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Streit mit Bremer Ämtern Sozialleistungen gestrichen: "Ich bin kurz davor, alles zu verlieren"

Sören Meyer steht ohne Einkünfte da. Nach drei Jahren wurde dem schwer kranken Bremer die Erwerbsminderungsrente gestrichen. In einem Ämter-Marathon lehnt auch das Jobcenter seinen Antrag auf Bürgergeld ab.
08.10.2024, 18:43 Uhr
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Von Ragna Herzog

Sören Meyer hat ein Problem: Drei Jahre erhielt der 47-Jährige aufgrund seiner Narkolepsie-Erkrankung eine volle Erwerbsminderungsrente von der Deutschen Rentenversicherung. Doch nach dem Gutachten einer Amtsärztin wurde ihm die Rente zum April dieses Jahres gestrichen. Seitdem hat Sören Meyer keine Einkünfte mehr. In einem Ämter-Marathon lehnt auch das Jobcenter seinen Antrag auf Bürgergeld ab.

Bereits mit 17 Jahren erkrankte Sören Meyer an Narkolepsie, der sogenannten Schlafkrankheit. Die Betroffenen sind tagsüber ungewöhnlich schläfrig und neigen dazu, plötzlich einzuschlafen. Als bei Meyer die Krankheit ausbricht, beginnt gerade seine Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur. "Damals waren die Auswirkungen meiner Krankheit noch nicht so ausgeprägt", berichtet der 47-Jährige heute.
Vor 14 Jahren seien die Symptome seiner Schlafkrankheit dann schlimmer geworden. "Meine Hausärztin diagnostizierte eine zusätzliche Kataplexie", erzählt Meyer. Das bedeutet, dass es neben einer exzessiven Tagesschläfrigkeit auch zur totalen Muskelerschlaffung kommen kann. "Dann fällt man einfach um", so Meyer.

2017 ist Sören Meyer nicht mehr leistungsfähig. "Ich schlief ständig ein", erzählt er. Auch nachts habe er – typisch für die Erkrankung – keine Ruhe gefunden. Zwei Jahre später, so erzählt er, rät ihm seine Hausärztin, eine Frührente zu beantragen. Doch Meyer weigert sich, er will arbeiten gehen. Ende 2019 willigt er schließlich ein. "Ich war am Ende meiner Kräfte", sagt er. Im November 2020 wird ihm eine hundertprozentige Erwerbsminderungsrente bewilligt.

Prüfungstermin dauert 15 Minuten

"Im November 2023 sollte ich zu einem Prüfungstermin durch eine Amtsärztin der Rentenversicherung kommen", erzählt Meyer. Die Amtsärztin habe zum Termin keine Unterlagen über seinen Fall vorliegen gehabt. "Sie hat mich gefragt, ob ich Unterlagen hätte", erzählt er. Die Nachfrage, ob sich die Ärztin denn mit der Narkolepsie-Erkrankung auskenne, soll diese verneint haben. "Das kam mir sehr komisch vor." Der Termin, so sagt er, habe 15 Minuten gedauert.

Im März 2024 erhält Sören Meyer dann einen Bescheid von der Rentenversicherung, dass seine Frührente eingestellt wird. "Ich war total schockiert", sagt er. "Die Amtsärztin hatte entschieden, dass ich 30 Stunden pro Woche arbeiten gehen könne", so der 47-Jährige. "Und plötzlich stand ich ohne jegliches Einkommen da."

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"Im Gutachten steht, dass Herr Meyer aktuell keine Symptomatik mit imperativem Tagesschlaf aufweist", erklärt Björn Watermann, Sprecher der Rentenversicherung. Weiter sei eine Verbesserung der Leistungen von Herrn Meyer laut Gutachten zu erwarten. Es werde eine sitzende Bürotätigkeit bei Arbeitswiederaufnahme empfohlen, mit gelegentlichem Aufstehen – damit der Betroffene nicht einschlafe. Meyer legt Widerspruch ein.

