Renee van Hardeveld reibt sich die Hände mit Kreide ein, die Daumen sind mit Tape umwickelt. Sie nähert sich der eisernen Langhantel, an deren Ende Gewichtsscheiben gesteckt sind und die sie mit einem festen Griff umklammert. Sie geht mit geradem Rücken und gewölbter Brust in die Hocke, der gesamte Körper steht unter Spannung. Sie beginnt die Beine zu strecken, die Hantel führt sie mit gestreckten Armen eng am Körper entlang, bis sie sie in einer dynamischen Bewegung über Kopf bringt. Das macht sie einmal, zweimal, dreimal. Es geht um den letzten Feinschliff, denn an diesem Wochenende wird Renee van Hardeveld bei der deutschen Meisterschaft im Gewichtheben antreten. Für die 23-Jährige ist das ein persönlicher Meilenstein, auf den sie sich lange und intensiv vorbereitet hat.
"Das ist für mich schon eine große Sache und eine völlig neue Erfahrung", sagt van Hardeveld. Zwar habe sie bereits einige Wettkämpfe absolviert, auf einer so großen Bühne hätte sie aber bisher noch nicht gestanden. Renee van Hardeveld hebt beispielsweise in der 2. Bundesliga. Da Gewichtheben in Norddeutschland eher eine Randsportart ist, tritt sie für einen Verein in Nordrhein-Westfalen an. "Mein Mannschaftsstartrecht habe ich in Derne bei Dortmund, mein Einzelstartrecht aber in Kiel", erklärt sie. Trainieren tut sie in Bremen, in der Crossfit-Box Mamba Gym in Woltmershausen.
Zum Gewichtheben ist sie mehr oder weniger gekommen wie die Jungfrau zum Kind: "Ich war da irgendwann drin, ohne es wirklich zu merken", sagt van Hardeveld und lacht. Fünf Jahre ist es her, dass sie mit dem Sport in Berührung kam. "Ich habe damals in einem Fitnessstudio in Habenhausen gearbeitet. Mein ehemaliger Trainer hat mich irgendwann angesprochen, ob ich Lust auf Gewichtheben hätte." Was mit einem Besenstiel als Simulation für eine Langhantel begann, steigerte sich nach und nach. Mittlerweile lädt sich Renee van Hardeveld deutlich schwerere Lasten auf die Stange.

Bei der DM würde Renee van Hardeveld in der Disziplin Stoßen gerne ihre Bestleistung von 90 Kilo wiederholen.
Bei der olympischen Disziplin Gewichtheben geht es für die Athleten darum, eben jene Eisenstange inklusive seitlich befestigten Hantelscheiben so lange über ihremKopf halten, bis die Kampfrichter das Signal zum Absenken geben. Dabei gibt es zwei verschiedene Hebetechniken, in denen sich die Sportler auf Wettkämpfen jeweils dreimal beweisen müssen: das in einem fließenden Zug ausgeführte Reißen (Snatch) und das in zwei Bewegungen unterteilte Stoßen (wird auch als Clean und Jerk bezeichnet). Im Einzel-Wettbewerb werden die besten Versuche dann in beiden Techniken addiert und wer insgesamt in seiner Gewichtsklasse am schwersten gehoben hat, der gewinnt. Klingt erst mal simpel, erfordert aber eine Menge Arbeit, Konzentration und Disziplin.
"Die Techniken im Gewichtheben sind sehr anspruchsvoll und komplex. Man muss da schon voll und ganz bei der Sache sein", sagt Renee van Hardeveld. Das unterscheide die Sportart auch von anderen, wie beispielsweise dem Laufen. "Viele gehen joggen, um abzuschalten und den Kopf freizubekommen. Beim Gewichtheben brauchst du den Kopf, vieles spielt sich mental ab."
Großer Erfolg bei der norddeutschen Meisterschaft
Renee van Hardeveld tritt bei der deutschen Meisterschaft in der Gewichtsklasse bis 64 Kilogramm an. Ende September ist sie bereits in derselben Gewichtsklasse bei der norddeutschen Meisterschaft gestartet und Zweite geworden. "Ich würde sagen, das war bisher mein größter Erfolg." Damit meint sie nicht nur ihre Platzierung: Die 23-Jährige konnte dort ihre Zweikampfleistung um ganze sieben Kilogramm steigern und erzielte so zwei persönliche Wettkampfrekorde mit 70 Kilo im Reißen und 90 Kilo im Stoßen (vorher 67 Kilo im Reißen und 86 Kilo im Stoßen).
Das seien eigentlich ihre Jahresziele gewesen und jene Leistung, die sie auf der deutschen Meisterschaft im besten Fall hätte zeigen wollen, sagt sie. "Dass ich das jetzt schon bei der Norddeutschen erreichen konnte, war natürlich super." Nun heiße es, diese Ergebnisse bei der DM zu bestätigen. "Vielleicht kann ich ja sogar die ganz Großen ärgern, mal sehen."