Irgendwann ist der Lack ab. Auch wenn „Oma und Opa“ zu den Wahrzeichen Bremens zählen, geht die Zeit nicht spurlos an ihnen vorüber. Das 189 Quadratmeter große Gemälde, das die Giebelwand des Arbeiterwohlfahrtshauses ziert, ist 45 Jahre alt. 1984 und zuletzt 1991 wurde das schon von Weitem am Rembertiring sichtbare Bild restauriert. Vom Künstler selbst: Peter K. F. Krueger, der sich seinerzeit noch Krüger schrieb, arbeitet wieder an seinem preisgekrönten Werk – im Team mit Otto Völker. Wie 1976, als die beiden Maler das vermutlich bundesweit erste Wandgemälde dieser Größe und Art in Bremen gestaltet haben.

Peter K. F. Krueger (links) und Otto Völker bei der Restaurierung von Bremens berühmtem Wandgemälde Oma und Opa.
„Oma und Opa“ nennt alle Welt – zumindest in Bremen – das Gemälde. Der offizielle Titel lautet „Blick aus dem Fenster“. Der Künstler will davon aber nichts wissen: „Das hat der Senator damals auf die Plakette geschrieben, ich habe immer gesagt: ,Das Fenster‘.“ Als weiterer Name kursiert „Reizvolle Aussicht“, was auch Mitte der 70er schon für ironisch gehalten werden konnte: Vom 18 Meter hohen Gerüst blicken Krueger und Völker auf den Rembertikreisel. „Eigentlich hatte ich keine Lust, in meinem Alter auf so einem Ding rumzulaufen. Schwindelerregend! Das ist das letzte Mal“, sagt der 76-Jährige. Gleichzeitig fühle er sich geehrt, dass die Arbeiterwohlfahrt (Awo) das Bild erhalten will. „Das war damals eine tolle Sache, ich hatte ja höchstens ein paar Privataufträge – und dann so ein Riesending.“

Während Oma Johanne Wagner bei der Fassadenrenovierung glimpflich davon gekommen ist, braucht Opa Robert nach den Putzarbeiten nicht nur eine neue Brille.
Auch heute ist das keine Kleinigkeit. „Hätte Otto nicht gesagt: Das machen wir, hätte ich das nicht angefangen.“ Da wussten die zwei noch nicht, was bei der Restaurierung auf sie zukommt. „Das Fixativ, das Bindemittel, war nach 45 Jahren völlig raus aus der Acrylfarbe. Beim Drüberwischen reibt man die Pigmente ab“, sagt der Künstler. Auch der Untergrund machte Probleme. Die Awo, der das Haus gehört, hat jüngst Riss- und Feuchtigkeitsschäden an der Fassade reparieren und verrostete Eisenträger entfernen lassen. Rund fünf Prozent des Bildes seien dabei zerstört worden, schätzt Otto Völker. „Opa“ hat seitdem einen gewaltigen weißen Balken vor den Augen.

Peter K. F. Krueger bei der Restaurierung seines 45 Jahre alten Wandbildes "Blick aus dem Fenster", das allgemein Oma und Opa genannt wird. Die Arbeiterwohlfahrt, an deren Gebäude das großflächige Kunstwerk prangt, sucht Sponsoren, die sich an der Restaurierung beteiligen.
Ende 1973 waren die Pläne für die Mozarttrasse ad acta gelegt worden, die vom Stadtwerder über die Weser zum Rembertikreisel führen sollte, unterirdisch oder als „gestelzte Röhre“. Wäre sie gebaut worden, hätte sich das Leben von „Oma und Opa“ stark verändert: Johanne und Robert Wagner waren alte Ostertorsche, Kruegers Nachbarn in der Alexanderstraße. „Von ihrem Fenster aus hatten sie unsere Sandkiste im Blick“, sagt der Maler. Gemeinsam mit ihrem Fenster standen sie ihm Modell, als er 1975 im Wettbewerb „Kunst im öffentlichen Raum“ den ersten Preis gewann und die Fassade des ehemals besetzten Hauses Auf den Häfen 30-32 gestalten durfte. Es ging darum, die Geschichte oder den Aufgabenbereich des zukünftigen Nutzers ins Bild zu setzen: der Awo Bremen. Die Arbeit sollte „insbesondere die Fernwirkung der Bilder berücksichtigen“, weiß Awo-Sprecherin Anke Wiebersiek. Aus Richtung Bahnhof sind die fotorealistisch dargestellten Wagners nicht zu übersehen – Johanne mit geblümter Bluse, Robert mit weißem Hemd und Strickweste. „Er hat den Vorentwurf noch gesehen, aber nicht mehr das fertige Bild“, sagt Krueger. Und sie ist 2003 gestorben, kurz nach ihrem 100. Geburtstag.
Mit dem Auftrag an den Künstler betreibt die Awo eine ganz besondere Art der Altenpflege. Aus seinem Budget gibt Kultursenator Andreas Bovenschulte (SPD), der 600 Exponate Kunst im öffentlichen Raum zu bewahren hat, Geld dazu. Um die Restaurierung des populären Wandbildes finanzieren zu können, suche die Awo nun Sponsoren, sagt Anke Wiebersiek. Über die Summe bewahren die Beteiligten Stillschweigen. Noch ist ja auch kein Ende abzusehen. „Kann sein, dass wir dieses Jahr gar nicht mehr fertig werden“, sagt Krueger.
Dieter Groß (69), der regelmäßig an dem Wandbild vorbeikommt, hat sich schon Sorgen gemacht wegen der Baustelle. „Ich habe das Bild schon gekannt, bevor ich 1979 hergezogen bin. Es hat sofort Sympathien für Bremen in mir geweckt.“ An diesem Tag wollte er bei der Awo nachfragen, was los sei, aber von Peter K.F. Krueger, der hinterm Bauzaun steht, bekommt er Auskünfte aus allererster Hand.

Eine ältere Draufsicht auf das berühmte Werk, das vom Rembertiring aus unübersehbar ist.
„Eigentlich malt man ein Bild nicht zweimal, das hat mich schon aufgewühlt“, sagt der Künstler. „Und manchmal fragt man sich: Wie hast du das gemacht damals?“ Fest steht, was heute zu tun ist: Auf die frisch verputzen Stellen im Gemälde „muss Substanz, viel Farbe aufgebracht werden“. Die Lasurtechnik, mit der die alte „durchscheinende Brillanz“ wieder hergestellt werden soll, erfordere bis zu 20 Farbschichten. „Wir versuchen, das so zu machen, wie es mal war.“
Auch Bürgermeister und Kultursenator Andreas Bovenschulte ist ein Fan. „Das Wandbild hat mich von Anfang an beeindruckt“, sagt er. „Ich habe es schon als Student jedem gezeigt, der mich in Bremen besucht hat. ‚Oma und Opa‘ gehören einfach zu unserer Stadt. Sie gehören zu den typischen Dingen, die Bremen zu Bremen machen.“