Ein Ämter-Marathon beginnt

Sören Meyer stellt daraufhin einen Antrag auf Arbeitslosengeld beim Arbeitsamt. Wochen vergehen, ohne dass Meyer einen Bescheid erhält. Dann wird er aufgefordert, Krankengeldbelege von April bis Mai 2019 vorzulegen. Doch in diesem Zeitraum bekam Meyer kein Krankengeld, da Bescheinigungen seiner Krankmeldung verloren gingen. "Das war fünf Jahre vor meiner Antragsstellung", sagt Meyer. "Ich verstehe nicht, was das mit meinem Antrag zu tun hat." Sein Antrag wird zwei Monate nach Antragsstellung abgelehnt.

Das Arbeitsamt teilt dem WESER-KURIER dazu mit: "Da es sich um eine Unterbrechung der Krankengeld-Zahlung von mehr als einem Monat handelt, gelten alle weiteren Zeiträume nicht mehr als versicherungspflichtige Zeiträume. Auch nicht die Erwerbsminderungsrente." Daher lautet der schriftliche Ablehnungsgrund: "Herr Meyer war in den letzten 30 Monaten nicht versicherungspflichtig und hat daher keine Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erfüllt." Sören Meyer legt auch hier Widerspruch ein.

Auch kein Bürgergeld

Der 47-Jährige wendet sich ans Jobcenter, um Bürgergeld zu beantragen. "Meine Lage war ernst", so Meyer. "Ich konnte meine Rechnungen nur bezahlen, indem ich mir privat Geld lieh." Auch die Bearbeitung des Bürgergeld-Antrags dauert Monate. "Ich war wirklich mit meinen Kräften am Ende", sagt Meyer. Ende August wird auch dieser Antrag abgelehnt. "Da meine Frau eine Erwerbsminderungsrente von 1200 € erhält, hieß es, dass wir genug Geld hätten", erklärt Meyer. Eine Zahlung für Wohnkosten wird für Meyer, der in einem Haus wohnt, nicht mit eingerechnet. "Dass ich Raten abzahlen muss, scheint völlig egal zu sein."

Eine Sprecherin der Arbeitnehmerkammer schreibt dazu: "Im ersten Jahr des Leistungsbezuges werden auch die tatsächlichen Wohnkosten gezahlt – im Ergebnis auch die Kredittilgung." Seine Krankenkasse fordert mittlerweile 1000 Euro Nachzahlung. Sören Meyer legt Widerspruch beim Jobcenter ein. Er wisse nicht, wie es weitergehen soll.

Meyer wendet sich Anfang September an das Sozial- und Wohngeldamt. "Hier wurde mir gleich mitgeteilt, dass ich keine Leistungen erhalten werde", erzählt er. Sören Meyer fordert jetzt Einsicht in sein Gutachten. Gegen die Beendigung der Rentenzahlung hat er Klage eingereicht.

Zur Sache

Das ist Narkolepsie

Laut der Deutschen Hirnstiftung ist das Hauptsymptom einer Narkolepsie eine exzessiv gesteigerte Tagesschläfrigkeit, bei der es zu schlafassoziierten Halluzinationen, Schlaflähmungen oder automatischem Verhalten kommen kann. Das automatische Verhalten meint, dass Personen, die an der Erkrankung leiden, im Schlaf übliche Tätigkeiten weiter ausführen könnten, ohne dies bewusst zu bemerken.
Es gibt zwei Typen von Narkolepsie – entweder in Kombination mit Kataplexie (Typ 1) oder ohne Kataplexie (Typ 2). Kataplexie bedeutet, dass nach heftigen, meist positiven Emotionen ein Muskeltonusverlust auftreten kann, bei dem man das volle Bewusstsein behalten kann. Dies kann zur totalen Erschlaffung der Muskeln führen – bis hin zum Sturz und zur Bewegungsunfähigkeit. Die Häufigkeit der Narkolepsie Erkrankungen des Typs 1 wird in Europa auf ca. 0,02–0,18 % geschätzt.

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