Durchgehend Tempo 30 in der Stadt, 80 Kilometer pro Stunde auf Landstraßen und bundesweit ein Limit von 130 km/h auf Autobahnen – so können sich die Abgeordneten des Bremer Regierungsbündnisses die Geschwindigkeitsbegrenzungen nicht nur in Bremen vorstellen. Die Parlamentarier der rot-grün-roten Koalition hatten in der Aktuellen Stunde der Stadtbürgerschaft in Bremerhaven zudem zahlreiche weitere Verbesserungsvorschläge für die Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO). Das wiederum erhitzte die Gemüter der Opposition.
Der Bundesrat hatte der StVO-Reform von Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) am 14. Februar zugestimmt. Die Bremer Grünen-Fraktion nahm dies zum Anlass, um unter dem Titel „Verkehrswende geht anders – die Novelle der Straßenverkehrsordnung reicht als Unterstützung von Städten und Kommunen nicht aus“ das Thema ausführlich zu diskutieren. „Der Paradigmenwechsel hin zu einer menschengerechten Organisation des Verkehrs ist nicht geschafft worden“, sagte Ralph Saxe (Grüne), der die Parlamentsdebatte beantragt hatte. Es sei aber auch nicht alles schlecht, was mit der Reform beschlossen wurde, meint der Verkehrspolitiker und zählt den grünen Pfeil oder den Mindestabstand für Autofahrer beim Überholen von Radfahrern auf. Künftig müssen Autos mindestens 1,50 Meter im Ort und zwei Meter außerorts dabei einhalten.
Fahrradstraßen mit Tempo 30
Neuerdings kann es durch die StVO-Neuregelungen auch Fahrradstraßen und ganze Fahrradzonen geben, in denen höchstens Tempo 30 erlaubt ist und der Radverkehr nicht gefährdet oder behindert werden darf. „Das ist eine Innovation des Radverkehrs, die ihren Ursprung in Bremen hat“, verweist Saxe auf das Modellquartier in der Neustadt. Dennoch fehlen dem Grünen-Politiker Maßnahmen für mehr Verkehrssicherheit wie zum Beispiel Sicherheitszonen, in denen Lastwagen nur mit Abbiegeassistenten fahren dürfen, oder eben Tempobegrenzungen.
Während Saxe Regelgeschwindigkeiten innerorts, auf Landstraßen und auf den Autobahnen will, belassen es SPD-Verkehrspolitikerin Anja Schiemann und Linken-Fraktionsvorsitzende Sofia Leonidakis in ihren Redebeiträgen bei der Forderung nach einem Tempolimit von 130 Kilometern pro Stunde auf der Autobahn. „Deutschland ist ein weißer Fleck in Europa, was ein generelles Tempolimit angeht“, sagt Schiemann. Sie befürwortet zwar einige Punkte der StVO-Novelle, betont aber auch, dass sie nicht weit genug gehe. Als zu „zaghaft und unambitioniert“ bezeichnet Leonidakis die Reform, vor allem was fehlende Bußgelder für E-Scooter oder das Tempolimit angehe. „Wir müssen die Verkehrswende selbst vollziehen“, sagt die Linkenpolitikerin, damit man irgendwann sagen könne, dass Bremen verkehrspolitisch das Kopenhagen an der Weser sei.
So gar nicht nachvollziehen kann Heiko Strohmann (CDU) die Debatte. Er kritisiert, dass die Straßenverkehrsordnung im Stadtparlament diskutiert wird und vermisst den Zusammenhang zur Verkehrswende. „Das sind ideologische Spielchen, mit der Sie versuchen, von Ihrem politischen Versagen abzulenken“, ruft er den Regierungsparteien zu. Rot-Grün-Rot solle anfangen die im Verkehrsentwicklungsplan beschlossenen Sachen abzuarbeiten, doch dafür sei in den Haushaltsverhandlungen mal wieder zu wenig Geld eingeplant worden. „Wir haben hier kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsdefizit“, kritisiert Strohmann. Die Regierung solle die Menschen mit guten Angeboten für Radfahrer und Fußgänger und einem attraktiven öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) davon überzeugen, auf das Auto zu verzichten.
Ähnlich sieht es Thore Schäck (FDP), der Bremens Fahrradpolitik zwar befürworte, aber mehr über Alternativen und Angebote für eine Verkehrswende sprechen will. „Die Anti-Auto-Politik unterstützen wir als FDP-Fraktion nicht“, sagt Schäck. Autofahrer, die auf ihr Fahrzeug angewiesen seien, dürften nicht vergessen werden.
Verkehrssenatorin Maike Schafer (Grüne) entgegnet den beiden Oppositionspolitikern, dass Bremen sehr wohl Angebote schaffe und zählt in Sachen ÖPNV die 500-Millionen-Euro-Investition in neue Straßenbahnen, den Ausbau der Linie 1 und 8 sowie in der Überseestadt auf.