Herr Böhme, der zweite Kita-Gipfel steht an – der erste fand im Februar 2023 statt. Ziel ist im Wesentlichen der Austausch dazu, wie man den Kita-Ausbau vorantreiben und die Lage in den Kitas verbessern kann. Hat sich seit dem ersten Kita-Gipfel überhaupt etwas verändert?
René Böhme: Ein Jahr ist eine relativ kurze Zeitspanne, aber es gibt schon sichtbare Ergebnisse. Durch den Kita-Gipfel ist eine Werbekampagne für den Erzieherberuf in den Abschlussklassen entstanden. Die praxisintegrierte Erzieherausbildung wurde gestärkt, und es gibt jetzt die Möglichkeit eines Berufseinstiegsjahrs, damit angehende Erzieher während der Ausbildung schon als Zweitkräfte in den Kitas arbeiten können. Allerdings sind die Probleme im Kita-System riesig. Und die Vorstellungen der Akteure – Träger, Eltern, Beschäftigte und Politik – gehen weit auseinander. Ich habe nicht erwartet, dass man in einem Jahr die Quadratur des Kreises lösen kann.
Der DGB ist beim zweiten Kita-Gipfel als Mitveranstalter ausgestiegen. Angesichts von Bremens aktueller Haushaltslage lasse sich sowieso kein großer Kita-Pakt schmieden, so die Begründung – weil schlicht das Geld dafür fehlt. Ist also von vorneherein klar, dass vor allem diskutiert wird und kaum gehandelt?
Die Handlungsspielräume sind extrem begrenzt, das ist klar. Das trifft auch mit Blick auf den Bund zu, von dem es mehr finanzielle Unterstützung geben müsste. Im Bund wurde zwar das Kita-Qualitätsgesetz beschlossen, das ist aber nur ein Baustein. Ich kann da auch Akteure verstehen, die sich frustriert zurückziehen, und sagen, unter diesen Rahmenbedingungen kann man kaum etwas machen.
Das größte Problem in Bremens Kitas ist wohl der Fachkräftemangel. Damit ringen auch andere Bundesländer. Sie haben sich mit Strategien der Länder befasst: Gibt es etwas, was man anderswo besser macht, wo Bremen sich etwas abgucken könnte?
Es ist immer die Frage, was man als besser bewertet... Es gibt eine ganze Reihe von Kommunen, die es als Erfolg ansehen, dass sie die Betreuungszeit verkürzt haben – zum Beispiel die Stadt Osnabrück. Durch die Verkürzung habe man mehr Fachkräfte gewonnen, heißt es, weil man den Beschäftigten geregeltere Arbeitszeiten von 8 bis 14 Uhr bieten kann. Aber ist das wirklich besser? Es würde in Bremen einen enormen Aufschrei geben, wenn man hier die Betreuungszeit auf 14 Uhr verkürzen würde.
Gibt es denn eine andere Stadt, die etwas gemacht hat, was Sie interessant finden?
Die Stadt Offenburg hat zum Beispiel ihren Kitas ermöglicht, die Nachmittagsbetreuung an einen externen Dienstleister zu vergeben. Das heißt, die Kitas bieten den Kindern von 7.30 bis 14.30 Uhr Bildungszeit mit Fachkräften. Und am Nachmittag übernimmt dann der Malteser Hilfsdienst, dann betreuen sogenannte Spielzeit-Begleiter die Kinder. Und die müssen keine pädagogische Ausbildung haben – für die Malteser gilt anders als für die Kitas kein Fachkräftegebot. In Offenburg hat man nach neun Monaten eine Befragung gemacht, und es gab eine überwältigend positive Resonanz.
Was müsste Ihrer Meinung nach jetzt als Erstes geschehen, um die Kita-Krise zu entschärfen?
Ein erster Schritt war es, neue Zielgruppen für die Arbeit in der Kinderbetreuung anzusprechen – das hat man nach dem ersten Kita-Gipfel gemacht. Jetzt muss man diese neuen Gruppen berufsbegleitend weiterqualifizieren. Wir brauchen ein großes bundesweites Weiterbildungsprogramm, um Quereinsteiger schneller als bisher für die Arbeit in den Kitas zu qualifizieren. Gerade wenn wir jetzt Leute gewinnen wollen, die mitten im Leben stehen, dann ist klar: Die gehen nicht nochmal fünf Jahre auf die Schulbank, um Erzieher zu werden.
Das Gespräch führte Sara Sundermann.