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Sportverein Arsten: Wer keine Weltrekorde brechen will und trotzdem viel Freude am Fahren hat, ist hier richtig Seilspringen mit dem Einrad

Wer glaubt, das Fahrradfahren zu erlernen ist schwer, der sollte es mal mit nur einem Rad versuchen. Wer sich der Herausforderung stellt, das wissen die Mitglieder des Radsportvereins Arsten genau, hat Spaß mit diesem von Artisten und Kindern genutzten Freizeitgerät, wenn es denn klappt. Sascha Rühl stellte sich der Aufgabe und stieß an seine Grenzen.
17.09.2012, 05:00 Uhr
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Von Sascha Rühl

Wer glaubt, das Fahrradfahren zu erlernen ist schwer, der sollte es mal mit nur einem Rad versuchen. Wer sich der Herausforderung stellt, das wissen die Mitglieder des Radsportvereins Arsten genau, hat Spaß mit diesem von Artisten und Kindern genutzten Freizeitgerät, wenn es denn klappt. Sascha Rühl stellte sich der Aufgabe und stieß an seine Grenzen.

Arsten. Es ist früher Abend, als sich die Mitglieder des Radsportvereins Arsten an der Sporthalle der Grundschule Arsten am Korbhauser Weg treffen. Nicht nur geradelt wird momentan, es wird auch fleißig genäht, erzählt Ingo Reiners. "Wir nehmen dieses Jahr am Freimarktsumzug teil, wir sind ein Drachenzug. Wir freuen uns darauf, allerdings ist das keine kurze Strecke. Wenigstens sind die Straßen glatt, und wir fahren vor den Pferden und ersparen uns den Pferdeäpfelslalom." Der Erwachsene ist im Einradfahren ein Exot, jedoch nicht im bunt durch alle Altersklassen gemischten Verein aus Arsten. "Für Kinder ist es einfacher anzufangen. Bei Erwachsenen kommt die Angst dazu, das Gehirn muss diese Form von Gleichgewicht erst wieder lernen. Wenn man das gelernt hat, ist das wirklich eine schöne Sportart", findet der erfahrene Einradler. Im vergangenen Urlaub habe er sich sogar beigebracht, nur mit einem Bein zu fahren.

Das hört sich alles spannend an, aber, ob es wirklich klappt? Die Stunde der Wahrheit ist gekommen. Ich bekomme ein stabil wirkendes Einrad, der Luftdruck wird noch schnell nachgebessert. Das geht natürlich doppelt so schnell wie beim Fahrrad. Während die jungen Mädels rückwärtsfahren und im Slalom um Hütchen kurven, kralle ich mich an der Bühne am Rande der Halle so sehr fest, dass die Finger ganz weiß werden. "Wichtig ist, dass du aufrecht sitzt", rät mir Ingo Reiners. In Ordnung, ich beginne, mich auf dem Rad wohler zu fühlen, auch wenn ich mir Sorgen um die zukünftige Familienplanung mache. Mein gesamtes Gewicht lastet auf dem handbreiten Sattel. Ich folge den Anweisungen und rolle langsam nach vorn und nach hinten, um ein Gefühl für das jetzt doch eher klapprig erscheinende Gefährt zu bekommen. Zuerst immer eine halbe Raddrehung, denn bei einer vollen Drehung kommt sogleich der Schreck, der durch meinen ganzen Körper fährt. Solange die Pedalen senkrecht stehen, fehlt die Kontrolle, jedes Mal geht ein Ruck durch mein Rad. Oft lande ich auf dem Boden oder in glücklichen Fällen auf den Beinen. Fährt das Rad ohne Fahrer voraus, landet man schnell auf dem Hintern. Bleibt es zurück, landet man zumindest mit einem Satz auf den Füßen. Umkippen zur Seite ist da heikler, regelmäßig schlage ich mit den Knöcheln an die Pedale.

"Die Zeit arbeitet für dich"

Langsam wird es besser, ich schaffe es, die Bande entlangzufahren, schließlich nur noch mit einer Hand als Stütze. Klar ist, mein Gleichgewicht muss geschult werden, ein Gegenlenken wie beim Fahrrad ist nicht möglich. Das kurze Hochgefühl ist auf einmal wieder verschwunden, denn der Gleichgewichtssinn scheint wieder zu streiken. Während der Stürze unterdrücke ich, aus Rücksicht auf die Kids, jedoch mit mäßigem Erfolg, meine Flüche. "Keine Sorge, die Zeit arbeitet für dich", macht Ingo Reiners mir Mut.

