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Stadtentwicklung in Bremen Hulsberg-Projekt verliert an Schwung

Über 1100 neue Wohnungen sollen auf dem Hulsberg-Gelände in Bremens östlicher Vorstadt entstehen. Doch das Projekt liegt weit hinter seinem Zeitplan, es kämpft mit Hemmnissen, die so nicht erwartet wurden.
22.02.2023, 05:00 Uhr
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Hulsberg-Projekt verliert an Schwung
Von Jürgen Theiner

Es gilt als eines der Vorzeigeprojekte Bremer Stadtentwicklung – das Neue Hulsberg-Viertel (NHV) auf dem Gelände des Klinikums Mitte. Möglicherweise wird es diesem Anspruch auch irgendwann gerecht werden. Doch der Weg dahin ist steiniger und länger, als es zu Beginn des Planungsprozesses den Anschein hatte. Das gesteht sich der Senat gerade ein. In einem vertraulichen Papier aus dem Bauressort wird eine nüchterne Zwischenbilanz des Projekts gezogen, diverse Hemmnisse kommen darin deutlich zur Sprache.

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Den Anstoß für das – neben der Überseestadt – größte Umgestaltungsvorhaben der vergangenen Jahrzehnte gab 2010 der Neubau des Klinikums Mitte. Die zuvor über das riesige Areal an der St.-Jürgen-Straße verstreuten Klinikbereiche wurden in den Folgejahren in einem Neubau entlang der Bismarckstraße zusammengefasst. Rund 14 Hektar wurden so auf mittlere Sicht für eine neue Nutzung frei. Viel Platz also für ein modernes urbanes Quartier mit mehr als 1100 neuen Wohnungen, Gewerbeanteilen und Bildungs- sowie sozialen Einrichtungen.

Für die Vermarktung der Flächen gründete die Stadt mit der Grundstücksentwicklung Klinikum Bremen-Mitte GmbH & Co. KG (GEG) eigens eine Agentur, die das Projekt voranbringen sollte. Deren Aufgabenstellung glich und gleicht bis heute einem Spagat: Einerseits soll sie das stadtentwicklungspolitische Ziel eines sozial durchmischten Quartiers anstreben, andererseits bei den Flächenverkäufen aber Maximalerlöse erzielen. Denn die sind schon verplant – als Teil der Finanzierung des Klinikneubaus.

Die aktuelle Situation in der Immobilienwirtschaft führt nun aber dazu, dass diese beiden Anforderungen "nicht mehr in gleichem Maße erfüllt werden können", wie in dem aktuellen Senatspapier eingeräumt wird. Das betrifft zum Beispiel die Baugenossenschaften, die mit solidarisch finanzierten Projekten einen Beitrag zum Wohnungsbau auf dem Gelände leisten sollen. Rund 20 Prozent der Bauflächen sind ihnen vorbehalten. Doch die Entwicklung von Grundstückspreisen, Zinsen und Herstellungskosten haben einigen dieser Projekte die Grundlage entzogen.

"Solche Gemeinschaften verfügen in der Regel nicht über hohes Eigenkapital", sagt Peter Bargfrede von der Stadtteilgenossenschaft Hulsberg, die auf dem Gelände tätig werden wollte. Zwar habe der Senat mit gezielten Förderprogrammen Hilfestellung geleistet. "Aber das hat die Kostensteigerungen nur zu einem Teil auffangen können", sagt Bargfrede. Die Genossenschaft, die ihren Namen dem Hulsberg verdankt, baut jetzt stattdessen im Bereich Ellener Hof. In dem Senatspapier wird das Problem auch unumwunden eingeräumt. Es bestehe "ein sehr hohes Risiko, dass ein zentrales Ziel" der ursprünglichen Konzeption "nicht oder nur in Teilen erfüllt werden kann", heißt es dort.

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Ob es in nennenswertem Maße gelingt, Gewerbeanteile in das NHV zu integrieren, ist derzeit ebenfalls offen. Nicht geklappt hat es beispielsweise in der früheren Augenklinik, in der Hotellerie und Gastronomie angesiedelt werden sollten. Stattdessen mietet die Stadt dieses Gebäude nun von Investoren zurück, um dort eine Grundschule unterzubringen.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Gesundheit Nord (Geno) als Trägerin des Klinikums Mitte nun doch nicht komplett aus den 14 Hektar südlich des Krankenhausneubaus zurückzieht. Deshalb ist auch immer noch nicht entschieden, was aus dem achtstöckigen Bettenhaus mitten im Neuen Hulsberg-Viertel wird. Klar ist lediglich, dass die unmittelbar angrenzende sogenannte Bettenwarte abgerissen wird. Sie soll einem Parkhaus weichen.

Eigentlich sollte auch das Bettenhaus verschwinden, damit das Parkhaus größer werden und um einen Mantelbau mit rund 120 Wohneinheiten ergänzt werden kann. Doch seit einiger Zeit plant die Geno, mit ihrer Bildungsakademie und einer Kurzzeitpflegeeinrichtung in das Bettenhaus zu ziehen. Noch ist keine Entscheidung für oder gegen eine dieser Optionen gefallen. Doch klar ist: Sollten die 120 Wohneinheiten nicht realisiert werden können und auch weniger Parkplätze entstehen, wäre das eine erhebliche Veränderung des NHV-Konzepts.

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Derweil zehren die Kosten für die Infrastruktur des NHV einen erheblichen Teil der Erlöse aus den Grundstücksverkäufen auf. Die Aufwendungen für Planung, Untersuchungen an Bestandsgebäuden, Straßenbau, öffentliches Grün und Abbruch von Altgebäuden werden sich gegenüber den ursprünglichen Erwartungen von rund 20 auf etwa 55,3 Millionen Euro mehr als verdoppeln. Sie stehen den erwarteten Einnahmen von rund 113 Millionen Euro gegenüber.

GEG-Geschäftsführer Florian Kommer dürfte inzwischen eigentlich gar nicht mehr in Amt und Würden sein, sahen doch die optimistischen Zeitpläne des Jahres 2010 einen Abschluss der Neugestaltung des Areals bis 2018 und die anschließende Abwicklung der GEG vor. Doch Kommer wird seinen Job gewiss noch mehrere Jahre behalten. Er hat sich für das NHV-Projekt einen neuen zeitlichen Horizont gesetzt – 2028, so hofft er, könnte die Vermarktung des Gesamtgeländes abgeschlossen sein. Die ursprüngliche Zielmarke 2018 sei sicher "etwas überambitioniert" gewesen. Doch nach und nach kämen die Dinge voran, so wie etwa die Verkaufsausschreibung für die architektonisch hochwertige Alte Pathologie (wir berichteten) und ein weiteres Baugemeinschaftsvorhaben. Es dauere halt alles etwas länger, so Kommer, "aber das muss anspruchsvoller Städtebau manchmal aushalten".

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