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Landgericht Bremen Prozessauftakt gegen mutmaßlichen Bankräuber

Ein 54-Jähriger soll in Bremen drei Banken überfallen und dabei 16500 Euro erbeutet haben. Die eigentlichen Opfer der Taten waren aber nicht die drei Geldinstitute, wie der Prozessauftakt am Dienstag zeigte.
16.10.2018, 09:31 Uhr
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Von Ralf Michel

Der Angeklagte schweigt. Drei Banken soll der 54-Jährige überfallen haben. Gleich zweimal, im Juli 2017 und im März 2018, die Sparkasse in der Hemelinger Heerstraße. Dazwischen, im November 2017, die Filiale der Commerzbank in der Östlichen Vorstadt. Die Beute betrug insgesamt 16 500 Euro. Beim Prozessauftakt am Dienstag sagt der Mann kein Wort zu diesen Vorwürfen. Das ist sein gutes Recht, trotzdem legt ihm der Vorsitzende Richter eindringlich ein Geständnis ans Herz. Ohne das könne es, auch mit Blick auf die Vorbelastungen des Angeklagten, ungünstig für ihn ausgehen, betont der Richter. "Wenn Sie es getan haben, würde ich Ihnen empfehlen, es zuzugeben." Doch der 54-Jährige bleibt dabei: Keine Erklärung von seiner Seite.

So dreht sich der erste Prozesstag am Landgericht weitgehend um das Tatgeschehen, das in allen drei Fällen demselben Muster folgte, bestens dokumentiert durch Videoaufnahmen: Ein maskierter Mann betritt die Bank, zwingt die Mitarbeiter mit einer Pistole zur Herausgabe von Geld und verschwindet anschließend unerkannt.

Frau als Druckmittel

Schnell wird im Gerichtssaal deutlich, dass die eigentlichen Opfer der Überfälle nicht die Geldinstitute sind, sondern die Menschen, die der Täter mit seiner Waffe bedroht hat. Da ist die 72-jährige Frau, die der Mann beim ersten Überfall mit gezückter Pistole vom Geldautomaten im Eingangsbereich der Sparkasse zum Kassenschalter gezerrt hat, um dort das Geld zu fordern. Immer wieder atmet die Seniorin bei ihrer Zeugenaussage schwer durch, muss sich sammeln, um sich an die Ereignisse vor 15 Monaten zu erinnern. Kräftig am Arm gepackt habe er sie. "Mitkommen!"

Offenbar wurde die Frau als Druckmittel für den Kassierer eingesetzt. "Ich habe da stocksteif gestanden", erinnert sie sich. Den Blick starr auf den Kassierer gerichtet. Kein falsches Wort jetzt, keine falsche Bewegung. Als der Täter mit seiner Beute verschwand sackte die 72-Jährige vor dem Tresen der Sparkasse zusammen. "Die Polizei hat mich dann nach Hause gebracht. Da war auch ein Krankenwagen, aber das wollte ich nicht."

"Fürchterlich!"

Wie die Zeit nach dem Überfall gewesen sei, fragt der Vorsitzende Richter und diesmal kommt die Antwort schnell: "Fürchterlich!" Sie habe sich nicht mehr vor die Tür getraut und bis heute Probleme, in eine Bank zu gehen. Beim Psychologen sei sie gewesen. Aber nur zweimal. Jetzt will sie ihn wieder aufsuchen. "Ich habe geglaubt, dass ich damit alleine fertig werde. Aber das war wohl ein Fehler."

Da ist der 48-jährige Bankkaufmann, der dem Täter das Geld aushändigte. In seiner Aufregung hatte er zunächst die falsche Zahlenkombination in das Geldausgabegerät am Kassenschalter eingegeben. Die Auszahlung verzögerte sich. Daraufhin kam der Täter zu ihm hinter den Tresen, stieß ihm die Pistole in die Seite. Erst im zweiten Versuch spuckte der Automat die Höchstsumme von 5000 Euro aus. Dazu kamen 1500 Euro aus der Registrierkasse, dann verschwand der Bankräuber. Ein gutes halbes Jahr war der Bankangestellte krank geschrieben. Heute arbeitet er wieder voll, befindet sich aber weiterhin in Therapie. Der Überfall beeinträchtige ihn immer noch, sagt er und spricht von "erhöhter Aufmerksamkeitsspanne". "Ich habe das Gefühl, die Leute öfter zu kontrollieren."

Täter bedroht Frauen mit Waffe

Und da sind die beiden Mitarbeiterinnern der Commerzbank, die am 14. November vergangenen Jahres überfallen wurde. Beide bedrohte der Täter mit seiner Waffe. In der Bank selbst sei sie noch relativ ruhig gewesen, erzählt die 47-jährige Bankkauffrau. Erst zu Hause sei sie dann zittrig geworden. "Und dann folgte ein ganzer Rattenschwanz": wochenlange Krankschreibung, 15 Sitzungen bei einer Psychologin, danach eine vierwöchige Wiedereingliederung. "Ich war schon noch recht lange ängstlich, zittrig und unkonzentriert. Und ich habe schlecht geschlafen." Heute arbeitet sie wieder, fühlt sich aber weiterhin körperlich und psychisch nicht belastbar. In Kürze wird die Frau eine psychosomatische Reha antreten.

Ihre 44-jährige Kollegin, die an dem Tag des Überfalls als Kassiererin eingesetzt war und dem Täter das Geld aushändigen musste, schreckt bis heute manchmal im Schlaf auf. Auch sie war für mehrere Wochen krankgeschrieben und wurde therapeutisch behandelt. Inzwischen arbeitet sie wieder. "Aber wenn Leute mit übergezogener Kapuze die Bank betreten, erschrecke ich jedes Mal."

Zur Identifizierung des Täters konnte keiner der vier Zeugen etwas beitragen. Ziemlich groß, schwarze Sturmhaube, dunkle Kleidung, Deutsch ohne Akzent ... Ebenso vage blieben die Angaben zu seiner Pistole. Laut Staatsanwaltschaft handelt es sich um eine schwarze Softair-Waffe, ähnlich einer halbautomatischen Pistole der Marke Heckler & Koch. Aus Sicht der Bedrohten war dies aber ohne Belang. Für sie sah die Pistole echt aus, erklärten unisono alle vier.

Die Zeugen des dritten Überfalls werden am zweiten Verhandlungstag gehört, am Freitag, 2. November, ab 13 Uhr. Dann soll auch ein Polizeibeamter aussagen – zu den Ergebnissen einer durchgeführten DNA-Analyse.

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