An diesem Donnerstag beginnt der zweite Bremer Kita-Gipfel. Was erwarten Eltern, Erzieherinnen, Kita-Träger und Kinderärzte sich davon – und was ist für sie derzeit das größte Problem? Vier Perspektiven auf die Kita-Krise.

Malte Domsky ist Vater von zwei Kindern und im Vorstand des Gesamtelternbeirats der evangelischen Kitas in Bremen.
Malte Domsky, Vater von zwei Kindern und Vorstand im Gesamtelternbeirat der evangelischen Kitas in Bremen:
Das Problem, das Eltern haben, ist oft, dass viele Arbeitgeber nach Corona kein Verständnis mehr dafür haben, wenn Eltern sagen, ich kann nicht zur Arbeit kommen, weil die Kita ausfällt. Viele Eltern verkürzen wegen fehlender Betreuung ihre Arbeitszeit, das bringt auch finanziell Einschnitte für Familien mit sich.
Ich erwarte vom zweiten Kita-Gipfel, das nicht wie beim ersten Gipfel große Sprüche geklopft werden, sondern auch mal Ideen in die Tat umgesetzt werden. Nach dem ersten Kita-Gipfel hieß es zum Beispiel, es solle eine große Social-Media-Werbekampagne geben, um mehr Erzieherinnen zu gewinnen. Davon habe ich bis heute nichts gesehen.
Es muss überhaupt erstmal ermöglicht werden, dass die 5000 Kinder, die auf der Straße stehen, eine Betreuung bekommen. Man muss auch über neue Betreuungskonzepte nachdenken und versuchen, darüber mehr Erzieherinnen anzulocken.

Kita-Leiterin und Erzieherin Sinja Burbach leitet die Kita ”Metas Kinnerhus” vom freien Träger Scola Nova in Oberneuland.
Sinja Burbach, Erzieherin und Leiterin der Kita "Metas Kinnerhus" in Oberneuland:
Wir müssen mal aufhören, darüber zu reden, was nicht geht. Das Kita-System ist an die Wand gefahren. Wir haben nicht genug Fachkräfte. Es ist klar, dass die nächsten zehn Jahre hart werden. Aber wir müssen jetzt das Beste draus machen und nach vorne gucken. Wir müssen mehr Leute ins System holen, die Quereinsteiger sind und sich die Arbeit in den Kitas zutrauen. Wir müssen diese Leute aber dann auch begleiten.
In unserer Kita haben wir jetzt sechs Erzieherstellen mit Quereinsteigern besetzt, die sich berufsbegleitend weiterqualifizieren. Ohne die Quereinsteiger würde das bei uns gar nicht laufen, da müssten wir Gruppen schließen. Es ist aber auch klar: Wenn das jetzt viele Kitas so machen wollen wie wir, gäbe es gar nicht genug Weiterbildungsplätze in Bremen. Die Weiterbildungskapazitäten für Quereinsteiger müssen auf jeden Fall stark ausgebaut werden.

Marco Heuerding arbeitet als Kinderarzt in der Vahr und ist zugleich Sprecher des Berufsverbandes der Kinder-und Jugendärzte in Bremen.
Marco Heuerding, Kinderarzt in der Vahr und Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in Bremen:
Leider trifft in Bremen ein geringes Angebot an Krippenplätzen auf große Kinderarmut. Eigentlich müssten gerade Kinder aus Familien mit Armuts- und Migrationshintergrund schon unter drei in die Kita gehen, damit sie gut gefördert werden. Wir haben viele Kinder mit sehr hohen Medienzeiten. Es gibt Kleinkinder, die zwei oder drei Stunden vor dem Bildschirm verbringen. Dadurch werden sie in ihrer Entwicklung beeinträchtigt. Wir verordnen sehr oft Logopädie oder Ergotherapie. Pädagogischer Förderbedarf sollte aber nicht dauerhaft durch teure medizinisch-therapeutische Maßnahmen kompensiert werden.
Wir müssen bei der Förderung viel früher ansetzen. Man muss den Eltern beibringen, dass sie mit den Kindern singen, sprechen, ihnen die Welt erklären. Im Grunde müsste man schon ein halbes Jahr nach der Geburt Eltern-Schulungen machen zum Thema Mediennutzung und Sprachvermittlung.

Janina Fürst ist ausgebildete Erzieherin und Bereichsleiterin für die Kindertagesbetreuung beim Kita-Träger Petri und Eichen.
Janina Fürst, Bereichsleiterin für Kinderbetreuung beim Träger Petri und Eichen:
Gerade in diesen Wochen ist der Krankenstand hoch. Dass auf eine Gruppe mit 20 Kindern nur eine Betreuungskraft kommt, ist dann der Normalfall. Notdienste, verkürzte Betreuungszeiten, Diskussionen mit den Eltern zerren an den Nerven. Kita-Leitungen müssen im Tagesgeschäft einspringen, Fortbildungen können von Beschäftigten nicht besucht werden, die Arbeit findet unter enormen Belastungen statt. Wir gucken von Tag zu Tag, wie wir es hinbekommen.
Schon mit einer unbesetzten Stelle wird es in vielen Kitas schwierig, Krankheiten und Urlaube kommen noch obendrauf. Dadurch steigt die Belastung der Fachkräfte schnell. Mir fehlt ein konkreter Fahrplan für die Kitas. Wir brauchen Qualität in den Kitas – aber die senken wir gerade ab. Ich bin dafür, dass Logopädinnen und Ergotherapeuten in Kitas eingesetzt werden, nicht als Erzieher, sondern in multiprofessionellen Teams.