Ob das Wallkontor wirklich gut wird, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt objektiv natürlich noch nicht sagen. Marco Bremermann ist jedenfalls dieser Annahme, das muss er als Geschäftsführer der Bauherrin Müller & Bremermann GmbH & Co KG ja auch sein, und deshalb hat er beim Richtfest schon mal den Slogan für das neue Wohn-Büro-Einkaufshaus am Wall präsentiert: "Wall’s gut wird", heißt der. "‚Auferstanden aus Ruinen‘ hätte thematisch natürlich auch gepasst", erzählte Bremermann zur Gaudi der Zimmerleute, Handwerker und geladenen Gäste aus Baubranche, Stadtgesellschaft und Politik wie Bausenatorin Maike Schaefer (Grüne). Aber den Titel der Nationalhymne der ehemaligen DDR für den Nachfolger des im Mai 2015 abgebrannten Kaufhauses Harms am Wall zu verwenden, sei dann doch ein bisschen zu gewagt gewesen.
Das Dach ist jetzt drauf auf dem elfstöckigen und mehr als 30 Meter hohen Gebäude, die Dachsparren teilweise außen noch unverkleidet, die Fenstergauben des obersten Geschosses sind schon von Weitem sichtbar. Dort und in der Etage darunter sollen, wenn das Wallkontor Ende 2022 fertig ist, Menschen wohnen, in die übrigen Büros einziehen und in den Erdgeschossen Geschäfte. "Insgesamt sind in den vergangenen Monaten 7500 Quadratmeter Fläche erstellt worden", sagte Bremermann. Dabei eingerechnet sind die beiden Tiefgeschosse, Parkgaragen für Autos und Fahrräder.

Investor Marco Bremermann beim Richtfest.
Noch ein paar Zahlen: 196 Stufen muss erklimmen, wer im Wallkontor von ganz unten nach ganz nach oben will – in Zukunft geht das aber auch mit dem Fahrstuhl. Rund 2000 Kubikmeter Beton und 300 Tonnen Bewehrungsstahl stecken in dem Haus, Letztere würden, wie der Bauherr erklärt, zehn große Tanklaster ausfüllen. Die Baugrube sichern knapp 1100 zwölf bis 14 Meter lange Bohrpfähle, aneinandergereiht könnte man damit große Teile der Innenstadt umranden. Die Außenfassade, die teils schon hinter den Planen sichtbar ist, besteht aus 1400 Quadratmetern hellem Naturstein – ein Kompromiss zwischen Investor und der Stadt, nachdem es lange Ärger gab unter anderem um die Frage, ob Teile der historischen Harms-am-Wall-Fassaden in den Neubau eingebaut werden müssen oder nicht.
Passage mit historischen Funden
"Unser Ziel war nicht, die Baulücke möglichst schnell zu füllen und hier irgendetwas hineinzusetzen", sagte Bremermann, "sondern wir wollen ein verbindendes Element schaffen." Das einerseits zu der bereits vorhandenen Wallbebauung passt und andererseits mit der geplanten Passage als Durchgang zur Museumsstraße den Anschluss des Walls an die im Domshof schafft – eine Verbindung, die es laut dem Investor seit 30 Jahren geben solle, die aber nie umgesetzt wurde. Beim Richtfest, das übrigens eine ausgewachsene Party war, erinnerte Bremermann auch an die Funde der Überreste der mittelalterlichen Stadtmauer und anderer Relikte aus der Vergangenheit. Sie sollen, so der Plan, in die neue Passage integriert werden.
Die nächsten Bauschritte werden die Fertigstellung der Fassade sein und der Abschluss der Arbeiten an den Fenstern. Gleichzeitig beginnt der Innenausbau. "Die Baustelle ist so geplant, dass unsere Leute auch im Winter durcharbeiten können", sagt Bremermann. Verzögerungen durch Lieferengpässe, die im Moment so viele Bauvorhaben trifft, erwartet er nicht: "Wir haben viele technische Teile schon vor mehr als einem Jahr bestellt. Das war aber nicht der Pandemie geschuldet, sondern einfach Zufall." Sie werden seitdem in einem Außenlager aufbewahrt und bei Bedarf angeliefert – dieses Außenlager ist einer der Vorteile der ansonsten komplizierten, weil aufgrund der Lage eng begrenzten Baustelle mit wenig Spielraum sowie Anliefermöglichkeiten sowohl auf der Wallseite als auch in der Museumsstraße.

Die Fenster sind in fast allen Etagen eingebaut. Es folgt der Innenausbau.
Als eher kompliziert empfindet Bremermann bekanntermaßen auch einige der jüngsten Innenstadtmaßnahmen, Stichworte Verkehrsversuche und die ungeklärte Situation des Parkhauses Mitte. "Die Unverbindlichkeit lähmt, alle warten ab", sagt er. "Das ist ein großes Problem."