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Vom Reißen und Stoßen Bremer Gewichtheberin will mit Schwung nach oben

Gewichtheberin Renee van Hardeveld trainiert zwar erst seit wenigen Monaten, hat aber bereits große Pläne: Die 18-jährige Bremerin vom Weightlifting Team Nord will bei der Deutschen Meisterschaft mitmischen.
24.07.2019, 18:30 Uhr
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Bremer Gewichtheberin will mit Schwung nach oben
Von Helge Hommers

Mit den Fingerspitzen verteilt Renee van Hardeveld Flüssigkreide in ihren Handflächen. Dann reibt sie ihre Schuhspitzen über den Beton und geht in die Knie. Ihre getapten Daumen greifen unter die Hantelstange, sie streckt die Arme durch, hebt die Hüften und starrt ohne zu blinzeln auf die weiße Wand vor sich. Plötzlich reißt sie mit Schwung die Hantel hoch und stemmt sie in die Luft, wobei sie die Zähne zusammenpresst und ihr Gesicht rot anläuft. „Und runter“, sagt ihr Trainer Wilfried Hagedorn, der mit locker in die Hüften gestützten Händen neben ihr steht. Die 18-Jährige lässt die Hantel los, die Gewichtsscheiben schlagen donnernd auf dem Boden auf und springen leicht in die Höhe.

Auch die anderen Kommandos, die Hagedorn den Gewichthebern des „Weightlifting Team Nord“ gibt, fallen eher spärlich aus: „Hoch“, „Hüfte“, „Sehr gut“, ruft der 52-Jährige mit der roten Jogginghose und dem schwarzen Deutschland-Trikot immer wieder, während hinter ihm Gewichte umhergeschleppt werden oder auf Balancescheiben gewackelt wird. Das Scheppern und Klirren der Hantelscheiben übertönt die Rockmusik, die aus den Boxen des „Better Training“ in Arsten dröhnt – dem Fitnessstudio, in dem Hagedorn nach langer Suche eine Trainingsstätte für sein Team gefunden hat.

Zweimal die Woche Training

Denn Gewichtheber benötigen zum Ausüben ihres Sports einen Boden aus Beton, der mit Gummi überzogen ist, damit die Gewichte beim Herunterfallen nicht das Fundament zerschmettern. Aber auch Holzbahnen sind notwendig, damit die Athleten bei ihren ruckartigen Bewegungen nicht wegrutschen. Voraussetzungen, die kaum vorhanden sind und auch im „Better Training“ erst geschaffen werden mussten. Dafür riss Inhaber Nasri Bahouth Matten von den Wänden des Raumes, in dem früher Brazilian-­Jiu-Jitsu-Kämpfer trainierten. Für Bahouth sei es eine „Win-win-Situation“: Die Gewichtheber könnten zweimal die Woche trainieren und er bekäme mit Hagedorn jemanden, der im Gegenzug seine Kunden im Gewichtestemmen fit mache.

Das „Weightlifting Team Nord“, das erst seit Anfang Juli im Vereinsregister gemeldet ist, hat 17 Mitglieder. Das Jüngste ist 16 Jahre alt, das Älteste 63 Jahre. Geht es nach Hagedorn, sollen weitere dazukommen, gerne auch von außerhalb. Manche Mitglieder hat er selbst rekrutiert: Er sprach sie an, wenn sie ihm beim Krafttraining im Fitnessstudio auffielen. „Man erkennt am Gang, der Fußstellung und Körperhaltung, ob jemand in der Lage ist, unseren Sport auszuüben“, sagt Hagedorn. Auf van Hardeveld wurde er aufmerksam, weil sie neben ihm mit Freihanteln trainierte. Als Hagedorn ihr von seinem Sport erzählte, war sie schnell angefixt. „Ich bin einfach ein neugieriger Mensch“, sagt die 18-Jährige, die vor Kurzem ihr Abitur gemacht hat.

Talent ist gut, Ehrgeiz ist wichtiger

Statt Gewichte zu heben, standen bei ihr anfangs aber vor allem die Bewegungsabläufe auf dem Programm. „Je öfter man es macht, desto mehr sitzt die Bewegung“, sagt van Hardeveld. Unterschieden wird beim Gewichtheben zwischen zwei Disziplinen: Dem Reißen, bei dem der Athlet die Hantel innerhalb eines Zuges über Kopfhöhe reißt, und dem Stoßen, bei dem die Hantel erst in der Hocke abgefangen und nachdem der Heber sich aufgerichtet hat, hochgestoßen wird. „Es ist unheimlich schwer, die 110 Prozent, die man erreichen kann, in diesen einen Moment zu legen“, sagt Hagedorn. Obwohl sie erst seit November vergangenen Jahres Gewichtheben trainiert, hat van Hardeveld bereits 44 Kilogramm gerissen und 57 Kilogramm gestoßen – was eine Zweikampfleistung von 101 Kilogramm ergibt. „In so kurzer Zeit so weit zu sein, ist schon sehr gut“, sagt Hagedorn. Damit sich ihr Niveau weiter verbessert, arbeitet sie sich an Trainingsplänen ab, die auf sie zugeschnitten sind. „Talent ist das eine, noch wichtiger ist der Ehrgeiz. Renee hat beides“, sagt Hagedorn.

An diesem Wochenende gehen einige Heber des „Weightlifting Team Nord“ bei den German Open in Braunschweig an den Start. Die Open seien ein Sprungbrett zu den deutschen Meisterschaften im November, sagt Hagedorn. Dort teilzunehmen, ist van Hardevelds Ziel. Um die für die Qualifikation notwendige Norm zu erfüllen, muss sie eine Zweikampfleistung von 105 Kilogramm erreichen. Obwohl bis dahin noch ein weiter Weg vor ihr liegt, ist sie optimistisch. Für das kommenden Jahr visiert ihr Trainer an, mit zwei oder drei Teammitgliedern bei den deutschen Meisterschaften mitzumischen. „Die Erfolge kommen zwar langsam, aber wir können nun fokussiert trainieren“, sagt er. Von van Hardeveld erhofft und erwartet er dann aber noch ein wenig mehr als nur die reine Teilnahme: „Ich bin überzeugt, dass Renee im kommenden Jahr in der deutschen Spitze mitmacht.“

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