Die sogenannte Alternative für Deutschland darf nicht an die Schalthebel der Macht kommen, nicht mal in deren Nähe. Die Partei der Höckes und Weidels hat sich über die Jahre stetig radikalisiert und stellt inzwischen eine Gefahr für die Demokratie dar. Es ist daher legitim, zumindest darüber nachzudenken, ob diese Truppe notfalls mit einem Verbotsverfahren gestoppt werden muss. Der Verweis auf die deutsche Geschichte hat seine Berechtigung: Die Feinde der offenen, pluralistischen Gesellschaft darf man kein zweites Mal zu lange gewähren lassen.
Bis zu diesem Punkt kann man den Befürwortern eines AfD-Verbots, in die sich auch der Bremer SPD-Fraktionschef Mustafa Güngör eingereiht hat, durchaus folgen. Was aber in linken Kreisen meist völlig fehlt, ist Selbstkritik. Also die Beschäftigung mit der Frage, ob man durch schlechte Politik eine größere Zahl von Wählern regelrecht in die Arme der Rechtsextremisten getrieben hat.
Zu dieser Überlegung besteht aller Anlass. Die SPD-geführte Bundesregierung hat in ihren ersten beiden Amtsjahren nicht nur haarsträubende handwerkliche Fehler gemacht, für die beispielhaft das Gewürge um das Heizungsgesetz steht. Sie bietet nicht nur ein Bild heilloser Zerstrittenheit. Sie muss sich auch ganz konkrete Versäumnisse zurechnen lassen. Am deutlichsten wird das in der Migrationspolitik, also bei einem Problem, für das es besonders dringend Lösungen braucht, wie aus allen einschlägigen Umfragen deutlich wird.
Warum das so ist, kann man in Bremen inzwischen in jedem Stadtviertel besichtigen. Die regulären Aufnahmekapazitäten für Flüchtlinge sind längst überfüllt. Die Sozialbehörde ist deshalb gezwungen, immer neue Provisorien für hohe zweistellige Millionenbeträge anzumieten und sogar Zelte und Behelfsbauten aufzustellen, wie etwa auf dem Gelände des Klinikums Mitte, wo bis zu 800 Menschen zusammengepfercht sind. Natürlich ohne angemessene Betreuung, denn dafür fehlt längst das Personal.
In breiten Schichten der Bevölkerung – übrigens auch der etablierten Zuwanderer – macht sich das Gefühl breit, dass diese Entwicklung nicht mehr lange gut gehen kann. Und sie geht ja schon jetzt nicht mehr gut, was sich unter anderem am Wohnungsmarkt zeigt.
Wenn Deutschland allein 2023 eine Netto-Zuwanderung von 1,5 Millionen Personen aufwies und zugleich der Wohnungsbau massiv einbrach, bedeutet das: weiter steigende Mieten. Auch in anderen Bereichen sind die Auswirkungen der verfehlten Zuwanderungspolitik spürbar, etwa im Bildungssektor. Erst wenige Tage alt ist diese Meldung: Von den Erstklässlern, die 2022 in Bremen eingeschult wurden, konnten 40 Prozent nicht gut genug Deutsch, um dem Unterricht folgen zu können. Dass bei solchen Ausgangsbedingungen und dem Mangel an pädagogischem Personal langfristig keine guten Ergebnisse zu erwarten sind, liegt auf der Hand.
Wie reagiert die SPD auf die unabweisbare Notwendigkeit, die Zuwanderung entschieden zu bremsen und damit einen Kollaps des Wohnungsmarktes, der Schulen und der staatlichen Versorgungssysteme abzuwenden? Sie fordert auf ihrem Bundesparteitag Mitte Dezember einen erleichterten Familiennachzug für bestimmte Zuwanderergruppen. Also nicht weniger Migration, sondern mehr.
Wer in einem sozial belasteten Stadtteil wohnt und nicht das nötige Geld hat, um seine Kinder auf eine Privatschule zu schicken, denkt da möglicherweise: Die Sozis haben nicht mehr alle Tassen im Schrank, die wähle ich nie wieder. Und manche dieser Enttäuschten wenden sich auch der AfD zu. Man kann das bedauern. Nur wundern darf man sich nicht.
Bevor sie nach einem Verbot der AfD rufen, sollten sich die Sozialdemokraten also ehrlich fragen, was sie selbst zum Erstarken der rechten Antidemokraten beigetragen haben. Und sie sollten schnellstens Schlüsse daraus ziehen. Sonst ergeht es ihnen wie manchen ihrer europäischen Schwesterparteien, etwa den französischen Sozialisten. Die hätten vor zehn Jahren auch nicht geglaubt, dass sie mal in der Bedeutungslosigkeit versinken.