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Prozess gegen Niels Stolberg Beluga-Informant fürchtete um sein Leben

Im Beluga-Betrugsprozess gegen den Reeder Niels Stolberg hat am Dienstag ein Manager von Oaktree ausgesagt. Dieser spricht von einem Betrug mit System.
07.06.2016, 20:00 Uhr
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Beluga-Informant fürchtete um sein Leben
Von Jürgen Hinrichs

Im Beluga-Betrugsprozess gegen den Reeder Niels Stolberg hat am Dienstag ein Manager von Oaktree ausgesagt. Dieser spricht von einem Betrug mit System.

Er war der entscheidende Informant, ein Insider, Mitglied der Beluga-Familie mit ihrem Patriarchen Niels Stolberg. Und er hatte Angst, vor eben dieser Familie. „Der Mann fühlte sich in seinem Leben bedroht“, erzählte am Dienstag ein Zeuge im Beluga-Betrugsprozess vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer des Bremer Landgerichts. „Wir haben ihn und seine Familie in Sicherheit gebracht und Personenschutz organisiert“, sagte der Manager des US-Hedgefonds Oaktree.

Schutz vor den Leuten von Beluga, fügte der Zeuge auf Nachfrage an. Der Grund: „Er hat die Bücher geöffnet und den Betrug offengelegt.“ Im Februar war das, mehr als fünf Jahre her. Der Mitarbeiter von Beluga hatte Oaktree, das damals in der Bremer Reederei bereits das Ruder in der Hand hatte, darüber informiert, dass wesentliche Eckdaten des Unternehmens gefälscht sind – von Stolberg und seinem Führungspersonal.

Orderbuch ohne Substanz

Das Orderbuch zum Beispiel war ohne Substanz, nur dass dies offenbar gut verborgen blieb. Als Oaktree genauer wissen wollte, welche Aufträge vorliegen, lieferte Beluga nach, mit Stempel und Unterschrift, berichtete der Zeuge. „So haben wir uns bestätigen lassen, dass im Orderbuch alles korrekt ist.“ Doch das war ein Trugschluss, wie sich später herausstellte. Es gab keine Aufträge, oder kaum welche, und darum auch keine gute Zukunft für das Unternehmen.

Das Orderbuch, für Oaktree nach Aussage des Zeugen ein wesentliches Motiv, sich im Laufe des Jahres 2010 an Beluga und den diversen Schiffsgesellschaften der Reederei zu beteiligen, war eine Fälschung. Genauso der Umsatz, der in den Büchern stand. Und die Höhe der Investitionskosten. Alles erfunden und ein großer Betrug. Das wurde am 28. Verhandlungstag des Mammutverfahrens einmal mehr deutlich.

Beluga täuschte Oaktree

Doch warum hat Oaktree bei einem Engagement von immerhin fast 200 Millionen Euro nicht konsequenter nachgefasst – zum Beispiel beim Orderbuch? Eine Frage von Monika Schaefer, der Vorsitzenden Richterin. „Warum haben sie nicht die Kunden gefragt, ob die Aufträge echt sind?“ Oaktree sah keinen Anlass dazu, wie der Manager erklärte: „Das ist nicht üblich und sähe auch komisch aus.“ Die Darstellung von Beluga sei konsistent gewesen, gerade auch, nachdem die abgezeichneten Verträge vorgelegt worden seien.

Beluga war im Jahr 2010 wegen der Schifffahrtskrise in großen Finanznöten und suchte händeringend nach Investoren. Mit Oaktree wurde einer gefunden. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Los Angeles verwaltet nach eigenen Angaben ein Vermögen von rund 100 Milliarden Dollar. Beluga schien ein lohnendes Geschäft zu sein. „Die Firma machte einen sehr guten Eindruck“, sagte der Zeuge, „sie präsentierte sich als Weltmarktführer und war mit den neuen Schiffsklassen auch für die Zukunft gut aufgestellt.“

Verhandlungen dauern an

Der US-Investor hatte die Reederei gründlich durchleuchten lassen, unter anderem von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst&Joung. Deren Berichte hatten damals ein anderes Bild von Beluga gezeichnet, wie die Verteidiger von Stolberg dem Zeugen vorhielten. Die Erträge des Unternehmens waren nach dem Rekordjahr 2008, als die Reederei einen Gewinn von 80 Millionen Euro verbuchte, ein Jahr darauf regelrecht eingebrochen und in einem geringen Minus gelandet. „Beluga stand mit dem Rücken zur Wand“, so die Verteidigung. Der Zeuge mochte diesen Eindruck nicht teilen, er verwies auf die Aussichten der Reederei.

Oaktree wollte sich fünf bis sieben Jahre lang bei der Reederei engagieren. „Wir haben pro Jahr mit einer Rendite von 25 bis 30 Prozent gerechnet“, so der Manager. Diese Erwartung löste sich in Luft auf, nachdem der Betrug aufgeflogen war und Beluga im Frühjahr 2011 in die Pleite ging. Seit Januar wird gegen Niels Stolberg und drei seiner früheren Angestellten wegen Kreditbetrugs, Untreue und schweren Betrugs verhandelt.

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