Krankenhaus-Mediziner blicken mit Sorge auf den Herbst: Vom Ärzteverband Marburger Bund über die Deutsche Krankenhausgesellschaft bis zu den Verantwortlichen der Kliniken vor Ort in Bremen und Umgebung werden Einschränkungen bei der Gesundheitsversorgung befürchtet. Der Grund: Personalmangel. Das Gesundheitssystem gelange in der Sommerwelle „stellenweise wieder an Grenzen“, sagte Susanne Johna, Vorsitzende des Marburger Bunds. „Im dritten Pandemiejahr ist das eine kleine Katastrophe.“
Auch im Bremer Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) sei die Situation bereits sehr angespannt. „Schon seit Jahresbeginn haben wir immer wieder damit zu kämpfen, dass viele unserer Beschäftigten wegen einer Corona-Infektion ausfallen. Derzeit sind knapp 200 unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Isolation, weil sie infiziert sind“, berichtet Geno-Sprecherin Karen Matiszick. Man habe sich zwar noch nicht aus der Notfallversorgung abmelden müssen, so die Geno-Sprecherin. „Allerdings kommt es vor, dass planbare Operationen verschoben, Betten vom Netz genommen oder Patienten an andere Krankenhäuser verlegt werden müssen.“
Ähnlich wird die Situation im Rot-Kreuz Krankenhaus in der Neustadt eingeschätzt. „Die Zahl der kranken Beschäftigten steigt, und die Belegungszahl steigt auch“, sagt Sprecherin Dorothee Weihe. Man habe in diesem Jahr wiederholt einzelne Bereiche in bestimmten Zeitfenstern „vom Netz nehmen müssen“, da die Versorgung der Patienten sonst nicht hätte gewährleistet werden können. So konnten Patienten nicht wie geplant aufgenommen oder operiert werden, weil die Personalkapazitäten erschöpft waren. „Wir tun aber alles, die Versorgung im Rahmen der ausgeschöpften Kapazitäten bestmöglich aufrecht zu erhalten“, betont die Sprecherin.
Im St. Joseph-Stift waren an diesem Mittwoch 25 der etwa 1100 Beschäftigen aufgrund von Quarantäne- oder Isolationsanordnung nicht im Dienst „Diese Zahl steigt in den letzten Wochen wieder täglich an. Das beeinträchtigt das Arbeiten im Krankenhaus aufgrund der eh schon knappen Personaldecke sehr. Zudem ist ein Ende nicht in Sicht“, sagt Sprecherin Silke Meiners. Konkret müsse das Angebot aktuell nur leicht eingeschränkt werden. „Vereinzelt mussten wir planbare Eingriffe absagen, um die Notfallversorgung zu gewährleisten.“Die Roland-Klinik berichtet von Ausfällen bei Mitarbeitern und von einer wieder steigenden Anzahl von Infektionen bei Patienten, die wegen anderer Diagnosen behandelt werden. „Wir befürchten, dass sich die Situation langfristig weiter verschlechtern wird und sehen keinen Spielraum für Lockerungen, wie zum Beispiel ein Ende des Besuchsverbots“, sagt Hans-Joachim Bauer, Geschäftsführer und Ärztlicher Direktor der Klinik.
Etwas ruhiger bewertet das Delme Klinikum in Delmenhorst die aktuelle Lage. „Die momentan zehn coronabedingten Ausfälle unter den etwa 900 Beschäftigten beeinträchtigen unser Angebot kaum“, sagt Christian Peters, Geschäftsführer des Krankenhauses. Den Herbst betrachtet man allerdings mit Sorge. Peters verweist auf die Zeit um Ostern, als in Delmenhorst zeitweise bis zu 40 Beschäftigte ausgefallen waren und zugleich die Zahl der Patienten mit Corona anstieg. „Da war die Regelversorgung nicht mehr aufrecht zu erhalten.“
So sehen es auch nahezu sämtliche Verbandsvertreter. Im Moment sei die Versorgung noch gewährleistet und die Lage beherrschbar, erklärt etwa die Krankenhausgesellschaft Niedersachsen. Allerdings habe die Anzahl mit Corona infizierter Patientinnen und Patienten in den vergangenen Wochen wieder deutlich zugenommen. Susanne Johna warnte im „Handelsblatt“ vor der Gefahr gleichzeitiger Corona- und Grippewellen im Herbst. „Aus allen Bundesländern erreichen uns Meldungen, dass einzelne Stationen und Abteilungen auch wegen Personalmangel abgemeldet werden müssen“, sagte der Vorstandschef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß. Zeitweise würden auch Notaufnahmen bei den Rettungsleitstellen abgemeldet. „Diese Situation besorgt uns erheblich mit Blick auf den bevorstehenden Herbst.“
Die Lage zerre an den Nerven der Beschäftigten. In den vergangenen Wochen und Monaten habe es nie eine Phase der Entspannung gegeben, betont Geno-Sprecherin Matiszick. „Die Zahl der Patienten mit Corona liegt seit Jahresbeginn fast durchgängig deutlich über 60, sodass die Belastung für unsere Kliniken dauerhaft hoch war.“ Weihe vom Rot-Kreuz-Krankenhaus betont ebenfalls die starke Belastung – physisch wie auch psychisch – beim Personal nach mittlerweile über zwei Jahren Pandemie.