Die Zahl der Hinweise auf Kinderpornografie in Bremen steigt weiter. Verzeichnete die Polizei zwischen 2018 und 2021 bereits einen Anstieg der Fälle von 49 auf 375, so rechnet sie für 2022 mit über 500 Hinweisen. Zugleich ist das zuständige Fachkommissariat K32 schon heute vollkommen überlastet, wie eine Sachbearbeiterin des Referats in der Personalversammlung der Polizei Anfang Dezember mit eindringlichen Worten schilderte. Selbst Fälle, in denen es um sexuellen Missbrauch und Kinderpornografie geht, könnten nicht sofort bearbeitet werden.
In der Personalversammlung berichtete die Sachbearbeiterin von der Situation in ihrem Referat. Von viel zu wenig Personal war die Rede, von 60 bis 80 unerledigten Fällen, die jede Sachbearbeiterin vor sich herschiebe, und von Akten, die kaum mehr als kurz gesichtet werden könnten. Und wöchentlich käme vom Bundeskriminalamt ein Schwung neuer Fälle hinzu.
„Alle Vorgänge werden bei uns auf gefahrenrelevante Aspekte gesichtet, die zu sofortigem Handeln zwingen“, betont Petra van Anken, Leiterin der Bremer Kriminalpolizei, auf Anfrage des WESER-KURIER. Und diese Fälle blieben dann auch in der Bearbeitung, soll heißen, sie würden regelmäßig erneut überprüft.
Den Kernaussagen der Sachbearbeiterin widerspricht aber auch von Anken nicht – ebenso wenig wie Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), der der Bearbeitung von Sexualdelikten und insbesondere den Fällen von Kindesmissbrauch nach eigenen Worten hohe strategische Bedeutung beimisst. Der „starke Vortrag“ auf der Personalversammlung habe aber letztlich nur das beschrieben, „was wir schon wissen“, und wogegen man schon seit Längerem mit einem Bündel von Maßnahmen angehe. Die Bearbeitungsrückstände dadurch spürbar zu reduzieren, sei dennoch nicht gelungen, räumt der Innensenator ein. Im Gegenteil, sie seien sogar erneut angestiegen. „Die Zahl der Hinweise ist einfach erschlagend.“
Was Mäurer meint, zeigt ein Blick in die Kriminalstatistik der vergangenen zehn Jahre: Von 2012 bis 2018 lag die Zahl der Hinweise auf Verbreitung, Erwerb, Besitz und Herstellung kinderpornografischer Inhalte stets zwischen 30 und 50. Dann stieg sie rasant an, bis Ende 2021 auf 375. Das geht vor allem auf Hinweise aus den USA zurück. Amerikanische Internetanbieter und Serviceprovider wie Facebook, Microsoft, Google oder Yahoo scannen im Rahmen einer Selbstverpflichtung permanent die über ihre Dienste verbreiteten Daten nach Missbrauchsabbildungen. Werden sie fündig, wird unter anderem die IP-Adresse des Nutzers aufgezeichnet. Verdachtsfälle aus Deutschland werden an das Bundeskriminalamt weitergeleitet. Bis 2013 waren es etwa 5000 bis 6000 Hinweise im Jahr. 2021 waren es 78.000, für 2022 rechne das BKA mit über 110.000 Fällen.
Das Problem sei zu erkennen, was hinter jedem einzelnen Hinweis steckt, erläutert Mäurer. Das könne jemand sein, der sich solche Bilder „nur“ anschaut, oder jemand, der aktiv an dem fotografierten sexuellen Missbrauch von Kindern mitwirkt. Es kann aber auch ein Jugendlicher sein, der indizierte Bilder weiterleitet, ohne sich groß Gedanken darüber zu machen – bundesweit führen 54 Prozent der Hinweise aus den USA zu Jugendlichen. Dies aufzuklären sei ein Riesenaufwand und letztlich nur mit einem Durchsuchungsbeschluss möglich, was bei 75 Prozent der Hinweise auch geschehe. Einziger Lichtblick ist die unvermindert hohe Aufklärungsquote. Die lag auch bei den 375 Hinweisen 2021 bei mehr als 93 Prozent.
Zahl der Hinweise steigt nicht nur bei Kinderpornografie
Im K32 steigt aber nicht nur die Zahl der Hinweise auf Kinderpornografie. Gleiches gilt für die erfassten Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und den sexuellen Missbrauch von Kindern. „Die Lage ist schwierig, das leugnet auch niemand“, sagt Mäurer. Er verweist aber wie Kripo-Chefin van Anken auf die Bemühungen der vergangenen Jahre sowie eine Reihe weiterer Maßnahmen, die im Dezember auf den Weg gebracht wurden – von erneuten Personalverstärkungen über leistungsstärkere Computer und erweiterte Räumlichkeiten bis hin zu einer geplanten Erschwerniszulage für Beschäftigte des Kommissariats.
Wie weit Theorie und Praxis dabei auseinanderliegen können, zeigt die Personalentwicklung: 2018 betrug die Sollstärke im K32 18 Vollzeitstellen. Die wurde aufgestockt, zuletzt 2022 auf 27,5 Stellen und jetzt noch einmal auf 40,5 in diesem Jahr. Tatsächlich besetzt sind im Fachkommissariat rechnerisch derzeit 17,2 Stellen.