Ende Oktober ist es auf einer Großbaustelle in der Hamburger Hafencity zu einem tödlichen Arbeitsunfall gekommen: Ein Gerüst, auf dem sich mehrere Bauarbeiter befanden, stürzte vom achten Stock in einen Fahrstuhlschacht. Fünf Männer kamen ums Leben. Wie es zu dem Unfall am 30. Oktober kam, wird noch ermittelt.
Auch in Bremen ereignete sich an diesem Tag ein tödlicher Arbeitsunfall: Bei Arbeiten auf einem Flachdach stürzte ein Mann mehrere Meter tief durch eine Lichtkuppel. „Es handelte sich um Restarbeiten auf dem Dach. Normalerweise müssen unterhalb solcher Lichtkuppeln im Gebäude Sicherheitsnetze gespannt sein, in diesem Fall war es aber noch nicht wieder angebracht. Der Mann stürzte in die Tiefe und starb an seinen schweren Verletzungen“, berichtet Gertrud Vogel, Leiterin der Gewerbeaufsicht im Land Bremen.
n diesem Jahr ist es der sechste tödliche Arbeitsunfall in der Hansestadt. Ein weiterer Mann stürzte laut der Amtsleiterin von einem Gerüst, das einbrach. Zwei Arbeiter wurden auf Betriebsgeländen von Fahrzeugen überfahren, in zwei weiteren Fällen wurden Beschäftigte von Maschinen eingequetscht. „Das sind so viele tödliche Arbeitsunfälle wie in den beiden Vorjahren zusammen, 2021 und 2022 kamen jeweils drei Menschen bei der Arbeit ums Leben“, so Vogel.
Die Statistik der Bremer Gewerbeaufsicht zu Arbeitsunfällen insgesamt lässt eine weitere Tendenz erkennen: „Nach einem Rückgang der Unfallzahlen während der Pandemie ist im stadtbremischen Gebiet eine gravierende Zunahme der gemeldeten Unfälle zu verzeichnen“, so die Amtsleiterin. 2019 wurden in der Stadt Bremen 1753 Arbeitsunfälle gemeldet, im vergangenen Jahr waren es 2167. In Bremerhaven dagegen sank die Zahl in diesem Zeitraum von 1085 auf 704. Mit Blick auf das Bundesland bewegen sich die Unfallmeldungen etwa auf dem Niveau vor der Pandemie. Für das laufende Jahr gibt es noch keine Gesamtstatistik. Bundesweit sinken – bis auf einzelne Schwankungen – die Zahlen gemeldeter tödlicher und nicht-tödlicher Arbeitsunfälle seit Jahrzehnten.
„Das ist generell natürlich eine positive Entwicklung, aber jeder einzelne Unfall ist schrecklich. Gleichwohl ist der Rückgang auch dem geschuldet, dass es immer weniger verarbeitendes Gewerbe gibt“, sagt Vogel. „Ob es sich in Bremen um einen gegenläufigen Trend handelt, ist im Moment noch nicht zu erkennen.“ Die Gewerbeaufsicht ist für die Einhaltung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in Betrieben zuständig.
Jeder einzelne tödliche Arbeitsunfall wird laut Vogel – neben Ermittlungen durch Polizei und Staatsanwaltschaft – von der Gewerbeaufsicht genau untersucht. Fragen, denen sie nachgehen: Wie kam es zu dem Unfall? Gab es Verstöße gegen gesetzliche Arbeitsschutz-Vorgaben? Wurden Maschinen regelmäßig kontrolliert und gewartet? Wurden die Mitarbeiter ausreichend in Sicherheitsmaßnahmen unterwiesen? „Auch bei nicht-tödlichen Arbeitsunfällen ermitteln wir, zum Beispiel bei Massenunfällen oder anderen Auffälligkeiten. Dies ist bei etwa ein bis zwei Prozent des Unfallgeschehens der Fall“, erklärt Vogel. Auch unabhängig von Unfällen kontrollieren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Amtes die Betriebe im Land Bremen. „Es geht um Prävention“, so die Behördenleiterin.
Als zunehmenden Risikofaktor für Arbeitsunfälle, insbesondere auf Baustellen und in verarbeitenden Betrieben, hat die Gewerbeaufsicht unter anderem Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt ausgemacht: „Fachkräftemangel, Zeit- und Arbeitsdruck führen nicht selten dazu, dass allgemeine Unterweisungen zum Arbeitsschutz, Wartungen von Maschinen, Kennzeichnung von Verkehrswegen auf Betriebsgeländen nicht so ausgeführt werden, wie es vorgeschrieben ist“, erklärt die Amtsleiterin. Dazu kämen sprachliche Barrieren, etwa bei Mitarbeitern aus dem Ausland. „Dies hat Einfluss auf das Unfallrisiko.“
Besonders unfallträchtig sind laut Vogel in Bremen Branchen wie das Baugewerbe, Lagerei, Verkehr, Spedition und Logistik. „Hier ist zum einen der Anteil ungelernter Arbeitskräfte und von Menschen mit sprachlichen Barrieren hoch. Häufig kommen automatische Verladeanlagen zum Einsatz, auf Betriebsgeländen herrscht viel Verkehr.“ Wo Menschen und Fahrzeuge oder Maschinen aufeinanderträfen, sei es generell gefährlich. „Erst recht dann, wenn der Arbeitsschutz nicht entsprechend praktiziert wird.“
Im kommenden Jahr will die Gewerbeaufsicht den Arbeitsschutz in diesen Branchen zusätzlich zu einem Schwerpunkt-Programm machen. „Wir werden Betriebe gezielt aus diesen Bereichen überprüfen, mit Termin, aber auch unangekündigt“, betont Vogel.