Trotz des massiven Kita-Ausbaus in den vergangenen Jahren gibt es in Bremen noch immer zu wenig Kita-Plätze. Das stellen die Autorinnen einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung klar. "Gemessen am Betreuungsbedarf fehlen im kommenden Jahr voraussichtlich bis zu 5.400 Kita-Plätze", so ihre Prognose. Das gehe aus den Daten für das aktuelle Ländermonitoring zur Frühkindlichen Bildung hervor, das die Stiftung regelmäßig erstellt.
Der Studie zufolge gibt es in fast allen Bundesländern größere Betreuungslücken, vor allem in den westdeutschen Bundesländern. Bundesweit werden demnach in Deutschland im kommenden Jahr etwa 384.000 Plätze fehlen. In niedersächsischen Kitas müssten 12.000 Fachkräfte eingestellt werden, um den Betreuungsbedarf zu decken. Gemessen am Bedarf fehlen für 2023 voraussichtlich bis zu 45.500 Kita-Plätze. Die größte Lücke gibt es laut Bertelsmann-Stiftung in Nordrhein-Westfalen: Dort fehlen mehr als 100.000 Plätze. Nur Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern müssten keine weiteren Plätze schaffen.
13 Prozent Unterversorgung
Bremen verzeichnet unter den Stadtstaaten den größten Anteil fehlender Plätze: In Berlin liegt die Unterversorgung bei sieben Prozent, in Hamburg bei drei Prozent und in Bremen bei 13 Prozent.
Die größere Lücke gibt es der Studie zufolge in Bremen bei den Krippen, also für Kinder unter drei Jahren. Hier werden 3300 Plätze prognostiziert. Betreut wurde in dieser Altersgruppe zuletzt knapp jedes dritte Kind (29 Prozent), aber für fast jedes zweite Kind wünschen sich die Eltern eine Betreuung (46 Prozent). Die Lücke beträgt hier also 17 Prozent.
Bei den Kindergartenkindern (3 bis 6 Jahre) ist die Lücke kleiner, hier werden laut Studie 2100 Plätze fehlen. Das entspricht einer Lücke von 9 Prozent.
Damit sei klar, dass Bremen auch 2023 den Rechtsanspruch auf Betreuung nicht erfüllen könne. "Das ist in doppelter Hinsicht untragbar", sagt Bertelsmann-Expertin Kathrin Bock-Famulla. "Die Eltern werden bei der Betreuung ihrer Kinder nicht unterstützt, während Kindern ihr Recht auf professionelle Begleitung in ihrer frühen Bildung vorenthalten wird."
Für ihre Prognose hat die Bertelsmann-Stiftung die Betreuungsquoten der Kita-Kinder in Bremen im Jahr 2021 verglichen mit dem Anteil der Eltern, die 2021 in einer Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) angegeben haben, dass sie eine Betreuung brauchen.
1500 Fachkräfte für Ausbau benötigt
Es sei klar erkennbar, dass auch im nächsten Jahr viele Familien in Bremen
Schwierigkeiten bei der Betreuung haben werden, sagt Bock-Famulla: "Schon das fehlende Personal für den notwendigen Platzausbau ist bis 2023 nicht zu gewinnen und zu qualifizieren."
Um die Nachfrage nach Kita-Plätzen zu decken, müssten zusätzlich in Bremen weitere 1500 Fachkräfte eingestellt werden. Das würde allein für Personal Kosten von mehr als 68 Millionen Euro pro Jahr bedeuten. Kosten für den Kita-Betrieb und für den Bau weiterer Einrichtungen kämen hinzu.
"Die Auswertung der Bertelsmann-Stiftung sagt leider nichts Neues", kommentiert die Sprecherin des Bremer Bildungsressorts, Maike Wiedwald. Bremen habe einen großen Ausbaubedarf. "Es ist gut, dass die Senatorin neue ehrgeizige Planungszahlen für den Ausbau durchgesetzt hat, das war überfällig." In Bremen fehlten gerade in den Quartieren Plätze, wo die Kinder besondere Problemlagen hätten: "Wir müssen jetzt schnell sein und auch für das nötige zusätzliche Personal sorgen." Ein schneller Ausbau sei "absolut prioritär und auch Voraussetzung für bessere Ergebnisse im Bildungsbereich."
Zuletzt fehlten zu Beginn des Kita-Jahres nach Angaben der Bildungsbehörde Plätze für etwa 1200 Kinder, die zur Betreuung angemeldet waren. Darin nicht eingerechnet sind Plätze für Kinder, deren Eltern ihr Kind nicht von sich aus angemeldet haben, denen ein Platz aber guttun könnte. Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) spricht seit einiger Zeit von Tausenden fehlenden Kita-Plätzen in Bremen.
Verdi fordert Kita-Gipfel vom Senat
Das schon jetzt überlastete Kita-System in Bremen sei am Limit, sagt die Gewerkschaft Verdi in Niedersachsen und Bremen. Dies werde durch die Bertelsmann-Studie bestätigt. Unbesetzte Stellen und ein hoher Krankenstand würden zur weiteren Überlastung des Kita-Personals führen. "Der sofortige massive Ausbau der Praxisintegrierten Ausbildung (Pia) wäre eine Maßnahme, um selbst in Bremen ausreichend Fachkräfte auszubilden", sagt Verdi-Bezirksgeschäftsführer Markus Westermann. "Die Forderung von Verdi nach jährlich mindestens 150 Pia-Ausbildungsplätzen wurde bisher von der Politik ignoriert.“ Pia ist eine Erzieherausbildung, die bisher in Bremen nur mit 50 Plätzen an privaten Fachschulen möglich ist. Sie war zuletzt so beliebt, dass Bewerber abgewiesen werden mussten.
Verdi fordert vom Senat zeitnah einen Bremer Kita-Gipfel. Senatorin, Behörde, Interessensvertretungen, Gewerkschaft und Fachkräfte selbst sollten gemeinsam beraten und verbindlich verabreden, wie ein Weg aus der Kita-Krise aussehen könne.