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WESER-Strand Talk Jörg Pilawa: Eigenbrötler, Quizmaster und Sozialaktivist

Einen Espresso, ein Nickerchen und ein Gespräch, das manchmal tiefer geht: Jörg Pilawa spricht im WESER-Strand-Talk mit Bärbel Schäfer über sein Leben abseits der Quizshows und zeigt überraschende Seiten.
27.04.2024, 15:31 Uhr
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Jörg Pilawa: Eigenbrötler, Quizmaster und Sozialaktivist
Von Timo Thalmann

Zum Auftakt einen Espresso, so empfing Bärbel Schäfer am Freitagabend Jörg Pilawa als Gast beim jüngsten WESER-Strand-Talk direkt an der Theke im Forum der Sparkasse an der Universität. Der Koffeinschuss funktionierte als Eisbrecher für das rund einstündige Gespräch, denn er spielte auf die Angewohnheit des bekannten Moderators von Quiz- und Showsendungen an, kurz vor jeder Veranstaltung ein kleines fünf bis zehnminütiges Nickerchen zu machen, auf neudeutsch auch Powernapping genannt. „Nur einmal habe ich dabei nahezu verschlafen, wurde um fünf nach acht wach, noch nicht umgezogen und ungeschminkt für die Live-Sendung um 20.15 Uhr“ plaudert Pilawa aus dem Nähkästchen. Große Aufregung, wie er überhaupt immer noch vor jedem Auftritt aufgeregt sei. „Vor allem heute, wo ich als Gast nicht den Ablauf bestimme."

Der war beim WESER-Strand-Talk gewohnt kurzweilig, unterbrochen von Spielen, Einspielern und - unvermeidlich für einen Quiz-Moderator - natürlich gibt es ein speziell auf ihn zugeschnittenes Ratespiel. Pilawa soll Quizsendungen an der Gestaltung der Antwortmöglichkeiten erkennen, die dem Zuschauer präsentiert werde. Kein Problem für ihn beim Klassiker „Wer wird Millionär“ mit den typischen vier Antworten A,B,C,D in weißer Schrift auf blauen Grund in den rechts und links spitz zulaufenden Rechtecken. Bei zwei der vier gezeigten Bilder scheiterte Pilawa. Sehr zur Erheiterung des Publikums betraf es beide Male das Design der von ihm moderierten Sendungen. „So sehe ich das ja nie“, entschuldigte sich Pilawa kleinlaut mit der Hand auf der Stirn.

Pilawa kann sich gut selbst aushalten

In diversen Varianten zielte Schäfer in ihrem Interview auf die Frage, ob der Pilawa, den alle auf der Bühne sehen, auch der echte, authentische Pilawa sei. Der Moderator glaubt schon. Aber natürlich sei er da wohl nicht immer der ganze Pilawa. „Meine Mutter denkt ja, ich mache das alles aus Therapiegründen.“ Er gesteht, eigentlich ein Eigenbrötler zu sein, was im Laufe des Abends noch einmal zur Sprache kommt, als um Hunt Island geht, eine Insel im kanadischen Neu-Schottland, die der Fernsehmoderator vor ein paar Jahren als Rückzugsort erworben hat. „Klingt immer so luxuriös, kostet aber weniger als eine Ferienwohnung an der Ostsee“, sagt Pilawa. Und überhaupt könne von Luxus keine Rede sein. Auf der Insel gebe es weder Strom noch fließend Wasser, nur eine einfache Holzhütte, da sei man ganz auf sich selbst zurückgeworfen. „Du hältst es gut mit Dir aus?“, fragte Schäfer und Pilawa nickt. Da er bei seiner Tätigkeit beständig andere Menschen mit seiner Anwesenheit behellige, sei es doch hilfreich, auch selbst mit sich gut auszukommen. „Das ist doch die Voraussetzung dafür, dass es auch andere hinbekommen“, findet er.

Sehen Sie hier den Weser-Strand-Talk mit Jörg Pilawa im Relive!

Ein anderer Aspekt, der nicht nur an dieser Stelle der Unterhaltung auftauchte, war der Begriff der „Erdung“. In Kanada ganz lebenspraktisch, in Pilawas Alltag hat häufig die Familie dafür gesorgt. „Kinder leben ausschließlich im Hier und Jetzt, da ist nur der Moment wichtig“, habe er gelernt. Er erzählt, wie er nach einer großen Sonnabendabend-Show spät und noch etwas aufgekratzt noch Hause kommt und seine noch kleine Tochter am frühen Sonntagmorgen nur ihrer Barbiepuppe repariert wissen möchte. „Die hat sich für den Showmaster nicht interessiert.“

Engagement für die Tafeln

Noch einmal geht es um seine Rückkopplung zum normalen Leben, als Pilawas Engagement gegen Armut in Deutschland zur Sprache kommt, etwa seine langjährige Unterstützung der Tafeln. Gerade erst hat er sogar eine Dokumentation dazu gedreht, sich dafür eine Woche bei einer Familie am untersten Ende der Einkommensskala einquartiert, um diesen Alltag mit 127 Euro Bürgergeld pro Woche zu teilen. „Ist schon klar, ich bin da irgendwann wieder weg, wirklich leben tue ich das nicht“, sagt er. Aber die Zeit vor Ort sei schon echt, das Erleben authentisch und vielleicht könne der Fernsehmensch Pilawa ja mehr bewirken, wenn er über das Thema spricht als der unbekannte Sozialarbeiter.

Dass er das Thema tatsächlich tiefer durchdringt, wird schnell deutlich. Pilawa kann die Fakten dazu aus dem Stand referieren. Er spricht über verfestigte Armutsstrukturen, vererbte Armut und dass dies in einem reichen Land wie Deutschland eigentlich ein lösbares Problem sein sollte. Schäfer schlägt ihm vor, doch vollends in die Politik einzusteigen, doch Pilawa zieht eine Grimasse. Erst spricht er von „Kindergarten“, korrigiert sich dann aber und lobt das Engagement vor allem der Feierabend-Politiker in den Städten und Gemeinden. „Aber ich bin das eher nicht.“

Es wird sichtbar, dass auch der Gute-Laune-Mensch Pilawa seine Widersprüche mit sich trägt. Er gibt zu, ein Eigenbrötler zu sein, engagiert sich aber gesellschaftlich. Und er sagt zugleich, nichts interessiere ihn so sehr, wie andere Menschen. Das sei im Übrigen ja auch das Spannende am Moderieren. Und Quizsendungen seien ja heute außerdem halbe Talk-Shows. Das Publikum hat ihn an diesem Abend mit Applaus empfangen, es entlässt ihn nach einer Stunde mit noch mehr Applaus.

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