Neun Minuten war die Nations-League-Partie zwischen der deutschen Fußballnationalelf und der Niederlande im November 2018 alt, als Leipzigs Timo Werner zum 1:0 traf. Fans und Team jubelten, aus den Stadionboxen hallte „Chöre“, gesungen von Popbarde Mark Forster. „Mark Forster?“, wunderten sich manche auf den Rängen und vor den TV-Geräten. Offenbar setzte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) nach dem desaströsen WM-Vorrundenaus zum einen bei den Spielern auf eine Verjüngungskur und hoffte zum anderen auf ein neues Image abseits des Platzes. Denn bis dahin war zwölf Jahre lang „Schwarz und Weiß“, gegrölt von Blödelbarde Oliver Pocher, die Torhymne der DFB-Auswahl gewesen – die sogar nach dem deutschen WM-Sieg 2014 im Maracanã-Stadion ertönte.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit stellt Forsters Schmachtlied aber nur eine Übergangslösung dar. Der Fanclub der Nationalmannschaft lässt – nach mehreren vorherigen Auswahlrunden – seit vergangener Woche die Onlinenutzer mit einem Voting auf seiner Homepage über den neuen Jubeljingle entschieden. Neben dem Song „Chöre“, der unter Fans nicht nur wegen seiner fußballfernen Thematik umstritten ist, steht unter anderem zur Wahl: „Tanzen“, ein Song der Bremer Band Konfeddi. Schon das sei „absolut surreal“, sagt Konfeddi-Gitarrist Raphael Heimel.
7000 Nutzer voteten schon für "Tanzen"
Die Chance, dass der Track der Indierocker künftig ertönt, wenn Werner, Leroy Sané oder Marco Reus im DFB-Dress ein Tor erzielen, ist angesichts der namhaften Konkurrenz unerwartet hoch: Bis zum vergangenen Donnerstagabend voteten fast 7000 Nutzer für „Tanzen“. „Nicht nur für uns eine Riesenüberraschung“, so Gitarrist Cedric Busch. Die Bremer hatten fast zwölf Prozent von mehr als 60 000 abgegebenen Stimmen auf sich vereint, was den dritten Platz bedeutete. Am Ende gibt es aber nur einen Gewinner: Wer die meisten Votes erhält, stellt den neuen Torjingle. „Sollte das klappen, wäre das der Hammer, einfach unfassbar“, sagt Sänger Jermaine Greene.
Die Band ist, im Vergleich zur Konkurrenz, eher unbekannt – zumal sie erst seit drei Jahren besteht. Über eine Onlineanzeige hatten sich die fünf Mittzwanziger kennengelernt. Zu ihrem ungewöhnlichen Namen fanden sie, weil er laut Heimel „eingängig, bremisch, einzigartig“ sei. Etwa ein Jahr dauerte es, bis sie ein paar Songs eingespielt hatten und erstmals auf der Bühne standen. Im vergangenen Jahr erschien mit „Zwischen Pfandflaschen und Lichterketten“ ihr erstes Minialbum. Zum Torhymnen-Voting kamen sie über Greene, der stellvertretender Fußballspartenleiter der TSG Seckenhausen-Fahrenhorst ist und in der Fanbetreuung bei Werder Bremen arbeitet. Einer seiner Bekannten, der beim DFB tätig ist, hatte ihn angesprochen, weil er gehört hatte, dass der Bremer Musik mache. Nachdem viele Beteiligte die Vorschläge eifrig ausgemistet hatten, kam Konfeddi in die finale Auswahl, die auch der Mannschaftsrat der Nationalelf mitbestimmt hatte. Möglich also, dass etwa Manuel Neuer oder Toni Kroos für die Bremer votiert hatten.
"Konfeddi" ist der absolute Underdog
Zur Halbzeit der Abstimmung lief es sogar noch besser für Konfeddi: Am Mittwoch lagen die Bremer in Führung. „Ein krasser Moment“, sagt Schlagzeuger Florian Luckas. Er vermutet, dass viele Leute die Band gewählt hätten, weil Konfeddi der „absolute Underdog“ sei. Denn den liebe jeder. Mittlerweile befindet sich an der Spitze der Synthesizerkracher „Kernkraft 400“ des Technoprojekts Zombie Nation, gefolgt vom Gute-Laune-Sommerhit „Von allein“ der Reggae-Combo Culcha Candela. Hinter sich gelassen haben die Bremer bislang Bands und Künstler wie den erwähnten Forster, Queen und Macklemore sowie Ricky Martin, The Fratellis, AC/DC und Shakira oder auch den „Triumphmarsch“ aus der Oper Aida. „Allein seinen Namen dazwischen zu sehen, ist Wahnsinn“, sagt Luckas.
Während Pochers stimmungsvolle, jedoch recht schlichte Sommermärchenhymne „Schwarz und Weiß“, die Fans mit Authentizität überzeugte, sorge „Tanzen“ für „gute Laune, Unbeschwertheit“ und passe gut zum Jubeln, so Busch. Was sich etwa im Text der zur Auswahl stehenden Passage ausdrückt: „Ich will dich tanzen sehen / komm lass uns tanzen gehen. Ich will dich tanzen sehen / ich will dich tanzen sehen. Komm wir tanzen durch die Nacht / oh oh.“ Unterlegt sind die Lyrics mit einem Scheppern, es folgen schnelle Gitarrenfriffs und harte Schlagzeugschläge, die langsam mit einem Rauschen abklingen. „Ein Leckerbissen für die Ohren“, sagt Heimel scherzhaft. Fürs Stadion haben die Fünf das Lied nicht geschrieben, obwohl sie selbst kicken und regelmäßig zu Werderspielen gehen. „Musik und Fußball sollte man eigentlich nicht verbinden“, sagt Green. Nun aber müsse er sich wohl korrigieren, ergänzt er lachend.
Band bekommt mehr Aufmerksamkeit
Allein die Teilnahme an der Abstimmung habe sich für die Bremer gelohnt. So hätten sich die Youtubeklickzahlen verdoppelt, in sozialen Medien werde über ihre Musik gesprochen, debattiert. Es seien auch negative Kommentare dabei, erzählen sie, jedoch seien auch die wertvoll. Die Band hofft, dank der gewonnen Popularität zukünftig zu größeren Festivals eingeladen zu werden. Am liebsten aber würden sie im Stadion spielen, im Rahmen eines DFB-Spiels – um den neuen Torjingle zu präsentieren.
Voting läuft noch bis Montag
Der Fanclub des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) sucht mit einem Onlinevoting nach einer neuen Torhymne. 14 Songs von deutschen und internationalen Bands und Künstlern befinden sich in der finalen Auswahl. Auf der DFB-Homepage stehen die entsprechenden Passagen zum Reinhören bereit. Jeder Nutzer kann mitmachen. Am Montag, 2. September, um 12 Uhr endet das Voting. Wer bis dahin noch seine Stimme abgeben möchte, kann dies unter dem Link www.weser-kurier.de/dfb-abstimmung tun. Nach Plänen des DFB soll die neue Hymne bereits am Freitag, 6. September, zum Einsatz kommen, wenn die deutsche Nationalelf um 20.45 Uhr im Hamburger Volksparkstadion in der EM-Qualifikation auf die Niederlande trifft. Vorausgesetzt, die Schützlinge von Bundestrainer Jogi Löw erzielen mindestens ein Tor.