In Bremen hat es seit Jahresbeginn 88 sogenannte Impfdurchbrüche gegeben. Dabei handelt es sich um Fälle, bei denen sich Personen mit dem Coronavirus infiziert haben, nachdem sie vollständig geimpft waren. Nach Angaben der Gesundheitsbehörde war besonders die Gruppe der 20- bis 39-Jährigen mit 39 Fällen betroffen. Sowohl in Bremen als auch in Niedersachsen ist der Anteil von Infizierten unter den insgesamt Geimpften sehr niedrig.
Angesichts von 434.000 durchgeimpften Bremerinnen und Bremern entsprechen 88 Durchbrüche einem Anteil von 0,2 Promille. In Niedersachsen sind von Januar bis Juni in diesem Jahr 261 Menschen trotz einer vollständigen Impfung inklusive 14-tägiger Wartezeit an Covid-19 erkrankt. Dies teilte das Gesundheitsministerium in Hannover mit. Mehr als 4,3 Millionen Niedersächsinnen und Niedersachsen seien vollständig geimpft. Damit liegt hier die Quote der Impfdurchbrüche bei 0,06 Promille.
Die Bremer Zahlen beruhen auf telefonischen Befragungen von Infizierten zur Kontaktnachverfolgung. Die Ergebnisse werden noch einmal von Ärzten auf mögliche Widersprüche geprüft und ausgewertet, erläutert Lukas Fuhrmann, Sprecher der Gesundheitsbehörde. Von den rund 40 Geimpften, die in den vergangenen vier Wochen erkrankt sind, musste niemand stationär behandelt werden. „Die Symptome waren Husten, Kopfschmerzen, Fieber und Frösteln“, berichtet Fuhrmann.
„Die Impfung ist und bleibt der wirksamste Schutz vor einer Infektion mit dem Corona-Virus“, sagt Niedersachsens Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD). „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Person trotz vollständiger Impfung mit dem Virus ansteckt, ist sehr niedrig, aber nicht null.“ Komme es zu einer Ansteckung, sei die Viruslast stark reduziert, die Menschen hätten in der Regel einen milden Infektionsverlauf.
Das bestätigt Sebastian Springer, Professor für Zellbiologie an der Jacobs University Bremen (JUB). „Impfstoffe sind nicht in erster Linie dazu gedacht, Infektionen komplett zu vermeiden. Durch sie wird aber bei einer Infektion der Verlauf der Erkrankung erheblich abgemildert und zudem die Ansteckungsgefahr gesenkt, die vom Infizierten ausgeht.“ Der Wissenschaftler betont: „Das gilt auch für geimpfte Wiedererkrankte: Sie haben ein viel geringeres Risiko, schwer zu erkranken.“
Fuhrmann fast die Erkenntnis aus der Bremer Erhebung so zusammen: „Impfen hilft“. Auch Behrens appelliert, sich unbedingt impfen zu lassen. „Nur wenn ausreichend Menschen geimpft sind, wird der Herbst gut. Und nur so kommen wir einer Normalität, wie wir sie kennen, näher“, betont die Ministerin. „Die Impfung ist der wirksamste Weg aus der Pandemie.“
Könnte eine sogenannte Booster-Impfung, also eine dritte Injektion ein halbes Jahr nach der Zweitimpfung, die Zahl der Durchbrüche noch verringern? „Bei den Impfstoffen gegen SarsCov2 sind wir quasi noch in der Erprobungsphase“, sagt Springer. „Aber nach den Erfahrungen mit vielen anderen Impfstoffen kann man sagen, dass Booster-Impfungen die Zahl der Durchbrüche senken.“
Die Gesundheitsminister wollen besonders gefährdeten Gruppen von September an erneut eine Impfung ermöglichen. Dazu gehören sehr alte Menschen, Pflegebedürftige und Patienten mit einer Immunschwäche. Springer mahnt jedoch, das Gesamtbild im Auge zu behalten: „Die Forderung der WHO, mit den Drittimpfungen in den Industrieländern noch zu warten, ist berechtigt, solange die Impfrate in weiten Teilen der Welt noch gering ist. Denn je mehr Infizierte es global gibt, umso mehr Varianten des Virus entstehen.“
Fuhrmann verweist zudem darauf, dass in Bremen die über 60-Jährigen zu 88 Prozent durchgeimpft seien. Den vergleichsweise hohen Anteil der 20- bis 39-Jährigen bei den insgesamt seltenen Impfdurchbrüchen erklärt er sich auch mit der Aktivität dieser Altersgruppe: „Die gehen eben aus, ins Fitnessstudio oder Feiern.“ Insgesamt gebe es hier die höchsten Inzidenzen.
Dass die Wirkung der Covid-Impfstoffe bei Älteren schneller nachlässt, hält Springer nicht für erwiesen. „Nach jeder Impfung nimmt die Konzentration der Antikörper im Blut ab, auch bei Jüngeren“, erklärt der Wissenschaftler. „Corona-Impfstoffe rufen aber auch eine Gedächtnis-Antwort der B- und T-Zellen hervor, wobei die letzteren auch Varianten des Virus bekämpfen können. Gedächtnis-Antworten sind allerdings nur außerordentlich kompliziert zu messen.“ Aus einem niedrigen Antikörper-Wert allein, wie er häufiger bei Älteren einige Zeit nach der Impfung gemessen werde, lasse sich nicht schließen, dass der Körper keine Immunantwort mehr geben kann.