Es dauerte immerhin bis zur fünften oder sechsten Frage, aber dann war das Thema doch wieder auf dem Tisch. Bis dahin hatte Imke Wübbenhorst bei ihrer Vorstellung als neue Cheftrainerin des Fußball-Regionalligisten SF Lotte über ihre Idee von Fußball, über Taktik und Trainingsinhalte geredet. Dann aber wurde sie gefragt, wie sie sich denn so fühle, als Vorreiterin und Pionierin. „Das wollte ich nie sein“, sagte Wübbenhorst, „und das bin ich auch nicht. Ich bin froh, dass es in den Gesprächen mit den Verantwortlichen in Lotte nur um fußballerische Fragen ging.“
Wübbenhorst, 31, hat das am Anfang ihrer Trainerkarriere anders erlebt. Im Januar 2019 war sie als erste Frau in Deutschland Cheftrainerin eines Männer-Oberligisten geworden. Die sechs Monate, in denen sie für die erste Mannschaft des BV Cloppenburg verantwortlich war, hatten sie zu einer bundesweiten Berühmtheit gemacht. Wübbenhorst hatte unzählige Fernsehauftritte, alle führenden Zeitungen des Landes und sogar aus Großbritannien und den USA hatten über die Frau in einer Männerdomäne berichtet. Der WESER-KURIER hatte Wübbenhorst ein halbes Jahr begleitet und eine preisgekrönte Doppelseite über sie veröffentlicht.
Und jetzt also Lotte, Vertrag bis 2022. Nach Europameisterin Inka Grings, die im April 2019 den damaligen Regionalligisten SV Straelen übernommen hatte, ist sie die zweite Frau, die jemals in der vierten Liga eine Männermannschaft trainiert. SF Lotte leidet zurzeit wie alle Klubs darunter, dass der Spielbetrieb wegen Corona ruht, gilt insgesamt aber als ein sehr ambitionierter Verein. Drei Jahre spielte Lotte, gelegen in der Nähe von Osnabrück, bis zum vergangenen Sommer in der 3. Liga. 2016 hatten die Sportfreunde Werder aus dem DFB-Pokal geworfen. Zurzeit steht man auf Platz zehn in der Regionalliga West.
Abschlussprüfung steht noch aus
„Ich will hier meinen Weg als Trainerin weitergehen“, sagt Wübbenhorst, die perspektivisch im Profifußball arbeiten möchte. Aus diesem Grund hat sie sich als Lehrerin beurlauben lassen und in den vergangenen Monaten ihre Ausbildung zur Fußball-Lehrerin an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Hennef absolviert. Unter anderem die Ex-Nationalspieler Tim Borowski und Christoph Metzelder sind dort ihre Mitstudenten. Wegen der Coronakrise ist die Abschlussprüfung bis auf Weiteres verschoben worden. „Aber das macht nichts“, sagt Wübbenhorst, „die holen wir irgendwann nach.“ Solange beschäftigt sich mit mit etwas anderem. Und das ist spätestens seit Freitag SF Lotte.