Bremens Grundschulkinder können in der vierten Klasse im Schnitt schlechter lesen, schreiben, zuhören und rechnen als Gleichaltrige in anderen Bundesländern. Aber die Fähigkeiten der Kinder haben sich trotz Pandemie und Zuwanderung nicht weiter verschlechtert. Das geht aus neuen länderspezifischen Daten des IQB-Bildungsreport 2021 hervor. Die anerkannte Bildungsstudie wird vom Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) an der Berliner Humboldt-Universität erstellt – im Auftrag der Kultusministerkonferenz. Der IQB-Report ist zentrales Element des nationalen Bildungsmonitorings und soll in regelmäßigen Abständen prüfen, ob Deutschland seine Kompetenzziele erreicht.
Zentrale Bremer Ergebnisse: Fast jedes dritte Bremer Schulkind erreichte im Lesen nicht die Mindeststandards (31 Prozent). Im Bereich Rechtschreibung galt das sogar für 42 Prozent der Bremer Viertklässler und in Mathematik für knapp 36 Prozent. Damit verfehlen im kleinsten Bundesland deutlich mehr Kinder die Mindeststandards als im Bundesschnitt. Ähnliche Ergebnisse sind in Bremen schon durch Vergleichstests wie Lale und Vera bekannt.
Wo Bremen im Bundesvergleich steht: In Rankings der Bundesländer auf Basis der IQB-Daten belegt Bremen durchweg den letzten Platz: Beim Lesen, Zuhören und in Mathematik. Im Bereich Rechtschreibung teilt sich Bremen den letzten Platz mit Berlin. In der Orthografie zeigt sich auch bei den Berliner Schulkindern ein massives Problem. Bremen gehört zusammen mit Hamburg und Rheinland-Pfalz zugleich zu den einzigen Bundesländern, in denen die Kompetenzen im Vergleich zu 2016 nicht stark abstürzten. Es sei "bemerkenswert, dass – entgegen der allgemeinen Entwicklung – in Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz das erreichte Kompetenzniveau zwischen den Jahren 2016 und 2021 stabil geblieben ist", formuliert das Autorenteam um Professorin Petra Stanat. In allen anderen Bundesländern verschlechterten sich die Leistungen der Kinder in den vergangenen fünf Jahren während der Pandemie teils stark.
Wie getestet wurde: Der Bildungsreport ist eine Art Pisa-Test für ganz Deutschland, der Vergleiche der Bundesländer auf breiter Basis ermöglicht. Getestet wurden bundesweit knapp 27.000 Viertklässler, davon mehr als 1560 Kinder aus Bremen. Zur repräsentativen Stichprobe gehörten 90 Bremer Grundschulen, deren Schülerinnen und Schüler verpflichtend teilnahmen. Überprüft wurden Kompetenzen im Lesen, Zuhören, Orthografie und Mathematik. Die Tests fanden nach dem zweiten Lockdown in der Zeit von April bis August 2021 statt.
Was an der Studie diesmal neu ist: Die Forscher haben zusätzlich eine andere Art von Daten ermittelt, um nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Hintergrund ist, dass sich die Lage im Klassenraum einer sächsischen Kleinstadt mit vielen deutschsprachigen Mittelschichtkindern und in einer Schule im Randgebiet einer Großstadt mit viel Armut und Zuwanderung stark unterscheidet. Deshalb erstellte das IQB-Forschungsteam diesmal erstmals sogenannte adjustierte Daten. Diese sollen zeigen, welche Ergebnisse sich ergäben, wenn es in allen Bundesländern ähnliche Bedingungen in den Familien und Zuwanderung gäbe wie im Bundesdurchschnitt. Berücksichtigt wurden dabei Merkmale wie der Beruf der Eltern, die Zahl der Bücher im Elternhaus, Zuwanderungshintergrund und Familiensprache.
Mit den adjustierten Daten ergeben sich für Bremens Schüler insbesondere bessere Mittelwerte beim Lesen und Zuhören. Allerdings belegt Bremen auch auf Basis der adjustierten Daten in allen vier Bereichen keineswegs Spitzenplätze, sondern befände sich dann überall auf dem drittletzten Platz – vor Berlin und Brandenburg. Lediglich im Bereich Zuhören wären die Werte der Bremer Schüler mit den adjustierten Daten ähnlich wie im Bundesschnitt, formulieren die Forscher. "Dies dürfte vor allem damit zusammenhängen, dass in Bremen im Jahr 2021 nur 44 Prozent aller Schülerinnen und Schüler zu Hause immer Deutsch sprechen." Dies unterstreiche, wie wichtig eine frühzeitige und systematische Sprachförderung sei.
Was Bremens Besonderheiten sind: Aus dem IQB-Bildungstrend geht hervor, dass in Bremen 58 Prozent der Viertklässler einen Zuwanderungshintergrund hatten. Der Anteil war in keinem Bundesland so hoch wie in Bremen. Der Bundesschnitt liegt bei 38 Prozent. In Bremen sind auch seit 2016 mehr Zuwandererkinder hinzugekommen als in den meisten anderen Bundesländern.
Die IQB-Daten belegen außerdem, dass die Schulen in der Pandemie in Bremen kürzer geschlossen waren als in den anderen Bundesländern. In Bremen gab es knapp neun Wochen Distanzunterricht, in denen die Kinder zu Hause lernen mussten. Bundesweit dauerte dieser Zustand im Schnitt 15 Wochen. Dies könnte ein Faktor dafür sein, weshalb die Leistungen der Schulkinder in Bremen seit 2016 nicht weiter absackten.