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Sozialpädiatrisches Institut Wie Kinder in der Entwicklung gefördert werden

Das Sozialpädiatrische Institut in Bremen gilt als Vorreiter: Hier werden Kinder mit Auffälligkeiten in der Entwicklung mit Therapien und Beratung unterstützt. Der Förderverein lädt zu einer Benefizgala ein.
28.08.2023, 05:00 Uhr
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Wie Kinder in der Entwicklung gefördert werden
Von Sabine Doll

Lukas hat einen Hammer mitgebracht. "Heute musste unbedingt das Spielwerkzeug mit, darauf hat er bestanden", sagt Katharina von der Heyde. Den Holzhammer mit dem gelben Kopf hält er fest in der Hand. Es ist 8.30 Uhr. Lukas hat im Sozialpädiatrischen Institut an der Friedrich-Karl-Straße einen Termin auf dem "Wackeltisch", wie er das Therapiegerät nennt. Wackeltisch beschreibt die Funktion ziemlich treffend: Es handelt sich um eine Plattform mit einem Wipp-Mechanismus, auf der die Patienten stehen oder auch sitzen können. Lukas startet an diesem Morgen im Sitzen. "Heute versuchen wir etwas Neues", erklärt ihm Inka Brandes. Für eine möglichst aufrechte Haltung hat sie einen Holzstab mitgebracht, an dem sich Lukas festhält. Die Physiotherapeutin schaltet das Gerät ein.

Die Galileo-Therapie kommt unter anderem bei Kindern mit Cerebralparese zum Einsatz: einer frühkindlichen Hirnschädigung, die zu Störungen der Bewegungsabläufe und der Körperhaltung führt. "Die Kinder haben zu wenig Spannung im Rumpf und zu viel in den Extremitäten. Durch die Therapie auf dem Gerät wird die Muskulatur von den Beinen bis hoch zum Rumpf aktiviert", erklärt die Therapeutin. Schon ab zwei Therapieeinheiten in der Woche zeigten sich positive Effekte. Katharina von der Heyde kann das bestätigen: "Direkt nach der Therapie ist Lukas stabiler im Stehen, die Haltung hat sich bereits grundsätzlich verbessert."

Etwa 4000 Patienten pro Jahr

Lukas ist eines von etwa 4000 Kindern und Jugendlichen, die jährlich in dem Institut gegenüber der früheren Prof. Hess-Kinderklinik behandelt werden. Vor 45 Jahren wurde es als eines der ersten Zentren gegründet und gilt bis heute als Vorreiter. "Schwerpunkte sind die Früherkennung, Diagnostik und Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Auffälligkeiten der körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Entwicklung", beschreibt der Ärztliche Leiter Ulf Hustedt das Profil. Etwa jeder zweite Patient komme aus Niedersachsen, bundesweit gebe es gut 150 solcher Zentren. "Im Prinzip sind wir Anlaufstelle für alle Kinder zwischen null und 18 Jahren, sie werden von Kinderärzten an uns überwiesen."

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Stationär werden die Kinder nicht aufgenommen. "Wir sind ein ambulantes Kompetenz- und Behandlungszentrum, unter dessen Dach verschiedene Bereiche organisiert sind", so Hustedt. Dazu gehören Spezialisten aus der Kinder- und Jugendheilkunde, Psychologie und Psychotherapie, Ergo- und Physiotherapie, Logopädie, Heilpädagogik sowie Musiktherapie. Je nach Förderbedarf oder aktuellem Anlass werden verschiedene Spezialisten bei den Terminen hinzugezogen. Dies reicht zum Beispiel von der Versorgung mit Hilfsmitteln bis hin zu Therapien und der Beratung etwa auch zu schulischen Themen. "Wir begleiten die Kinder und Jugendlichen in ihrer gesamten Entwicklung. Das Besondere ist der ganzheitliche Ansatz, der über die medizinische Behandlung hinausreicht und immer auch den familiären Kontext einbezieht", erklärt Hustedt. Wichtig dabei: Der Blick richte sich nicht nur auf Defizite, sondern darauf, was möglich sei. Es gehe um Teilhabe und eine Verbesserung der Lebensqualität, abgestimmt auf jedes einzelne Kind.

In den vergangenen Jahren sind mehrere Spezialsprechstunden entstanden: unter anderem für Kinder mit Autismus, Downsyndrom oder Epilepsien, für Frühgeborene oder Kinder mit Cerebralparese. Es gibt Gruppen zur Lese-Rechtschreib-Therapie oder Konzentrationstraining. "Dieser ganzheitliche Ansatz ist mit einem hohen Aufwand verbunden, der in regulären Praxen nicht vorgehalten werden kann. Das Zentrum ist ausdrücklich keine Konkurrenz zu den Kinder- und Jugendärzten, sondern eine wichtige Ergänzung", betont der Arzt.

Eine Turnhalle wurde eingerichtet

Vor elf Jahren hat sich ein Förderverein gegründet. Dessen Ziel ist es, die Tätigkeit des Zentrums ideell und auch finanziell zu unterstützen. "Zuletzt wurden zum Beispiel der Warte- und Anmeldebereich kindgerecht umgestaltet und eine Turnhalle eingerichtet", sagt der Vorsitzende und frühere Gesundheitssenator, Hermann Schulte-Sasse. Der Förderverein finanziert auch Therapie- und Kursangebote oder besondere Geräte, die etwa nicht von dem Budget der Krankenkassen finanziert werden könnten, aber sinnvoll seien. Darunter die Galileo-Vibrationsplattform, von der Lukas und andere Kinder mit Bewegungseinschränkungen profitieren.

"Allein aus Mitgliedsbeiträgen ist dies nicht möglich, deshalb ist die Akquise von Spenden eine Aufgabe des Vereins", betont Schulte-Sasse. "Ein besonders wichtiges Anliegen des Fördervereins ist es, die besonderen Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen in der Öffentlichkeit zu vermitteln und damit ihre Teilhabe an der Gemeinschaft zu unterstützen."

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Benefizgala am 21. September

Nach dreijähriger, pandemiebedingter Pause lädt der Förderverein zugunsten des Sozialpädiatrischen Instituts wieder zu einer großen Benefizgala ein. Termin ist Donnerstag, 21. September, 19 Uhr, im Zirkuszelt Jokes, Kornstraße 315a. Neben den inklusiven Gruppen von Tanzbar Bremen und Spunxx treten Klinikclowns, die Artistik-Gruppe Tonnection und der Jugendzirkus auf, teilt der Verein mit. Der reguläre Kartenpreis beträgt 15 Euro, für Jugendliche ab zwölf Jahren sowie Menschen mit Schwerbehindertenausweis zehn Euro, bei Vorlage der Bremen-Card fünf Euro. Wegen der begrenzten Anzahl von Plätzen empfiehlt der Verein eine Bestellung im Vorverkauf per E-Mail an burkhardmehl@web.de (mit Namensangabe und Kartenanzahl). Der Betrag wird an folgendes Konto überwiesen: Förderverein Kinderzentrum, Iban: DE74 2919 0330 0106 3260 00, Volksbank Bremen-Nord. Die Karten werden laut Verein an der Abendkasse hinterlegt. Mögliche Restkarten gebe es an der Abendkasse.

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