Der Saal ist voll, das Publikum hat seinen Spaß, die Musiker auch. Trotzdem kam irgendwie die Vorstellung auf, es werde 2024 das letzte Mal sein, dass die Mushroams den Frühschoppen des Bayernzeltes bestreiten. Ein verdientes Ende nach 40 Jahren, sollte man meinen, aber dieses Ende ist vorerst wieder abgesagt. „Weiß ich auch nicht, wie das kam, aber an uns soll es nicht liegen“, gibt Bassist Jürgen Freitag zu Protokoll. Ähnlich sieht es Zeltwirt Jan Wolters. „Wenn sie wollen, sind die Mushroams nächstes Jahr wieder am Start.“
„Die 50 machen wir voll“, kommentiert Freitag und grinst. Der 77-Jährige weiß natürlich selbst, dass das in seinem Alter nur ein Spruch ist. Außerdem ist er in diesem Jahr nicht aktiv dabei, denn nach 46 Jahren in der Band hindern ihn gesundheitliche Probleme derzeit an allen Bühnenaktivitäten. Dazu war die Band übers Jahr – mal wieder – im Umbruch. Erst im Sommer stieß Thomas Heuberg als neuer Sänger hinzu, dann fehlte noch ein zweiter Gitarrist. „Ich hab‘ einige Anfragen absagen müssen, weil wir einfach noch nicht so weit waren“, erzählt Freitag. So entstand wohl der Eindruck, der 40. Frühschoppen werde der letzte.
Neugründung als Oldieband 1978
Dass die Bandgeschichte zu Ende ist, konnte man bei den Mushroams schon häufiger denken. Ursprünglich 1964 gegründet und durch Auftritte in der Lila Eule und dem Beatclub von Radio Bremen geadelt, hat sich die Band immer wieder gehäutet und neu erfunden. Freitag war schon 1966/67 erstmals kurz dabei, doch nach 1968 war zunächst Schluss. Erst rund zehn Jahre später gründete er die Band zusammen mit zwei anderen Ehemaligen wieder neu. Nur Ur-Mitglied Jochen Laschinsky war nicht mehr dabei. Er hatte den Namen 1964 als Wortspiel aus Mushrooms (Pilze) und roam (herumwandern/umherziehen) erfunden. „Wir haben ihn gefragt, ob wir uns wieder Mushroams nennen dürfen, und er gab sein Okay“, erzählt es Freitag.

Jürgen Freitag im Probenraum der Mushroams im Keller seines Hauses. Aus gesundheitlichen Gründen muss das Gründungsmitglied derzeit passen.
Den Frühschoppen im Bayernzelt hätten sie dann ein paar Jahre später selbst erfunden. „Wir hatten die Idee, man könnte doch an den Freimarkt-Sonntagen da schon ab mittags spielen, und haben den damaligen Betreiber überzeugt“, sagt Freitag. Das Zelt sei 1984 noch sehr viel kleiner gewesen und die Atmosphäre komplett anders. „Da kam niemand im Dirndl oder Trachtenanzug, das war einfach ein Festzelt mit Bühne.“ Die Mushroams sahen es damals schlicht als einen guten Ort, um ihr Publikum zu versammeln.
Das entwickelte sich dann über die Jahre zu einem eingespielten Ritual, ohne dass sich viel geändert hätte. Nur bei den Mitgliedern der Mushroams gab es immer mal wieder Wechsel, einige altgediente Musiker sind auch inzwischen verstorben. „Aber im Grunde sind wir eine ganze Zeit lang zusammen mit unserem Publikum älter geworden“, sagt Freitag.
Nach und nach erneuertes Repertoire
Erst ab Mitte der 2010er-Jahre kam wieder Bewegung in die Sache. Der Frühschoppen wurde zum Kult und das Publikum verjüngte sich deutlich. Zugleich kam die Mode auf, sich für den Besuch im Bayernzelt mit Dirndl und Lederhose herauszuputzen. Rein optisch hat das Bayernzelt 2024 nichts mehr mit dem Bayernzelt 1984 zu tun, als die Mushroams dort begannen. „Grund genug, auch mal was an der Musik zu ändern“, befand Ronald Geißler, der jetzt seit rund fünf Jahren als Gitarrist dabei ist.

Bayernzelt 1986 ganz ohne Dirndl und Lederhose: Die Mushroams hatten damals schon ihre Fans.
Die jüngsten Umbesetzungen und der Abgang des bisherigen Sängers haben mit dieser Modernisierung des Repertoires zu tun. „Mit Elvis kann man im Bayernzelt nichts mehr werden“, formuliert es Geißler. Klassische Rock-Stücke ersetzen derzeit nach und nach die alten Gassenhauer. „Ich sag mal Siebziger- und Achtzigerjahre, statt Fünfziger und Sechziger.“ Stücke von AC/DC, Queen, ZZ Top oder auch ein Medley der Neuen Deutschen Welle zählen dazu. „Das kommt gut an“, berichtet Geißler. Manchmal genügten schon ein paar Takte, wie bei Zoom von Klaus Lage. „Wir hatten nur die erste Zeile gesungen, da fiel das Publikum schon mit ein.“
Für Geißler keine Selbstverständlichkeit, trotz des tendenziell sehr feierwütigen Publikums am Sonntagmorgen. „Wir wechseln uns ja mit DJ Toddy ab, wenn der mit diesen Mallorca-Schlagern für ordentlich Stimmung sorgt, da müssen wir erst mal gegen ankommen.“ Andererseits würde es nach seiner Ansicht nichts bringen, jetzt ebenfalls Partyschlager zu spielen. „Wir sind ja am Ende immer noch eine Rockband, nur eben nicht mehr Rock ‚n‘ Roll.“
Mushroams-Neubegründer und -Senior Jürgen Freitag sieht das genauso. „Immer nur olle Kamellen will keiner, im Bayernzelt schon gar nicht.“ Und er ist davon überzeugt, sich bis zum kommenden Freimarkt wieder gesundheitlich berappelt zu haben. „Nächstes Jahr beim Frühschoppen bin ich wieder auf der Bühne dabei.“