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Urteil am Landgericht Millionen-Coup bei Geldtransportfirma: Drei Jahre Haft für Komplizin

Die Haupttäterin des Millionen-Coups bei der Geldtransportfirma Loomis ist weiterhin von der Bildfläche verschwunden. Ihrer Komplizin nutzt das wenig, wie sich jetzt vor dem Landgericht zeigte.
24.05.2022, 18:03 Uhr
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Millionen-Coup bei Geldtransportfirma: Drei Jahre Haft für Komplizin
Von Ralf Michel

Das Landgericht fand keinen Hinweis darauf, dass die Angeklagte von der Millionenbeute aus dem Diebstahl bei der Geldtransportfirma Loomis jemals auch nur einen Cent gesehen hat. Ins Gefängnis muss die 25-Jährige trotzdem. Drei Jahre Haft wegen Beihilfe zum Diebstahl in besonders schwerem Fall lautete am Dienstag das Urteil gegen die Komplizin der nach wie vor flüchtigen 28-jährigen Haupttäterin. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Angeklagte maßgeblich in die Organisation, Flucht und Verteilung der Beute des Millionen-Coups mit eingebunden war.

Am 21. Mai vergangenen Jahres, dem Freitag vor Pfingsten, hatte eine 28-jährige Mitarbeiterin von Loomis in Bremen in einem Altpapiercontainer 8,2 Millionen Euro aus dem Gebäude der Firma geschmuggelt. Als der Diebstahl nach Pfingsten auffiel, war sie längst über alle Berge. Ermittlungen ergaben, dass sie am Tag nach der Tat in einen Flieger nach Istanbul gestiegen war. Eine gute Woche später tauchte sie in einem Hotel in Izmir auf, wo ihre Komplizin sie Ende Mai sogar besuchte, danach verschwand sie von der Bildfläche.

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Nicht so ihre Freundin und Mittäterin: Die flog zurück nach Bremen und wurde wenig später festgenommen. Die Polizei hatte ihr Handy abgehört. Galt sie anfangs "nur" als Übermittlerin von Nachrichten zwischen der Haupttäterin und deren Familie, so wurde sie später selbst zur Beschuldigten. Für das Gericht bestand am Ende des Prozesses kein Zweifel mehr daran, dass die 25-Jährige ein aktiver Teil des kriminellen Getriebes war. "Sie waren darin vielleicht nicht das größte Rad, aber ein wichtiges", sagte der Vorsitzende Richter in seiner Urteilsbegründung.

"Ein wichtiges Rad im Getriebe"

Die Angeklagte habe ihre Freundin schon im Vorfeld der Tat unterstützt und sie dadurch in ihren Plänen bestärkt. Sie habe allein am Tattag 34-mal telefonisch Kontakt mit der Haupttäterin gehabt und nachdem diese in der Türkei abgetaucht war, von Bremen aus quasi deren Fluchtziele organisiert – von Kontakten zu Mittelsmännern in der Türkei über Hotelbuchungen bis hin zur Planung von Ortswechseln. Was offenbar auch deshalb notwendig war, weil die 28-jährige Haupttäterin kein Türkisch  spricht. "Sie hatten die Zügel in der Hand", bescheinigte der Richter der Angeklagten. Man hat den Eindruck, dass sie ohne Sie aufgeschmissen gewesen wäre." 

Mit dem Urteil folgte das Gericht der Linie der Staatsanwaltschaft. Die hatte viereinhalb Jahre Haft für die 25-Jährige beantragt. Auch für die Anklagebehörde stand fest, dass die junge Frau aktiv an der Vorbereitung der Tat, an der Flucht der Haupttäterin sowie am Transport der Beute beteiligt war. Den Transfer der 8,2 Millionen Euro in die Türkei soll der Lebensgefährte der 25-Jährigen organisiert haben.

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Die Verteidigung bezeichnete diese Darstellung dagegen als völlig überzogen. Hier werde fälschlicherweise ein Bild von einer hochkonspirativen, mit allen Wassern gewaschenen Frau gezeichnet, die tief verstrickt in die Tat gewesen sei. Dabei sei die 25-Jährige nichts anderes als die beste Freundin der Haupttäterin gewesen. Hier liege der Grund für die zahlreichen Telefonate der beiden Frauen und für die Unterstützung der Angeklagten, die aus Sicht der Verteidigung ohnehin nicht mehr war als "ganz normale Freundschaftsdienste".

"Normale Freundschaftsdienste"

Eine "gewisse Unterstützung" der Haupttäterin durch die Angeklagte räumte letztlich aber auch die Verteidigung ein. Ebenso wie deren fehlendes Unrechtsbewusstsein, dass man jemanden in so einer Situation nicht helfen sollte. Wenn überhaupt, so sollte die 25-Jährige aber nur zu einer Strafe verurteilt werden, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne, also bis zu zwei Jahren Haft, forderte die Verteidigung.

Wobei dies nur hilfsweise in Betracht gezogen werden sollte. Das eigentliche Plädoyer der Verteidigung zielte auf einen Freispruch. Das Abhören der Telefonate der 25-Jährigen, auf denen die Anklage gegen sie im Wesentlichen beruhte, sei rechtswidrig. Auch dies sah das Gericht anders. Die Anordnung zur Telefonüberwachung sei zwar fehlerhaft gewesen, habe aber nicht zur Erlangung von Daten geführt, die man nicht auch auf korrektem Wege hätte erlangen können. Der Anfangsverdacht gegen die 25-Jährige sei berechtigt gewesen und damit auch die weitere Überwachung ihres Telefons.

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Und auch wenn es seitens der Polizei zu "peinliche Ermittlungspannen" gekommen sei, führe nicht zu einer anderen Bewertung des Verhaltens der Angeklagten, betonte der Vorsitzende Richter abschließend. Sie sei eher Mittäterin gewesen als Gehilfin. Dass im Hintergrund des Millionen-Diebstahls noch ganz andere, mutmaßlich gefährliche Personen eine Rolle spielten, wie am Rande des Verfahrens angedeutet wurde, stellte das Gericht nicht in Abrede. "Sie haben sich offenbar mit den falschen Leuten eingelassen." Doch auch dies ändere nichts an dem Urteil. "Denn Sie haben gewusst, dass das Personen sind, mit denen man sich besser nicht einlässt." 

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