf Festen hat der Knochenschnitzer in diesem Jahr noch. „Aber“, sagt er, „bis Sonntag treibe ich mich noch ein bisschen hier in Bremerhaven herum.“ Keine schlechte Idee und eine Einladung an alle, die noch nicht wissen, was sie in den nächsten Tagen anstellen wollen.

Zur Sache

Höhenfeuerwerk am Sonnabend

Noch bis Sonntag bieten die Maritimen Tage ein abwechslungsreiches Programm: Live-Musik und Schiffsbesichtigungen, Essen und Trinken an mehr als 150 Ständen. Ein besonderer Tipp ist das Neus Festival nördlich vom Neuen Hafen. Akteure des „kreativen Aufbruch Bremerhaven“ werben mit täglichen Workshops und Ausstellungen zwischen 11 und 18 Uhr sowie Konzerten und Partys jeweils ab 18 Uhr. Ein Hingucker und -hörer: das musikalische Höhenfeuerwerk am Sonnabend um 23 Uhr am Weserdeich.

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