Fast jede dritte Ausbildung im Bereich der Pflege in Bremen wurde zuletzt abgebrochen. Das ist zumindest der Befund für den ersten im Jahr 2020 gestarteten sogenannten generalistischen Ausbildungsgang zum Pflegefachmann/-fachfrau, dessen Absolventen in Kliniken und Altenpflegeeinrichtungen gleichermaßen arbeiten können und jetzt auf den Arbeitsmarkt kommen. In absoluten Zahlen: Von 570 jungen Menschen, die vor drei Jahren starteten, haben jetzt knapp 400 einen Abschluss in der Tasche. Mehr als 170 sind somit der Pflege verloren gegangen. „Wir können es uns aber nicht leisten, dass junge Menschen diese Ausbildung abbrechen. In der Pflege brauchen wir dringend mehr ausgebildete Fach- und Assistenzkräfte“, kommentiert Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Die Linke) die Auswertung.
Mit dem neuen Projekt „Pflegeausbildung – Bleib dran“ will sie nun gegensteuern. Rund 300.000 Euro stehen dafür in den kommenden drei Jahren bereit, jeweils zur Hälfte finanziert von der Gesundheitssenatorin und der Arbeitnehmerkammer. Es ist die Ausweitung eines ähnlichen, bereits bestehenden Angebots für andere Ausbildungsgänge. „Damit sind wir schon seit Längerem an den Berufsschulen in Bremen etabliert, nun sind wir auch an den Pflegeschulen präsent“, sagt Elke Heyduck, Geschäftsführerin der Arbeitnehmerkammer.
Konkret ist künftig vor allem Anke Schmidt vor Ort tätig, die als Beraterin in Problemfällen helfen soll, vorschnelle Ausbildungsabbrüche zu verhindern. „Wir werden die jungen Leute nicht um jeden Preis in der Ausbildung halten, aber wir wollen zeigen, dass es bei Schwierigkeiten auch Lösungen ohne vorschnellen Ausstieg gibt“, beschreibt die Sozialpädagogin ihre Tätigkeit. Ansprechbar ist sie von allen Seiten: Auszubildende, Pflegeschulen und auch die Praxisanleiter in den Kliniken und Pflegeeinrichtungen können sich bei Konflikten und Problemen an sie wenden. Regelmäßige Sprechstunden in allen neun Pflegeschulen in Bremen und Bremerhaven sind der Kern des Angebots. Bei Bedarf kommt Schmidt auch in die Pflegeeinrichtungen.
Aus der Erfahrung in den bisherigen „Bleib dran“-Projekten“ erwartet sie zwei große Themenfelder, in denen sich die aus ihrer Sicht lösbaren Probleme häufen dürften. Das sind zum einen die schulischen Anforderungen. „Der Pflegeberuf ist anspruchsvoll und das Lernpensum groß. Dazu kommen bei vielen Auszubildenden sprachliche Hürden.“ Laut Schmidt nicht allein aufgrund eines Migrationshintergrundes, sondern häufig auch als schulisches Defizit, etwa beim Textverständnis und der Fähigkeit, sich Wissen anzulesen. „Da muss die Berufsausbildung heute häufig nachsteuern.“
Das zweite größere Konfliktfeld fasst sie unter dem Stichwort „Praxisschock“ zusammen. Das könne einerseits die Konfrontation mit dem Leid oder sogar dem Tod der Patienten und Pflegebedürftigen sein. Nicht zu unterschätzen seien aber auch Faktoren wie die Arbeitsbelastung oder die Arbeitsatmosphäre auf den jeweiligen Stationen. Heyduck wies auf Studien der Arbeitnehmerkammer hin, die zeigten, dass etwa der Führungsstil einer Pflegedienstleitung auch bei langjährigen Pflegekräften ein wichtiger Faktor für den Berufsausstieg darstelle. „Da müssen manchmal auch die Einrichtungen nachsteuern, wenn sie Personal und Nachwuchs finden und binden wollen“, sagt Schmidt. In solchen Fällen verstehe sie ihre Rolle als eine Art Mediatorin, die bei Konflikten vermittele und beiden Seiten helfen könne, ihr Verhalten zu reflektieren.
Bernhard hofft, die Abbrecherquote auf eine einstellige Prozentzahl zu drücken. „Wir können hier mit relativ wenig Budget sehr viel erreichen“, hebt sie hervor. Das zunächst auf drei Jahre angelegte Projekt sollte bei entsprechender Wirkung dauerhaft fortgesetzt werden. Laut dem Gesundheitsmonitoring ihres Hauses wird die Fachkräftelücke in der Pflege weiter anwachsen und könnte 2025 um 700 Personen größer sein als heute. Insgesamt sind in Bremen rund 11.0000 Beschäftigte direkt mit der Pflege befasst.