In Berlin, Brandenburg, Sachsen, Thüringen und einigen Zonen Baden-Württembergs ist 2G im Einzelhandel schon Realität: Nur noch Kunden, die nachweislich geimpft oder von Corona genesen sind, dürften die Geschäfte betreten. Ausnahmen sind Grundversorger wie Supermärkte, Drogerien und Apotheken - dort können auch weiterhin Ungeimpfte einkaufen. Angesichts steigender Infektions- und Hospitalisierungsraten befürchten Einzelhändler, dass es auch im Nordwesten bald so weit ist - und äußern starke Zweifel am Sinn dieser Maßnahme.
In der geltenden Coronaverordnung des Landes Bremen wird der Einzelhandel nicht ausdrücklich erwähnt. „In der aktuellen Situation können Maßnahmen nicht ausgeschlossen werden", sagt jedoch die zuständigen Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke). "Natürlich wird dabei der Weg der geringsten Einschränkungen gegangen, bei gleichzeitiger Effektivität."
Jan König ist skeptisch: "Rechnen muss man in der derzeitigen Situation leider mit Vielem", sagt der Hauptgeschäftsführer vom Handelsverband Nordwest. Und er baut gleich vor: "Aus den vergangenen 21 Monaten wissen wir, dass der Handel kein Infektionsherd ist. 2G im Einzelhandel würde keinen spürbaren Beitrag im Kampf gegen die Pandemie leisten können."
Diese Einschätzung hört man fast wortgleich von Ladenbesitzern, aber auch von den Betreibern der großen Einkaufszentren. "Auch auf dem Weg zu den Einkaufsstätten ist das Infektionsrisiko sehr gering, da im ÖPNV die 3G-Regel gilt", argumentiert Norbert Caesar, der in Bremen ein alt-eingesessenes Geschäft für Haushaltswaren und Werkzeug betreibt. "Was der Sache nicht nützt, muss unterbleiben", fordert der langjährige frühere Vorstand der Interessengemeinschaft Das Viertel.
Caesar hat sich umgehört in Gebieten, wo die 2G-Regel für Teile des Einzelhandels bereits gilt. Die Betriebe dort seien mit der Zugangskontrolle überfordert und die Kundenfrequenz nehme deutlich ab, berichtet er. Sein Fazit: "Verschärfte Zugangskriterien bergen die Gefahr, das viele Betriebe diese Zeit nicht überleben werden."
Auch Monika Mehrtens, Center-Managerin des Weserparks, hätte für eine 2G-Regel wenig Verständnis: "Wir sind in Bremen schon so weit mit unserer Impfquote, sodass wir es begrüßen würden, wenn das Weihnachtsshopping für alle Menschen, unabhängig vom Impfstatus, möglich wäre." Darauf hoffen im Weserpark 170 Geschäfte mit rund 2500 Mitarbeitern.
"In der aktuellen niedersächsischen Corona-Verordnung wird der Einzelhandel nicht eingeschränkt, und wir hoffen auch sehr, dass zunächst andere Lösungen gesucht werden", sagt Michaela Strube, Sprecherin von Dodenhof in Posthausen. Alles sei besser als ein Lockdown, doch die Ausnahmen in der 2G-Regel hält sie auch für problematisch: "Weil die Sicherheits- und Hygienekonzepte überall die gleichen sind - ob im Lebensmittelbereich oder im Modehandel." Die Bremer Senatorin Bernhard betont jedoch, ihr sei es "sehr wichtig, dass es im Bereich der Grundversorgung keine Einschränkungen für Personen ohne Impfung gibt.“
"2G ist eine Art Teil-Lockdown", findet Kirsten Jackenkroll, Center-Managerin der Waterfront. Vor der Pandemie seien an durchschnittlichen Tagen fast 25.000 Menschen in das Gröpelinger Einkaufszentrum gekommen, jetzt seien es - bei starken Schwankungen - 25 bis 35 Prozent weniger. An normalen Adventssamstagen waren es sogar 50.000, aber die könnte man schon unter den jetzigen Bedingungen nicht mehr bewältigen. Corona-Maßnahmen würden von den Läden selbst und durch den Sicherheitsdienst der Waterfront kontrolliert - "aber ich kann nicht alle Türen und das komplette Personal überwachen", sagt Jackenkroll.
Ohnehin würden bei einer 2G-Regelung unterschiedliche Vorschriften für Kundschaft und Personal gelten. Bei den Kunden sei es die jeweilige Landesverordnung, bei den Verkäufern hingegen das bundesweit geltende Infektions- und Arbeitsschutzgesetz, erläutert Verbandsfunktionär König. Das heißt: Zum Einkaufen reicht ein negativer Test dann nicht mehr aus, zum Bedienen von Kundschaft aber schon noch, denn für das Personal gilt 3G am Arbeitsplatz.
"Bei einer 2G-Regelung am Arbeitsplatz müsste die Politik noch den gesetzlichen Rahmen schaffen, wie mit denjenigen umgegangen werden soll, die weder geimpft noch genesen sind", sagt auch Dodenhof-Sprecherin Strube. "Ins Homeoffice kann man die ja nicht schicken, da können sie ihre Arbeit nicht anbieten", ergänzt König. Ihn beruhige aber, dass die Impfquote im Einzelhandel offenbar sehr hoch sei.
Für die Gewerkschaft Verdi steht ohnehin der Schutz der Beschäftigten im Vordergrund: „Sofern 2G im Einzelhandel durch den Gesetzgeber als erforderlich als Schutz gesehen wird, ist das trotz aller Herausforderungen besser als ein absoluter Lockdown“, sagt Detlef Ahting, Landesbezirksleiter Niedersachsen-Bremen.
Und wenn 2G im Einzelhandel doch noch Wirklichkeit wird? "Weitere Einschränkungen sollten durch Steuerentlastungen oder direkte Zuschüssen ausgeglichen werden", fordert Weserpark-Chefin Mehrtens. "Nach den monatelangen Geschäftsschließungen, deren Auswirkungen immer noch nachwirken, wäre das in vielen Fällen zum Überleben der Unternehmen sicher zwingend erforderlich", pflichtet ihr Jan König bei.