Heute ist Nikolaustag. Eine Feierlichkeit, zu der Leckereien ebenso gehören wie gefüllte Stiefel, Gesang und Blockflötenstücke. Es sind Bräuche wie diese, die viele Menschen mit diesem Tag verbinden. Sie bilden eine Brücke zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Drei Bremerinnen erzählen, wie sie sich an die Nikolaustage ihrer Kindheit erinnern.

Karin Hespenheide.
Karin Hespenheide, Jahrgang 1939 (82), Gete
"Bei uns ging das Nikolausfeiern erst mit sechs oder sieben Jahren los. Da durften ich und mein Bruder unsere Stiefel vor die Tür stellen. Meine Eltern haben uns dort dann eine Kleinigkeit hineingelegt. Es war nicht so wie heute, große Geschenke gab es nicht. Bei uns waren ein paar Äpfel, eine Apfelsine und Nüsse in den Stiefeln. Abends saßen wir mit unseren Eltern zusammen und haben gemeinsam die Nüsse geknackt, anschließend ging das Nikolauslaufen los. Darauf haben wir Kinder uns immer tüchtig gefreut, das war ein richtiges Highlight.
Mit einem großen Kissenbezug als Beutel liefen wir los und gingen von Laden zu Laden. Überall flog dann etwas in den Sack. Ganz gemischte Dinge, zwischendurch gab es im Fischladen sogar einen Hering - selbst der landete im Beutel. Andere haben uns Groschen gegeben und wieder andere Süßigkeiten. Ich bin in Breslau aufgewachsen, das Nikolauslaufen fand allerdings in Bremen statt. Ich bin ein Flüchtlingskind, zu Kriegszeiten. Mein Vater hat sich in Bremen selbstständig gemacht. Ab diesem Zeitpunkt ging Nikolaus für mich und meinen Bruder erst so richtig los.
Am besten hat mir tatsächlich immer das Nikolauslaufen gefallen. Später, als wir etwas älter wurden, lag am Feiertag auch mal mehr im Schuh - dann gab es sogar ab und zu einen Pappteller mit Klementinen. Ich erinnere mich, dass mir der Feiertag immer sehr gefallen hat. Zu der damaligen Zeit hatten wir nicht sehr viel und an Nikolaus bekamen wir eben Geschenke.
Als ich selbst erwachsen war, lief der Tag natürlich anders ab: Ich habe vier Kinder, die haben dann zwar auch ihren Stiefel vor die Tür gestellt, aber dort wurden andere Dinge hineingelegt. Schokolade zum Beispiel. Ich habe auch immer darauf geachtet, dass jeder das bekommt, was er mag. Manchmal gab es Ärger, weil der eine den anderen beklaut hat. Meine Kinder bekommen heute noch immer eine Kleinigkeit zum Nikolaustag."

Helga Behrens.
Helga Behrens, Jahrgang 1932 (89), Horn
"Wir haben Nikolaus als Kind eigentlich gar nicht gefeiert, weil der Krieg kam. Den Abend vorher einen Teller unter das Bett gestellt - das haben wir schon gemacht. Da gab es dann meistens Kekse und Bonbons. Schokolade bekam man ja damals nicht in Massen. Ich bin nie von Haus zu Haus gegangen, das kannte ich gar nicht.
Als der Krieg dann beendet war, war ich 14 Jahre alt. Zu alt, um noch beim Nikolauslaufen mitzumachen. Aber in den Straßen hab ich die Mütter mit den kleinen Kindern gesehen, früher gab es noch viele Geschäfte - die hießen damals 'Läden'. Und dort hielten die Kinder ihre Beutelchen hin und bekamen allerhand Süßigkeiten.
'Sunnerklaus, de grote Mann. Kloppt an ale Dören an, lütte Kinner bringt he wat, grote steckt he in ’nen Sack. Halli, halli, hallo, nu geiht’t na Bremen to. Ick bün so’n lütten König. Giff mi nich to wenig, loot mi nich to lange stohn, denn ick mutt noch wieder goon' - diesen Spruch haben sie dann immer aufgesagt, wenn sie vor den Türen standen.
Ansonsten hat meine Familie den Tag nicht feierlich begangen. Wie gesagt, es war Krieg. Das hat sich später, als ich selbst Mutter war, auch nicht großartig gewandelt. Von meinem Mann habe ich einen Strauß Blumen bekommen und die Kinder haben auch ihre Teller unter ihr Bett gestellt. Das einzige, was sich geändert hat, waren die Gaben."

Astrid Torkel.
Astrid Torkel, Jahrgang 1950 (71), Aumund-Hammersbeck
"Ich bin im Dorf groß geworden, im alten Bauernhause meiner Großeltern. Dort lebten wir mit vier großen Familien. Wir haben immer alles zusammen gefeiert. Der Nikolausfeiertag war eine Mischung aus Strafe mit Vergnügen und Belohnung. So habe ich es immer erlebt. Der Nikolaus war eine Figur in meiner Kindheit, die ich sehr mochte. Wir Kinder waren an dem Tag sehr erwartungsvoll. Meine Eltern haben den Feiertag aber auch benutzt, um meine rebellische Art als Kind zu zügeln.
Ich erinnere mich besonders an eine Situation: Es gab bei uns eine Frau im Dorf, die ich ganz schrecklich fand. Beim Nikolauslaufen wollten eine Freundin und ich auf keinen Fall zu ihr gehen. Die anderen Kinder standen aber bereits vor ihrer Tür, dort gab es ja eben auch Kekse. Und als sie aus dem Haus kam, haben meine Freundin und ich ihr einen gemeinen Spruch zugerufen. Das hat die Dame natürlich meiner Mutter erzählt, die hat fürchterlich mit mir geschimpft. Im meinem Nikolausschuh hatte ich dann auch nur ein Kohle Brikett, keine Süßigkeiten. Meine Schwester hatte allerdings zwei Schoko-Nikoläuse bekommen, sie hat mir zum Glück einen abgegeben.
Die Stiefel mussten natürlich vorm Nikolaustag schön blank geputzt werden ehe wir sie auf die Fensterbank gestellt haben. Das Hineingucken in den Schuh war eine meiner liebsten Traditionen. Dort waren meistens Äpfel, Apfelsinen und ein Schoko-Nikolaus zu finden. Außerdem hat meine Familie jedes Jahr zum Nikolaustag Kekse gebacken. Kaufen konnten wir keine, die waren damals einfach zu teuer.
Während meiner Studienzeit empfand ich den Nikolaustag als ein sehr bourgeois Fest, ich habe es ignoriert. Wir sind eben die 68er-Generation. Als ich meinen Mann kennengelernt habe, griffen wir den Tag wieder auf - nur für uns beide, haben uns gerne überrascht. Nachdem die Kinder kamen, wurde es zur Tradition, kleine Nikolausfiguren für sie aufzustellen. Schokolade hielt ich für zu ungesund. Im Laufe der Jahre sind dann immer mehr kleine Nikolaus-Männchen dazu gekommen, mittlerweile sind es 89."