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Geburtskliniken in Bremen Schwangere müssen in andere Bundesländer verlegt werden

Schwangere müssen regelmäßig in Geburtskliniken anderer Städte verlegt werden. In Bremen fehlen Hebammen und Pflegefachkräfte, zudem sind die Kapazitäten begrenzt. Bundesweit stehen Kliniken unter Druck.
17.10.2022, 05:00 Uhr
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Schwangere müssen in andere Bundesländer verlegt werden
Von Sabine Doll

Der Mangel an Pflegefachkräften und Hebammen setzt Geburtsstationen in Bremen immer stärker unter Druck. Die Folge seien Versorgungsengpässe, wie der Hebammenlandesverband dem WESER-KURIER bestätigt. "Dies führt dazu, dass Frauen in Verlegungssituationen geraten, die zum Teil auch mit Wehen stattfinden", sagt die Bremer Vorsitzende Christina Altmann. Sie müssten an andere Kliniken verwiesen oder verlegt werden, auch in andere Bundesländer. "Wir wissen, dass dies insgesamt bei drei bis vier Schwangeren pro Tag im Land Bremen vorkommt", sagt Altmann. Auch Risikoschwangere seien davon betroffen.

"Bei Risikogeburten ist man dann nicht auf der Suche nach einem Kreißsaalplatz an sich, sondern nach einem hochspezialisierten Zentrum etwa in Oldenburg, Hannover oder Hamburg", betont die Vorsitzende Altmann. In den fünf Kliniken im Land Bremen mit Geburtshilfe-Stationen seien aktuell 16 Vollzeitstellen für Hebammen unbesetzt. Dazu komme der Fachkräftemangel in der Kinderkranken- und der Wochenbettpflege, weshalb Betten zeitweise gesperrt werden müssten. Die Engpässe gibt es bundesweit, in den vergangenen Jahren mussten viele kleinere Geburtsstationen schließen – auch im niedersächsischen Umland. Das erhöht den Druck: In Bremer Kreißsälen werden laut Altmann etwa 30 Prozent niedersächsische Geburten betreut.

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"Natürlich spüren wir den Fachkräftemangel in der Pflege und bei den Hebammen auch in unseren Geburtskliniken", bestätigt Karen Matiszick, Sprecherin der Gesundheit Nord (Geno). "Das kann zur Folge haben, dass Frauen an andere Kliniken verlegt werden müssen." Keinesfalls unter der Geburt, sondern nur, wenn dies medizinisch vertretbar sei. Im Klinikum Nord seien vor allem die räumlichen Strukturen der begrenzende Faktor, der Kreißsaalbereich sei auf deutlich weniger Geburten ausgelegt. Derzeit gebe es Planungen für eine Erweiterung, so die Geno-Sprecherin.

Dass Risikoschwangere verlegt werden müssten, liege vor allem an den Kapazitäten der Neonatologie, die in Bremen begrenzt seien. Lediglich im Klinikum Mitte gebe es ein Perinatalzentrum Level 1, wo sehr kleine und sehr kranke Frühgeborene versorgt werden müssten. "Droht bei einer Frau eine Frühgeburt, aber alle neonatologischen Plätze sind belegt, wird sie vorsorglich in ein anderes Level-1-Zentrum verlegt – weil man vermeiden will, dass das Kind nach der Geburt verlegt werden muss", so Matiszick. Einige Male pro Woche komme dies im Klinikum Mitte vor, im Klinikum Nord mit einer Level-2-Versorgung für Risikogeburten "fast nie".

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Der Fachkräftemangel plus coronabedingter Ausfälle macht sich laut Sprecherin Regina Bukowski auch im Diako bemerkbar. Verlegungen kämen "extrem selten" vor, wenn alle Kreißsäle belegt seien. Aktuell sei es "schwierig bis unmöglich, Kinderkrankenschwestern zu gewinnen, bundesweit ist der Markt leer", gibt der Sprecher des St. Joseph-Stifts, Maurice Scharmer, die Lage wieder. "Bedingt durch Krankheitsfälle ist es vorgekommen, dass wir unsere neonatologische Überwachungseinheit abmelden mussten." Im Kreißsaal-Bereich und der Wochenbettstation seien keine Schließungen notwendig, es könne aber zu Abweisungen oder Weiterleitungen von Schwangeren kommen, die nicht in Not seien. In diesen Fällen seien die Kreißsäle belegt gewesen.

Die Suche nach einem Kreißsaalplatz in einer anderen Klinik ist meist mit aufwendigem Telefonieren verbunden. "Zur Entlastung der Kliniken finanzieren wir derzeit ein Projekt zum Aufbau einer zentralen geburtshilflichen Verteilungsstruktur für freie Kreißsaalkapazitäten im Land Bremen", sagt Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) dem WESER-KURIER.

Der bundesweite Hebammenmangel macht sich nicht nur in den Kliniken bemerkbar, Versorgungsengpässe gibt es seit Jahren auch in der ambulanten Betreuung: Laut Gesundheitsberufe-Monitoring der Behörde seien 8,4 Prozent der Schwangeren in Bremen pro Jahr ohne Hebammen-Versorgung gewesen, sagt Altmann. "Wenn man das auf die Geburtenzahl umrechnet, sind das knapp 800 unversorgte Frauen im Jahr."

Große Hoffnungen ruhen auch in Bremen auf den neuen Hebammenstudiengängen, an der Hochschule machen im Herbst 2024 die ersten Absolventinnen ihren Abschluss. Altmann: "Ich warne davor, alle Karten auf die etwa 40 Absolventinnen pro Jahr zu setzen. Fakt ist, dass wir aktuell gar nicht wissen, wie sich der Studiengang auf die Versorgung auswirkt." Bis dahin müssten bestmögliche Arbeitsbedingungen für alle Hebammen in allen Bereichen geschaffen werden. "Nur damit wird die Chance größtmöglich, dass die Absolventinnen auch in Bremen bleiben", betont die Hebammen-Vorsitzende. Sie fordert eine "Gesamtstrategie Geburtshilfe" für Bremen.

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