Ein Blick in die Halle zeigt, wie es später vielleicht einmal aussehen könnte. Reiners führt stolz vor, wie er nur noch mit einem Fuß auf den Pedalen fährt, es wird auf einem dünnen Balken balanciert. Gerd Bartsch fährt mit seinem 16 Zoll Rad durch die Halle, 20 Zoll hat ein normales. Bis zu 20 Kilometer pro Stunde schaffe er damit und könne mit Radfahrern auf der Strecke um den Werdersee herum mithalten, erzählt er stolz. Auf seinem tragbaren Computer zeigt Bartsch, was auch für die Arster einmal möglich sein könnte. Das Internet zeigt Kunststücke und Pirouetten, aufgenommen während einer Meisterschaft. Sogar die Abfahrt von der Zugspitze ist schon mit einem Einrad gelungen. "Davon sind wir weit entfernt", gibt er zu, jedoch könnten die Arster Einrad-Basketball spielen und sogar damit seilspringen. In einem Youtube-Video mit dem Titel "Sport ist cool beim Einradfahren" zeigt der Verein, was er kann und was ihn daran so begeistert. Damit nehmen die Arster an der Initiative "Sport ist cool, Sport begeistert" des Landessportbundes teil.

In der Halle sind andere Anfänger, die nur wenige Lernstufen über mir stehen. "Erst lernt man das Gleichgewicht an der Bande und das Vorwärtsfahren, dann tastet man sich an der Wand der Halle entlang, erst mit den Händen, dann mit einem Finger, dann irgendwann gar nicht mehr", erklärt Reiners. Nun beginnt die Jagd, zumindest für diejenigen, die sich ohne Führung gerade halten können. Bei dem Spiel "Schaf und Wolf" versuchen sich Fahrer gegenseitig anzuticken und danach zu erlösen, das sieht gar nicht so einfach aus, wenn man bedenkt, dass enge Kurven ein wirklich stabiles Gleichgewicht erfordern und ruckartiges Bremsen kaum möglich ist. Ich beschließe, es noch einmal zu versuchen, angespornt von dem, was ich in den Gesichtern der Arster deutlich erkennen kann – Spaß am Hobby. Doch anscheinend war meine Pause zu lang, ich lande mehrmals hintereinander auf dem Boden und gebe erst einmal auf.

"Wer keine Weltrekorde brechen will und trotzdem ganz viel Freude am Einradfahren hat, ist hier genau richtig", wird im Werbevideo unter anderem gesagt, das trifft bestimmt zu, auch wenn es mal anders geplant war. Vereinsvorsitzender Werner Bartsch fährt seit 60 Jahren Einrad, 72 ist er heute und fährt gemeinsam mit seinem Sohn und seinen Enkelinnen im Verein. "Spiel und Spaß kommt an bei uns", sagt er, während die Radler als Schafe und Wölfe durch die Gegend flitzen. "Kür will heute keiner mehr bei uns. Ich gebe dem Kunstradfahren in Großstädten keine Chance, die Weltmeister kommen alle aus der Provinz, wo es weniger Auswahl im Sportangebot gibt", findet der Einrad-Veteran, der mit dem Zweirad anfing. "Um 1950, als andere Jungs Fußball gespielt haben, bin ich schon mit einem selbst gebauten Fahrrad rückwärts durch die Straßen gefahren, da wusste ich noch gar nichts vom Kunstradfahren, später bin ich auch mal Landesmeister darin geworden", erinnert sich der fitte 72-Jährige während seiner Pause. Aufgrund der sportlichen Ambition hätten manche den Verein verlassen, heute gehe man locker damit um, es soll vor allem Spaß machen.

Nichts macht so viel Spaß

Mittlerweile sind rund zwei Stunden seit meinen ersten Metern an der Bande vergangen, ich beschließe, es für heute gut sein zu lassen. "Nur nicht aufgeben. Nichts macht soviel Spaß, wie damit durch die Gegend zu juckeln", behauptet Ingo Reiners. Wer das Einrad im Alltag nutzen möchte stößt auf Vor- und Nachteile.

Im Gegensatz zum Fahrrad erhebt die BSAG für das Spaßgerät keinen Ticketaufpreis, es passt außerdem leichter in den Kofferraum des Autos und ist günstig in der Anschaffung. 90 bis 100 Euro kostet ein für Erwachsene geeignetes Rad. Schwierig wird es beim Diebstahlschutz, Schlösser finden keinen Durchlass im Rahmen und dieser bietet auch keinen ausreichenden Platz für eine Markierung des ADFC. Eine Registrierung bei der Polizei ist ebenfalls oft nicht möglich, da meistens dem Einrad die Rahmennummer fehlt. Weiterhin dürfen im öffentlichen Straßenverkehr nur die Gehwege benutzt werden, das Einrad sei solange kein zulässiges Verkehrsmittel, wie Bremsen und Beleuchtung nicht vorhanden sind, erklärt die Polizei. Von einer Benutzung in der Nähe befahrener Straßen rät auch der Radsportverein Arsten aus Sicherheitsgründen ab, zu groß sei das Risiko, sich selbst oder andere Verkehrsteilnehmer zu verletzen.

Wer das Einradfahren mal ausprobieren möchte, hat jeden Dienstag ab 17.30 Uhr in der Sporthalle der Grundschule Arsten am Korbhauser Weg beim Training des Radsportvereins Arsten Gelegenheit dazu. Informationen gibt Werner Bartsch unter Telefon 833336 oder E-Mail werner.bartsch@gmx.de. Wer unter www.youtube.com nach "Einrad" und "cool" sucht, stößt schnell auf das neue lustmachende Video der Einradler.

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