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Innere Sicherheit in Bremen Mäurer verteidigt nach Kritik den Kops-Einsatz für den Innendienst

Kontaktpolizisten, die eigentlich auf der Straße unterwegs sein sollten, müssen in Bremen mangels Personal Innendienste übernehmen. Innensenator Ulrich Mäurer äußert sich im Gespräch mit dem WESER-KURIER.
03.08.2023, 05:00 Uhr
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Mäurer verteidigt nach Kritik den Kops-Einsatz für den Innendienst
Von Jürgen Hinrichs

Nachdem bekannt geworden ist, dass Bremer Kontaktpolizisten (Kops) zulasten ihrer eigentlichen Aufgaben Innendienst verrichten müssen, schlägt die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Alarm: „Bürgernahe Polizeiarbeit ist unabdingbar. Die motivierten und akzeptierten Kolleginnen und Kollegen in die Büros zurückzuziehen, sabotiert das Ziel des einstigen Erfolgsmodells“, erklärt GdP-Landesvorsitzender Nils Winter. Jeder Revierbereich müsse ausreichend Kontaktpolizisten haben, um unter anderem Verkehrserziehung an Schulen zu unterrichten, das Gewaltpräventionskonzept „Nicht mit mir“ in Schulklassen zu vermitteln und vor allem, um Opferfürsorge nach Straftaten anzubieten. „Unsere Kontaktbeamten sind Polizisten zum Anfassen und Reden. Sie gehören auf die Straße und nicht an den Schreibtisch“, so Winter.

Polizeipräsident Dirk Fasse hatte am Montag in einem Schreiben an alle Ortsamtsleiter und Beiräte darüber informiert, dass die 94 Kontaktpolizisten mindestens bis zum Jahreswechsel dabei helfen sollen, den Berg von Ermittlungsakten bei der Kriminalpolizei abzuarbeiten. Fasses Angaben zufolge handelt es sich um 18.000 Altfälle. Außerdem sei Unterstützung bei der Aufnahme von Anzeigen notwendig.

Seit diesem Montag werden die Kontaktpolizisten geschult. Dem Vernehmen nach sollen an dem Tag 54 Beamtinnen und Beamte an der Fortbildung teilgenommen und bereits die ersten Ermittlungsakten zugeteilt bekommen haben. Die Polizeiführung rechnet nach eigener Darstellung damit, dass die Kontaktpolizisten rund 30 Prozent ihrer Arbeitszeit auf die neuen Aufgaben verwenden müssen.

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Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) verteidigt den Sondereinsatz der Kontaktpolizisten. „Die Bürgerinnen und Bürger haben einen Anspruch darauf, dass ihre Anzeigen in einem vernünftigen Zeitraum bearbeitet werden“, sagt Mäurer im Gespräch mit dem WESER-KURIER. Das sei eine Aufgabe der Polizei insgesamt, nicht nur der Kripo. „Mein Ziel ist es, die Zahl der aufgelaufenen Fälle noch in diesem Jahr um die Hälfte zu verringern“, kündigt der Senator an. Die meiste Unterstützung sei in den vergangenen Monaten aus dem Reservoir der Bereitschaftspolizei gekommen, „von denen hat bisher niemand gemeckert“.

Natürlich, so Mäurer, lösten solche Sonderaufgaben keine Begeisterung aus. Man könne sich seine Arbeit aber nicht immer aussuchen: „Ich nehme auch nicht nur solche Termine wahr, die mir Spaß machen.“ Da müsse man einfach mal durch. Er unterstütze ausdrücklich das Vorgehen des Polizeipräsidenten und werde das auch weiterhin tun: „Ich lasse mich in dieser Angelegenheit nicht beirren.“

Wenn aus Reihen der Kops beklagt werde, dass sie mit der Bearbeitung der Akten überfordert seien, müssten sie sich die Frage gefallen lassen, ob sie den richtigen Beruf gewählt hätten. Eine Akte pro Tag – um mehr gehe es nicht, und es gebe die klare Absprache, dass die Beamten nur solche Fälle bekämen, die schnell und einfach zu bewältigen seien. Die komplexeren Sachverhalte würden weiterhin von der Kripo übernommen.

Ich lasse mich in dieser Angelegenheit nicht beirren.
Ulrich Mäurer

Dass die Halde der unbearbeiteten Fälle so hoch ist, habe nicht allein mit dem Mangel an Personal zu tun, erläutert Mäurer. „Wir haben ja schon viel geschafft, es kommt aber deutlich mehr dazu als normalerweise.“ Das sei ein dynamischer Prozess, nicht nur in Bremen, sondern bundesweit. Der Rückgang der Taten während der Corona-Zeit sei trügerisch gewesen. Delikte wie Raub und Diebstahl hätten wieder stark zugenommen: „Es gibt einen riesigen Nachholbedarf bei Kriminalität.“

Die Zahl von 94 Kontaktpolizisten soll nach dem Willen der Regierungskoalition perspektivisch auf 110 steigen. So steht es in dem neuen Vertrag von SPD, Grünen und Linken für die Legislaturperiode der nächsten vier Jahre. Nach Angaben einzelner Kops, die sich an den WESER-KURIER gewandt haben, seien von den bestehenden Stellen bei Weitem nicht alle besetzt. Die GdP bestätigt das. Die Folge sei, dass von den Beamten neben dem eigenen Bezirk von Fall zu Fall weitere betreut werden müssten. Einer der Kops berichtet, dass er seit Wochen keine Fußstreife mehr gelaufen sei. Bürgergespräche würden in der Regel nur noch telefonisch oder per E-Mail stattfinden. Schulprojekte und Opferbetreuung kämen ebenfalls zu kurz. Vor diesem Hintergrund sei der Sondereinsatz der Kops zur Entlastung der Kripo besonders fatal.

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