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Bremen bleibt Schlusslicht Bildungsforscher fordern mehr Geld für Schulen in Problemvierteln

Bremen bleibt Schlusslicht im Bildungsmonitor. Die Studie zeigt erneut Defizite auf – dabei legt sie diesmal einen Schwerpunkt auf Bildungsarmut und Integration.
04.09.2024, 05:00 Uhr
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Bildungsforscher fordern mehr Geld für Schulen in Problemvierteln
Von Markus Peters

Dass Bremen bei den verschiedenen Bildungsvergleichen zwischen den deutschen Bundesländern in aller Regel schlecht abschneidet, ist seit Jahren bekannt. Beim inzwischen 21. Bildungsmonitor der arbeitgebernahen Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INMS) landet das Zwei-Städte-Bundesland – der WESER-KURIER berichtete – erneut auf dem letzten Platz. Doch diesmal ist das Ergebnis der Bildungsforscher um Professor Axel Plünnecke von Institut der deutschen Wirtschaft in Köln aus Bremer Sicht besonders aussagekräftig, weil ein Schwerpunkt auf das Thema Bildungsarmut und Integration gelegt wurde.

Ein Teil der Bremer Bildungsprobleme resultiert – neben der angespannten finanziellen Lage des Bundeslandes – aus den Herausforderungen, die sich aus bestimmten Formen der Zuwanderung ergeben. "Nirgendwo sonst in Deutschland wird in den Haushalten mit Migrationshintergrund so wenig deutsch gesprochen wie in Bremen", macht Studienleiter Plünnecke deutlich. Kinder schneiden aber nach den Analysen der Bildungsforscher in den Pisa-Kompetenzen deutlich schlechter ab, wenn die Eltern gering qualifiziert sind, wenn wenig Bücher zu Hause vorhanden sind und wenn im Elternhaus nicht deutsch gesprochen wird.

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Entsprechend fällt daher das Ergebnis aus: So schnitten zum Beispiel Bremer Schülerinnen und Schüler der vierten Klasse beim Lesen, beim Hörverständnis und in Mathematik bundesweit am schlechtesten ab. Beim Lesen zieht sich das Defizit bis in die neunte Klasse hindurch. Auch die Schulabbrecherquote lag in Bremen im Jahr 2022 mit 9,2 Prozent deutlich über dem Bundesdurchschnitt (6,8 Prozent). Noch deutlicher ist das Resultat bei den ausländischen Schulabgängern, von denen 24,9 Prozent (Bundesdurchschnitt: 16 Prozent) in Bremen keinen Abschluss erreichten. Zudem ist in Bremen die Schulqualität schlecht, die Bildungsausgaben fallen im Vergleich zu den Gesamtausgaben der öffentlichen Haushalte geringer aus. Bremen weist hier den schlechtesten Wert aller Bundesländer auf. Die Zahl der ganztagsbetreuten Kinder in den Kitas, Grundschulen und der Sekundarstufe 1 ist ebenfalls niedriger als anderswo.

Bei Akademikern ist Bremen führend

Neben den vielen Problemen gibt es allerdings auch Bereiche, in denen Bremen vorne liegt. Das Land hat einen hohen Anteil von Akademikern, auch im mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich. Es gibt deutlich mehr Ausbildungsplätze in der Informationstechnologie als in anderen Bundesländern und die Betreuungsquote (Schüler-Lehrer-Verhältnis) fällt in Bremen im Durchschnitt günstiger aus als in anderen Bundesländern. Das ändert allerdings nichts an den Defiziten.

Aus diesen Ergebnissen leiten die Forscher eine Reihe von politischen Forderungen ab: So empfiehlt Studienleiter Axel Plünnecke zum Beispiel allen Bundesländern, das Hamburger Modell der verpflichtenden Sprachstandtests für Vorschulkinder zu übernehmen und sogar auszubauen. "Wenn man diese Tests in der ersten und dritten Klasse wiederholt, kann man auch Veränderungen messen", so der Kölner Professor. Hamburg hatte vor etwa 15 Jahren diese verpflichtenden Tests gestartet und bei Förderbedarf noch eine Vorschulpflicht eingeführt, um zu erreichen, dass mit Beginn der Schulpflicht alle Kinder die deutsche Sprache so beherrschen, dass sie dem Unterricht folgen können.

Hamburger Modell empfohlen

Unter anderem durch diese Maßnahme hat Hamburg in den Pisa-Studien und beim Bildungsmonitor einen weiten Schritt nach vorn gemacht – und ist aus dem unteren Mittelfeld auf den dritten Platz vorgestoßen. Diese Sprachstanderhebungen seien schon deshalb so wichtig, weil "im Gegensatz zu Haushalten ohne Migrationshintergrund deutlich weniger Kinder von Migranten den Kindergarten besuchen", sagt Plünnecke.

INSM-Geschäftsführer Thorsten Alsleben forderte Bund, Länder und Kommunen auf, mehr Geld für Bildung in die Hand zu nehmen: „Jeder Euro, den wir zielgerichtet in die frühkindliche Bildung investieren, spart uns später ein Vielfaches bei drohenden Reparaturarbeiten und trägt langfristig zu Fachkräftesicherung und Wohlstand bei“, so Alsleben. Auch müsse das Startchancenprogramm für benachteiligte Schüler deutlich ausgeweitet werden. So dürften nicht nur rund zehn Prozent der Schulen mit einem ungünstigen Sozialindex besonders gefördert werden, sondern das Programm sollte auf rund 40 Prozent der Schulen ausgeweitet werden. Ansonsten erreiche man einen zu kleinen Anteil von Kindern mit Förderbedarf.

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Der Psychologe und Integrationsexperte Ahmad Mansour machte sich bei der Vorstellung des Bildungsmonitors ebenfalls für eine zielgerichtetere Förderung für benachteiligte Kinder stark: „Wenn eine Klasse überwiegend aus Schülern besteht, die die deutsche Sprache nicht beherrschen und aus bildungsfernen Familien stammen, kann dies das Lehrpersonal überfordern und zu einer Leistungssenkung führen, was die Chancen dieser Schüler auf Erfolg deutlich verringert.“ Mansour regte sogar an, darüber nachzudenken, ob das dänische Modell mit einer Höchstgrenze von Haushalten mit Migrationshintergrund pro Stadtviertel oder der gezielte Transport von Schülern mit Migrationshintergrund in andere Stadtteile ("Bussing") ein Vorbild für Deutschland sein könne.

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