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Debatte in der Bürgerschaft So lief der Wahltalk des WESER-KURIER mit Bremer Spitzenkandidaten

Handels-, Handwerks- und Arbeitnehmerkammer hatten zusammen mit dem WESER-KURIER die Bremer Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl zu Gast. Welche Antworten hatten sie auf die Fragen von Redaktion und Lesern?
12.02.2025, 22:25 Uhr
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Von Timo Thalmann Justus Randt

Es lag wohl nicht zuletzt an den Aussagen der beteiligten Handels-, Handwerks- und Arbeitnehmerkammer, dass es beim Wahl-Talk des WESER-KURIER in der Bürgerschaft hauptsächlich um die Themen Wirtschaft, Arbeit, Steuern und Investitionen ging. Aber natürlich wurden die Bremer Spitzenkandidaten Ulrike Hiller (SPD), Kirsten Kappert-Gonther (Grüne), Thomas Röwekamp (CDU), Volker Redder (FDP), Doris Achelwilm (Linke) und Sergej Minich (AfD) von dem Berlin-Korrespondenten des WESER-KURIER Markus Peters sowie Chefredakteur Benjamin Piel auch zur inneren Sicherheit und Migrationspolitik befragt.

Neben vielfach bekannten Positionen gab es im Laufe der über zweistündigen Runde vor rund 200 Zuhörern auch einige unerwartete Aussagen. So gestand Röwekamp der vormaligen Ampelregierung zu, nicht an der aktuellen wirtschaftlichen Strukturkrise Schuld zu sein. Die habe tiefere Ursachen, die länger als drei Jahre zurückreichten. Hiller schloss sich wiederum als Einzige auf dem Podium Röwekamps Forderung zur anlasslosen Speicherung von IP-Adressen im Internet an. Redder bezeichnete eine Reform der Schuldenbremse zwar als „letztes Mittel“, aber schloss sie nicht absolut aus.

Was zum Thema Wirtschaft gesagt wurde:

Röwekamp machte vier Faktoren für die aktuelle Rezession verantwortlich: zu hohe Energiekosten, zu viel Bürokratie, zu hohe Arbeitskosten und zu hohe Steuern. Alles zusammen bremse die Entwicklung. „Und um diese Hindernisse zu lösen, braucht es nicht in erster Linie mehr Staatsknete, sondern weniger Regulierung.“ Eine ähnliche Einlassung kam von Redder, der mehr Freiraum für Unternehmen forderte. Es sei inzwischen soweit, dass selbst Unternehmer nicht mehr investierten, weil sie auf staatliche Intervention setzten. „Dieses Mindset zu verändern, ist auch Teil der Wirtschaftswende.“

Kappert-Gonther plädierte für Investitionen in den Klimaschutz und die Infrastruktur, sowohl staatlich als auch aus privater Hand. „Dafür brauchen die Unternehmen natürlich Planungssicherheit.“ In diesem Zusammenhang angesprochen auf die Äußerung von Alice Weidel, man werde alle Windräder niederreißen, sprach Minich von einer Übersubventionierung, die es abzubauen gelte. „Ein Windrad, das sich nur durch Staatsgeld rechnet, muss weg.“

Was zur Schuldenbremse gesagt wurde:

Grundsätzlich verteidigt hat die Schuldenbremse nur der AfD-Vertreter. „Sie verhindert linke Träumereien auf Staatskosten.“ Die AfD wolle Bürger und Unternehmer zudem radikal steuerlich entlasten, dafür beim Bürgergeld sparen, insbesondere wenn weniger Flüchtlinge zu versorgen seien. Für den liberalen Redder ist die Schuldenbremse „kein Glaubensbekenntnis“, aber eine Reform nur die „letzte Möglichkeit“, wenn man zuvor alle anderen Möglichkeiten genutzt habe. Röwekamp flankierte diese Haltung mit dem Hinweis auf rund eine Billion Euro Steuermittel, die der Staat Jahr für Jahr einnehme. „Es muss doch möglich sein, mit diesem Geld auszukommen.“

Anders die Kandidaten von SPD, Grünen und Linken: Sie alle hielten eine Reform der Schuldenbremse für unumgänglich, um notwendige staatliche Investitionen finanzieren zu können. Achelwilm brachte auch die Vermögens- und Erbschaftssteuer ins Spiel. Sie verstehe gar nicht, warum private Milliardenvermögen immer verteidigt werden. „Das Geld ist meist nicht von den Besitzern erwirtschaftet worden.“ Der Wegfall der Vermögenssteuer habe allein für Bremen Einnahmeverluste von zwei Milliarden Euro bedeutet.

Was zum Bürokratieabbau gesagt wurde:

André Grobien, Präses der Handelskammer, hatte den Fokus auf diesen Aspekt gelegt und erntete durchgehende Zustimmung, allerdings mit unterschiedlichen Akzenten. Röwekamp sah ein grundsätzliches Misstrauen des Staates, der darum den Unternehmen übertriebene Dokumentationspflichten aufdrücke. Redder machte vor allem EU-Vorgaben verantwortlich, die Deutschland aber stets in Deluxe-Ausführung umsetze. Auch Achelwilm sah einen „Grenznutzen“, wenn mittelständische Unternehmen bis zu 1000 Datenpunkte angeben sollten, etwa beim Lieferkettengesetz. Hiller machte auf einen Praxischeck aufmerksam, den die Ampel-Regierung eingeführt habe, wenn es neue Gesetze gebe, die Unternehmen neue Pflichten auferlege. „Aber ganz ohne Dokumentation geht es bei vielen Themen nicht.“

Was zur inneren Sicherheit gesagt wurde:

An mehreren Stellen der Debatte wurde ein verändertes Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beklagt. Die Sozialdemokratin Ulrike Hiller machte auch die Abfolge von Pandemie und Ukrainekrieg dafür verantwortlich. „Diese Ereignisse haben viele insgesamt erschüttert.“ Doris Achelwilm sieht auch die fortwährende Verstärkung einzelner Ereignisse durch soziale Medien als Grund für ein schlechteres Sicherheitsgefühl. Konkret wurde es beim Thema Vorratsdatenspeicherung, die FDP, Grüne, Linke und AfD in seltener Einmütigkeit ablehnten.

Wie der Talk bei Wählerinnen und Wählern ankam

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