Der Umsatz steigt gerade deutlich, aber ob das am Ende auch für den Gewinn gilt, kann Andreas Jordan noch nicht sagen. Der Co-Geschäftsführer der Leihhaus-Kette Jordan verzeichnet zwar in diesem Jahr sechs Prozent mehr Verträge als 2021 und das Volumen der Darlehen ist sogar um 20 Prozent gestiegen, doch in Krisenzeiten wachsen auch in seinem Gewerbe die Risiken.
„Ich habe Sorge, dass die Verfallzahlen steigen“, sagt Jordan, der seit 21 Jahren im Geschäft ist. Wenn Kunden ihr Darlehen samt Zinsen und Gebühren nicht zurückzahlen können, muss ihr verpfändetes Eigentum spätestens sieben Monate nach Fälligkeit versteigert werden. So schreibt es das Gesetz vor.
Von einer möglichen Wertsteigerung würde der Pfandleiher jedoch gar nicht profitieren, denn wenn der Versteigerungserlös seine Ansprüche aus dem Darlehen übersteigt, muss er den Überschuss abführen: entweder an den Eigentümer des Pfands oder – falls dieser sich nicht bei ihm meldet – an den Staat. Wird sogar nur ein Erlös unter der Darlehenssumme erzielt, bleibt der Pfandleiher auf dem Verlust sitzen: Für seine Ansprüche haftet nämlich nur das Pfand selbst und nicht der Kunde persönlich. Der riskiert nicht einmal einen Schufa-Eintrag.
Das macht den schnellen Pfandkredit für die Kunden so reizvoll, denn nach seinen finanziellen Verhältnissen wird bei Vertragsabschluss gar nicht gefragt – Personalausweis reicht. „Ich habe Stammkunden, die seit zehn Jahren immer dieselbe Sache verpfänden, etwa eine Goldkette“, erläutert Jordan. Wenn diese aber wegen der allgemein gerade stark steigenden Preise nicht mehr ausgelöst werden kann, gelte: „Kette weg, Kunde auch weg.“ Passiere dies häufiger, stelle sich am Ende die Frage: „Haben wir wirklich etwas verdient oder nur ein Wechselgeschäft gemacht?“
Noch freut sich Jordan über "deutlich mehr Nachfrage", aber die Zahlen aus 2021 seien auch nur bedingt vergleichbar: "Da wurde wegen des Virus' weniger konsumiert, am Ende hatten die Leute trotz Kurzarbeit mehr Geld" - und keinen Grund, ihren Schmuck zum Pfandleiher zu tragen, um mal schnell eine Reparatur oder eine rückständige Miete zu bezahlen. "Entsprechend gab es auch einen überdurchschnittlichen Abbau von Pfandleihverträgen", berichtet Jordan.
Der Ankauf von Goldschmuck macht sein Hauptgeschäft aus, und Währungsschwankungen können sich da auch positiv auswirken: „Aktuell haben wir einen starken Goldpreis in Euro, weil der Euro schwach ist gegenüber dem Dollar, mit dem aber Gold international gehandelt wird.“ So weit, so paradox. Gegen die Risiken sichert sich Jordan ab, indem er nur Darlehen in Höhe von 90 Prozent des aktuellen Handelspreises gewährt: „Liegt der bei 55 Euro pro Gramm, sind die fünf Euro unser Puffer.“
Ein zehn Gramm schwerer Ehering aus 585er Gold (14 Karat) kann mit rund 300 Euro beliehen werden. Und dass Eheringe verpfändet werden, sei gar nicht so selten, sagt Jordan: „Bei deutschen Männern ist es ja oft das einzige goldene Schmuckstück, das sie haben.“ Anders bei seiner türkisch-arabischen Klientel, die vor allem Armreifen und Münzanhänger aus hochwertigem 22-karätigem Gold verpfände. „Das sind Hochzeitsgeschenke, die genau für diesen Zweck gemacht wurden“, erläutert Jordan. „Zur Absicherung, wenn es mal finanziell eng wird.“
Entsprechend unbefangen sei die Kundschaft aus dem Orient, aber auch vom Balkan, aus Ostasien oder jetzt aus der Ukraine beim Gang zum Leihhaus. Seit diesem Jahr kämen nun mehr Deutsche, vor allem von Corona und Inflation gebeutelte Selbstständige und Gewerbetreibende. „Das verlagert sich in die Mittelschicht, für die Banken-Darlehen immer schwieriger werden.“
Mit langwierigen Bonitätsprüfungen und Selbstauskünften behelligt ein Pfandleiher seine Kunden nicht. Bares gibt es sofort nach Begutachtung des Pfands, und die dauert oft nur Minuten. „Dafür sind wir nicht günstig“, räumt Jordan ein. „Für große Summen geht man besser doch zur Bank.“ Für jeden Monat werden ein Prozent an Zinsen des Darlehen-Betrages berechnet, bei 300 Euro kommen noch 3,50 Euro an Gebühren hinzu. Bis zu dieser Höhe gilt die Pfandverordnung, darüber hinaus legen die Häuser ihre Gebühren selbst fest. „Für 100 Euro werden nach einem Monat 3,50 Euro an Zinsen und Gebühren fällig“, rechnet Jordan vor. „Wenn Sie 100 Euro bei der Nachbarin leihen und bei Rückgabe als Dankeschön noch einen Blumenstrauß oder Pralinen überreichen, wird das teurer.“
Im Durchschnitt geht es bei Jordan um gut 450 Euro pro Vertrag. Ausnahmen bestätigen die Regel: Etwa die Münzen- und Uhren-Sammlung, die für ein „hohes fünfstelliges Darlehen“ ausreichte. Das ungewöhnlichste Pfand sei aber ein goldener Armreif mit integriertem Parfumzerstäuber gewesen, den der Kunde selbst entworfen hatte – für den arabischen Markt. „Die Beleihung des Prototypen sollte wohl den Produktionsstart ermöglichen“, vermutet Jordan. „Was daraus wurde, weiß ich aber nicht.“
Neben Gold- und Silberschmuck, Uhren, Münzen und Briefmarken beleiht man auch neuwertige Unterhaltungselektronik, Digitalkameras, Tablets, Smartphones und in Bremen sogar „neue und hochwertige Kraftfahrzeuge, nicht älter als vier Jahre“. Keine Chance, Bargeld abzuwerfen, haben hingegen Pelze, Kleidung und Kunstgegenstände. Einen Darlehensvertrag verweigert Jordan zudem, „wenn wir das Gefühl haben, der Kunde passt nicht zum Schmuckstück“ – wenn es also Zweifel an Herkunft und Eigentum des Geschmeides gibt. "Wir wollen nicht zu jedem Stück eine Kaufquittung sehen", stellt Jordan klar, "aber immer einen Ausweis". Die Kundendaten bleiben zehn Jahre lang im internen System.