Weniger statt mehr, wie eigentlich geplant: weniger Polizei auf der Straße, weil die Beamtinnen und Beamten vorerst anderes erledigen müssen. Das ist der Inhalt eines Schreibens von Polizeipräsident Dirk Fasse an alle Ortsamtsleitungen und Beiräte. Die am Montag verschickte E-Mail liegt dem WESER-KURIER vor. Demnach werden die Kontaktpolizisten (Kops) bis zum Jahreswechsel rund 30 Prozent ihrer Arbeitszeit für den Innendienst verwenden und nicht mehr im gewohnten Umfang in den Stadtteilen präsent sein. Der Grund ist die Überlastung der Polizei in anderen Bereichen. Die Kops sollen dort aushelfen.
"Die derzeitige Situation der Polizei Bremen ist leider geprägt von weiterhin erheblichen Bearbeitungsrückständen im Bereich der Strafanzeigen und hohen Eingangszahlen in der Anzeigeerstattung", so Fasse wörtlich. Zwar sei es gelungen, die Zahl der Altfälle von mehr als 22.000 auf weniger als 18.000 zu reduzieren. Die bisherigen Maßnahmen reichten aber nicht aus, diese Entwicklung nachhaltig zu gestalten. "Mein Anspruch ist es jedoch, dass alle Anzeigen zeitgerecht bearbeitet werden", erklärt der Polizeipräsident.
In den vergangenen zwei Jahren seien für diese Aufgabe bereits viele Mitarbeiter zum Beispiel der Bereitschaftspolizei und bei den Führungs- und Stabstellen abgeordnet worden. Trotzdem, so Fasse, komme er nicht umhin, auch die Kops einzubeziehen. Ungeachtet der Tatsache, dass diese Kollegen "als Kern unserer bürgernahen Polizeiarbeit ein unverzichtbarer Bestandteil der Sicherheitsstrategie für alle Stadt- und Ortsteile Bremens sind".
Derzeit gibt es 94 Kops in Bremen. Die Koalition aus SPD, Grünen und Linken hat sich vorgenommen, diese Zahl zu erhöhen und bringt damit die Bedeutung der Polizeisparte zum Ausdruck. Bis zum Ende der jetzt begonnenen Legislaturperiode sollen es „verlässlich 110 Beamte“ sein. So steht es in der neuen Koalitionsvereinbarung. Tatsächlich geht es jetzt aber erst einmal in die entgegengesetzte Richtung.
Bremen: Kops erhalten Fortbildung
Von dieser Woche an bekommen die Kops laut Fasse zunächst eine Fortbildung. Nach Informationen des WESER-KURIER werden dafür 14 Tage veranschlagt. In dieser Zeit stehen die Kontaktpolizisten für nichts anderes zur Verfügung. "Abhängig von der Entwicklung der Fallzahlen werden die Kops voraussichtlich bis zum Jahreswechsel ihre regionalen Abteilungen an durchschnittlich einem Arbeitstag pro Woche in der Zentralen Anzeigenaufnahme unterstützen und darüber hinaus von ihrem Arbeitsplatz aus bei der Reduzierung von Anzeigenrückständen unterstützen", heißt es in dem Schreiben des Polizeipräsidenten.
Fasse verspricht, dass die Kops in den kommenden Monaten nicht völlig von der Straße und aus den Stadtteilen verschwinden: "Wesentliche Tätigkeiten wie die Abnahme der Fahrradführerscheinprüfung an Grundschulen, die Opfernachsorge und das gezielte Aufsuchen von Brennpunkten werden weiter durchgeführt, sodass die Präsenz in den Stadtteilen überwiegend den gesamten Zeitraum gewährleistet bleibt." Aus Kreisen der Kops bestehen daran erhebliche Zweifel: "Wir sind keine polizeilichen Ermittler", sagt einer der Beamten im Gespräch mit dem WESER-KURIER. Laut Anweisung sollen sie pro Tag eine Akte abarbeiten. Darunter auch Fälle von Betrug und Straftaten im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln. "Das traue ich mir nicht zu, schon gar nicht in so kurzer Zeit", so der Polizist. Wahrscheinlich laufe es darauf hinaus, auf Fußstreifen zu verzichten, dabei sei diese Arbeit gerade an den Brennpunkten elementar: "Wir verfolgen einen anderen Ansatz, reden zunächst mal mit den Leuten und wenden keine Repression an."
Der Polizeipräsident weist ausdrücklich darauf hin, dass es sich um einen "temporären Sondereinsatz" handele. Gleichzeitig werde kontinuierlich daran gearbeitet, die Bremer Polizei personell zu verstärken. Die Koalition will nach eigenem Bekunden langfristig auf 3100 Stellen kommen, rund 400 mehr als bisher. Vorerst aber, so Fasse, müssten die zur Verfügung stehenden Ressourcen den jeweils aktuellen Herausforderungen angepasst werden. Jetzt zum Beispiel unter Verwendung der Kops. "Ich werbe bei Ihnen und den Beiräten für Verständnis in dieser besonderen Situation", richtet Fasse an die Ortsamtsleitungen. In einer Beirätekonferenz werde die Polizeiführung Rede und Antwort stehen.