Nach knapp drei Jahren auf der Flucht hat sich eine ehemalige Mitarbeiterin des Geld- und Werttransportunternehmens Loomis am Dienstag den Behörden gestellt. Die heute 31-Jährige hatte im Mai 2021 in Bremen mehr als acht Millionen Euro Bargeld entwendet und sich dann offenbar ins Ausland abgesetzt. Nun konnten Zielfahnder der Polizei Bremen die Frau am Bremer Flughafen nach einem Hinweis ihres Anwalts verhaften. Die 31-Jährige war eigenständig ohne anwaltliche Begleitung aus der Türkei nach Bremen eingereist.
Die jetzt Verhaftete war bei dem Geld- und Werttransportunternehmen Loomis angestellt, um unter anderem das von der Bundesbank in Containern angelieferte Bargeld in Geldkassetten umzupacken. Das Geld wird genutzt, um Geldautomaten in Bremen und Umgebung zu befüllen. Etwa 17 Millionen Euro hatte sie am 21. Mai unmittelbar vor dem Pfingstwochenende zu verpacken, doch nur etwa die Hälfte davon landete wie vorgesehen in den Kassetten. Die andere Hälfte – laut Loomis exakt 8.196.925 Euro – ließ sie in einem Container verschwinden, den sie am Ende ihres Arbeitstages aus dem Betrieb schmuggelte. Anschließend lud sie die Beute in einen wartenden Transporter und konnte vollkommen ungestört verschwinden. Entdeckt wurde der Diebstahl wegen der Feiertage erst vier Tage später.

Das Unternehmen Loomis ist an verschiedenen Standorten in Deutschland vertreten – auch in der Straubinger Straße in Bremen.
Die Tatverdächtige wurde am Dienstag direkt nach ihrer Verhaftung einem Haftrichter vorgeführt. Sie sitzt nun in der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen in Untersuchungshaft. Laut Frank Passade, Sprecher der Staatsanwaltschaft Bremen, hat die Frau über den Anwalt ihre Bereitschaft angedeutet, zur Sache auszusagen. Wie umfassend sie dabei auch über andere Tatbeteiligte, den Verbleib der erbeuteten acht Millionen Euro und ihre Flucht informiert, müsse sich zeigen.
Für die Staatsanwaltschaft dürfte das von Interesse sein mit Blick auf Berichte, die der Frau Kontakte zum Miri-Clan bescheinigen. Recherchen von Report München und RBB24 wollen demnach im Juni 2023 aufgedeckt haben, dass es Verbindungen zu den organisierten Telefonbetrügern des Clans gebe. Möglicherweise habe einer ihrer Fluchthelfer einen hohen erbeuteten Betrag der Telefonbetrüger aus Deutschland in die Türkei gebracht. Auf dem gleichen Weg könnte auch die Millionenbeute aus Bremen verschwunden sein. Bislang gibt es dafür aber keine amtliche Bestätigung.
Mutmaßliche Täterin wird auf Strafminderung hoffen
Der Umstand, dass sich die Tatverdächtige selbst gestellt hat und mit möglichen Aussagen zur weiteren Aufklärung des Millionendiebstahls beitragen könnte, dürfte nach Einschätzung von Sönke Gerhold, Strafrechtsprofessor der Universität Bremen, zu einer geringeren Strafe beitragen. Die im Gesetz als mögliches Höchstmaß vorgesehenen zehn Jahre Freiheitsstrafe für einen Diebstahl im besonders schweren Fall dürften demnach wohl nicht ausgeschöpft werden. "Dieser besonders schwere Fall ergibt sich hier wahrscheinlich schon allein aus der Höhe des Schadens", schätzt Gerhold.
Im Mai 2022 wurde allerdings eine 25-jährige Komplizin zu drei Jahren Haft wegen Beihilfe zum Diebstahl in besonders schwerem Fall verurteilt. Als Hauptangeklagte kann sie kaum mit einem geringeren Strafmaß rechnen, auch wenn dieses Urteil noch nicht rechtskräftig ist. In der Revision wurde insbesondere die Höhe der Strafe sowie die Strafzumessung infrage gestellt. Das Landgericht muss darüber nun erneut befinden.
Unberührt davon ist das Hauptbeweismittel in diesem Verfahren: abgehörte Telefonate, in denen die 25-Jährige auch mit der jetzt verhafteten mutmaßlichen Haupttäterin sprach. Die Ermittler erfuhren dadurch sogar ihren damaligen Aufenthaltsort in Izmir in der Türkei. Anträge auf Rechtshilfe an die türkischen Behörden verliefen jedoch im Sande.
Das Gericht sah es am Ende als erwiesen an, dass die Angeklagte maßgeblich in die Organisation, Flucht und Verteilung der Beute des Millionen-Coups mit eingebunden war, auch wenn sie selbst wohl keinen Cent von der Beute erhalten hat.
Kriminologe Christian Pfeiffer sieht sich bestätigt
Der langjährige Direktor des kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen Christian Pfeiffer sieht sich heute in seiner vor zwei Jahren geäußerten Einschätzung bestätigt, dass die Tatverdächtige den hohen Stress ihrer Flucht nicht auf Dauer erträgt. "Ein freies Leben, wie man es sich im Vorfeld ausmalt, führt man nicht. Man lebt in ständigem Stress und in ständiger Angst", sagte Pfeiffer im März 2022 gegenüber Reportern von RTL.
Ob sie sich tatsächlich entschieden hat, dass zu beenden und dafür eine Haftstrafe zu akzeptieren, müsse sich noch erweisen, meint er heute. "Entscheidend wird sein, wie viel sie von der Beute noch vorweisen kann", sagt Pfeiffer. Es sei nicht von vornherein auszuschließen, dass sie auch jetzt noch darauf hofft, nach Verbüßung der Strafe von dem Geld zu profitieren. "Wie wahrscheinlich das angesichts aller Umstände ist, wird die Staatsanwaltschaft mit Sicherheit prüfen."