Herr Thorenz, Sie kümmern sich mit Ihrem Generalplan Küstenschutz um mehr als 1000 Kilometer Deiche in Niedersachsen. Wie sicher ist dieser Schutzwall noch, angesichts von Klimawandel und Anstieg des Meeresspiegels?
Frank Thorenz: Wir nehmen diese Phänomene sehr ernst und passen unsere Küstenschutzanlagen wie zum Beispiel Deiche und Sperrwerke als Teil des Küstenschutzsystems entsprechend an. Die Planung ist vorsorgend auf die nächsten hundert Jahre ausgerichtet - ein Meter zusätzlich in dieser Zeit. Und einen weiteren Meter Nacherhöhbarkeit als reine Vorsorge. Wir nennen diese Deiche deshalb Klimadeiche. Der Ansatz folgt beim Meeresspiegelanstieg einem ungünstigen Szenario des Weltklimarates. Zum Vergleich: Vor 20 Jahren haben wir noch 25 Zentimeter berücksichtigt.
Die Deiche werden höher und höher. Sind da physikalische Grenzen gesetzt?
Für die genannten Größen sehe ich diese derzeit nicht. Eine Herausforderung ist, genügend Flächen zur Verfügung zu haben. Wenn ein Deich zehn Meter hoch ist, und das gibt es bereits, muss er auch entsprechend breit sein.
Warum nicht Polder bauen und dem Wasser Platz verschaffen?
Das machen wir bereits. Aber nicht an der Küste, sondern an den Flüssen, wie es die Niederländer zum Beispiel auch tun, um den Wasserstand zu senken und auch den Zustand der Natur zu verbessern. Für die Küstenlinie ergeben sich kaum Effekte, weil die Wassermengen in der Nordsee quasi unendlich sind.
Im Jahr 2013 gab es an Nikolaus eine Sturmflut, die so schwer war wie kaum eine andere in den vergangenen hundert Jahren. Trotzdem hielten sich die Schäden in Grenzen.
Weil der Küstenschutz gelernt hat, vor allem nach der Flutkatastrophe von Februar 1962 mit 340 Toten und enormen Schäden. Es wurden nach einer detaillierten Analyse und Forschung die technischen Standards verbessert: zum Beispiel flachere Böschungen und die Berücksichtigung natürlicher Küstenschutzelemente wie Salzwiesen und Dünen. Der Küstenschutz bekam außerdem klare finanzielle und gesetzliche Rahmenbedingungen und wurde als Gesamtanstrengung von Bund und Küstenländern begriffen. Das war damals die Zukunftsaufgabe im Küstenschutz, heute ist es der Klimawandel.
Drohen uns künftig immer schwerere Sturmfluten?
Nicht unbedingt, jedenfalls war das in den vergangenen Jahrzehnten bei Wind und Welle nicht zu beobachten. Wohl aber steigen die Sturmflutwasserstände ebenfalls, wenn der Meeresspiegel steigt.
Wir haben die Deiche als Schutz an der Küste. Wir haben aber auch die Ostfriesischen Inseln, sie sind eine Art Wellenbrecher. Richtig?
Das stimmt. Sie sind auch insofern ungemein wertvoll, da ansonsten die Deiche an der Küste höher gebaut werden müssten.
Gleichzeitig erleiden die Inseln bei jeder Sturmflut Dünenabbrüche und Sandverluste. Ist es wie mit Sylt? Müssen Spiekeroog und Co. damit rechnen, dauerhaft Fläche zu verlieren?
Nein, mit Sylt kann man die Situation nicht vergleichen. Dort gibt es einen permanenten Sandverlust auf der gesamten Insel. Das ist bei uns nicht so. Wir verlieren in Teilbereichen und gewinnen in anderen etwas hinzu. Viel Sediment wird von Westen entlang der Inseln transportiert, von den niederländischen Inseln kommend. Es handelt sich um ein sehr dynamisches System. Bisher gibt es auf den Ostfriesischen Inseln also kein strukturelles Defizit an Sand. Das kann sich im Zeichen des Klimawandels aber noch ändern. Auch hier richten wir uns nach dem Vorsorgeprinzip ein und sichern zum Beispiel Sand für den Schutz der Inseln.